3. Sonntag nach Epiphanias / 3. Sonntag im Jahreskreis (22.01.17)

3. Sonntag nach Epiphanias / 3. Sonntag im Jahreskreis [III/A]

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Joh 4, 46-54 Jes 8, 23b-9, 3 1 Kor 1, 10-13.17 Mt 4, 12-23

Sehnsucht nach einem Leben in Fülle (Gedanken zu Joh 4, 46-54):
In Deutschland glaubt laut einer Umfrage aus dem Jahr 2012 mehr als die Hälfte der Bevölkerung an Wunder (ca. 51%). Ein erstaunlicher Befund, obwohl sich doch die meisten Zeitgenossenen für fortschrittlich, aufgeklärt  und vernünftig halten.

Warum? Ein Grund ist, dass sich der Spalt zwischen den großen Menschheitsfragen und den Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaften, zwischen den Sehnsüchten der Seele und den Antworten des Verstandes nie ganz schließen lässt! Unser Hunger – nach Wasser und Brot, aber auch nach Gerechtigkeit und Friede, nach Liebe und Versöhnung – ist immer größer als die vielen vermeintlichen Sattmacher dieser Welt! Und so liegt der Gedanke auf der Hand: Manchmal hilft einfach nur ein Wunder – wie bei dem königlichen Beamten, der auf die Rettung seines kranken Sohnes hofft.

Die Wundererzählung aus Johannes 4 zeigt: Der Menschensohn Jesus weiß um die Sehnsucht von uns Menschen. Als Gottes Sohn hat er zugleich die Macht, sie zu stillen. Bei ihm ist das Leben. Ein Leben in Fülle, das so viel mehr ist als ein paar funktionierende Vitalfunktionen. Ein Leben in Frieden und Einklang – mit mir, mit allen Mitmenschen und mit der ganzen Schöpfung. Und das für alle Menschen. Hier und jetzt – und einmal für immer.

Noch eine kleine Beobachtung: Johannes hat seine Erzählung des Heilungswunders in Galiläa in der Vergangenheitsform geschrieben: als einmaliges, abgeschlossenes Ereignis, das die Gottessohnschaft Jesu erweisen soll. Nur an einer Stelle wechselt er in die Gegenwartsform: „Jesus spricht zu ihm: Geh hin, dein Sohn lebt“ (Joh 4,50). Das singuläre Ereignis aus der Vergangenheit wird an dieser Stelle zur Zusage im Hier und Heute, zum tröstlichen Zuspruch an jeden Menschen. Jesus sagt auch zu mir: Geh auch du deinen Weg durchs Leben – im festen Vertrauen, dass Gott alles zum Guten wendet und deinen Hunger nach dem Leben in Fülle stillt.

Duldet keine Spaltungen unter euch (Gedanken zu 1 Kor 1, 10-13.17)
Der Text aus dem ersten Kapitel des 1. Korintherbriefs ist ein Schlüsseltext der Ökumene. Er zeigt, dass es schon zur neutestamentlichen Zeit Spaltungen in der christlichen Gemeinde gab. Angesichts dessen erinnert Paulus die Christinnen und Christen in Korinth an ihre Berufung, Glieder an dem einen Leib Christi zu sein. Wie aber Christus der eine und ungeteilte ist, so sollen auch alle, die an ihn glauben und zu ihm gehören, einmütig sein und keine Spaltungen unter sich dulden.

Zu dieser ökumenischen und eher geistlichen Lesart gehört aber eine leibhafte unbedingt dazu. Diese Lesart sagt:

Seid nicht nur einmütig im Glauben an Jesus Christus, sondern auch in der Sicht der Erde als die Eine Welt, die allen anvertraut ist und deren Früchte allen gehören! Im Verständnis der Menschheit als eine einzige Familie, in der jeder die gleiche unverlierbare Würde hat.

Reißt nicht nur die Schranken zwischen den Konfessionen und Bekenntnissen nieder, sondern auch die lebensfeindlichen und menschenverachtenden Grenzpfähle zwischen armen und reichen Ländern! Die zum Himmel schreienden Gräben zwischen den Menschen, die im Überfluss leben, und jenen, denen das Nötigste zum Leben fehlt!
Erkennt den zerteilten Christus nicht nur in der fehlenden Eucharistie- bzw. Abendmahlsgemeinschaft unter den Kirchen, sondern auch und vor allem in den angsterfüllten Augen der Flüchtlinge jenseits der Mauern, die um die Festung Europa gezogen werden! In den leeren Mägen der ca. 800 Millionen Hungernden weltweit angesichts der ca. 6,7 Millionen Tonnen Lebensmitteln, die allein in Deutschland pro Jahr weggeworfen werden!

Nur mit dieser ganzheitlichen Lesart werden wir der Intention des Apostels Paulus und damit dem Willen Gottes gerecht.

Aus dem Schatten ins Licht (Gedanken zu Mt 4, 12-23 und Jes 8, 23b-9,3)
Schattenreich (Vers 16) und Himmelreich (Vers 17) – der Gegensatz zwischen beiden Begriffen und dem damit Gemeinten könnte nicht größer sein: Hier das drückende Joch, der Stock des Treibers und das politische Ränkespiel, das Johannes dem Täufer erst die Freiheit und dann das Leben gekostet hat. Und dort das helle Licht, der laute Jubel wie am Tag der Ernte und die Befreiung von allen Ketten der Gefangenschaft und des Todes.

Der Mensch gewordene Gottessohn kennt die Schattenseiten des Lebens nicht nur aus der Entfernung oder in der Theorie. Er hat sie am eigenen Leib durchlebt und erlitten: angefangen von seiner Geburt im Stall und seinen ersten Lebensjahren auf der Flucht, über ein Leben in Armut und als Angehöriger eines von den Römern unterdrückten Volkes bis hin zur unschuldigen Verurteilung und zum grausamen Tod.

Zugleich hat mit ihm das Neue und Unerhörte begonnen: das Himmelreich Gottes. Ein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens, der Gemeinschaft und der Liebe. Ein Reich, in dem jeder seinen Platz und das Leben in Fülle hat.

Dieses Reich bricht sich überall dort Bahn, wo Menschen bereit sind zur Umkehr – im Denken und im Handeln. Allzu lange hat die kirchliche Verkündigung fast ausschließlich die innere Seite der Umkehr betont: die Buße, die Abkehr von der Sünde, das Ringen um ein tugendhaftes Leben. Jesus aber geht es um das Ganze. Ein Wandel in der inneren Einstellung muss auch mit Veränderungen im konkreten Leben einhergehen.

Wie ernst ich die Umkehr nehme, zeigt sich daran, ob und wie sehr ich mithelfe, die Schattenseiten unserer Erde zu erleuchten, damit Gottes Reich sich hier und heute durchsetzen kann. Das fängt beim Konsumverhalten an und reicht bis zum Flagge-Zeigen, wenn Flüchtlinge pauschal verunglimpft werden.

Auch die ersten Jünger, die Jesus am See von Galiläa beruft, vollziehen eine ganzheitliche Umkehr. Jesus verändert nicht nur ihr Denken, sondern ihre ganze Existenz. Sie geben ihr altes Leben mit all seinen scheinbaren Sicherheiten auf und lassen sich von ihm in Dienst nehmen. Weil sie spüren: Da ist einer, der mich und andere herausfischen und damit retten kann – aus den trüben Gewässern der ungerechten Strukturen, aus den dunklen Untiefen der Hoffnungslosigkeit und aus dem ewig gleichen Wellengang der eingefahrenen Gewohnheiten, die mich und andere hindern, aus dem Schattenreich ins Reich des Lichtes zu gelangen.

Dr. Thomas Stubenrauch, Speyer