ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Joh 3, 14-21 | Gen 15, 5-12.17-18 | Phil 3, 17 - 4, 1 oder Phil 3, 20 - 4, 1 |
Lk 9, 28b-36 |
Joh 3,14-21 Das Ziel der Sendung Jesu
Die Welt, in der wir als Menschen leben, ist einerseits wunderschön. Schauen wir uns die Vielfalt der Geschöpfe an – Pflanzen, Pilze, Tiere, Mikroorganismen – und wie sie in staunenswerten Ökosystemen – vom Regenwald über die Trockensavannen bis in die nördliche Tundra – leben und überleben. Trotz aller Forschung verstehen wir bis heute nur einen Teil davon. Auch die Menschheit hat vielfältige Lebensweisen und Kulturen ausgebildet, um sich den zum Teil lebensfeindlichen Bedingungen auf den verschiedenen Kontinenten und Klimazonen des Planeten Erde anzupassen und mit ihnen einigermaßen im Einklang zu leben. Kein Wunder, dass Gott die Welt liebt. Andererseits zerstören wir viele Ökosysteme unwiederbringlich und bringen damit unzählige Geschöpfe zum Aussterben durch den Rohstoffhunger und Platzbedarf unserer Lebens- und Wirtschaftsweise, unserer Mobilität und Ernährungsweise. Was heißt da an Jesus Christus als den Sohn glauben? Die Welt in ihrer staunenswerten Schönheit und im Wissen um ihre Verletzlichkeit und Zerbrechlichkeit lieben und sich für ein friedliches Miteinander der Völker und Kulturen, aber auch mit unserer ganzen Mitwelt einsetzen. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.“ Viel Zerstörung passiert wider besseres Wissen – wenn der Kiesabbau im Naturschutzgebiet eine Ausnahmegenehmigung bekommt oder fruchtbares Ackerland einem Batteriewerk für Elektroautos weichen muss, jenseits des Lichts unserer Erkenntnisse oder unseres Wissens. Noch viel mehr aber durch dunkle Machenschaften: illegaler Holzeinschlag, Landgrabbing, Wilderei in den Nationalparks z.B. Namibias auf Nashörner, um ihr Horn zur vermeintlichen Potenzsteigerung asiatischer reicher Männer zu verkaufen. Es geht in diesen Versen des Johannesevangeliums nicht darum, sich nur formal zu Jesus Christus mündlich oder beim sonntäglichen Gottesdienst zu bekennen, sondern wahrhaft zu lieben und sich darum zu bemühen, aus dem Licht der Wahrheit, so schwer und anstrengend, kompliziert und beschränkend das bisweilen ist, zu leben. Ein Leben, welches alles Lebendige und die Schönheit und Vielfalt der Schöpfung und aller Geschöpfe liebt und sich für ihren Erhalt und die Achtung der Grenzen des Wachstums einsetzt. Das führt leider auch heute in manchen Erdteilen z.B. für Wildhüter in Namibia oder indigene Menschenrechtler in Brasilien zum Martyrium. In Mitteleuropa vielleicht zu komplizierterem Einkaufen und unangenehmen Kommentaren im sozialen Umfeld.
Gen 15,5-12.17-18
Wann standen Sie zuletzt unterm Sternenhimmel? Wenn wir das Glück haben, in einer klaren Nacht in einer Gegend ohne Fremdlicht zu sein, spüren wir vielleicht etwas von der Erhabenheit und Geborgenheit, die ein Sternhimmel ausstrahlen kann und erahnen etwas von der Unbegreiflichkeit Gottes, die wir, wie Karl Rahner treffend schreibt, ein Leben lang im Glauben auszuhalten haben. So scheint es auch Abram zu gehen. Er will Gewissheit, doch die gibt es auch mit noch so vielen Opferungen im Glauben nicht. Es geht um Vertrauen und Leben in Beziehung – Beziehung in einem ständigen Suchen, Hören, Ringen zwischen Glauben und Zweifel.
Spannend, welche Verse ausgelassen werden: Sie erklären, welch große unheimliche Angst Abram befällt: unzählige Nachkommen werden ihm verheißen, doch sie werden als Fremde in einem Land wohnen, das ihnen nicht gehört und in dem sie Sklavendienste leisten müssen. Gottes Bund ist kein Rundum-sorglos-Paket. Im Gegenteil, aber er beinhaltet die Verheißung, dass er trotzdem mitgeht, da sein wird und ihnen Land zum Leben geben wird. Land heißt Leben, da es Lebensmittel hervorbringt. Es bedeutet Freiheit, da man genug zum Leben hat und Zugehörigkeit, da Land nicht sosehr Einzelbesitz als Gemeingut ist. Wer besitzt heute das Land? Wem dient es? Der Landbesitz weltweit konzentriert sich immer mehr in der Hand weniger. Indigene Gemeinschaften wie die Damara und San in Namibia oder die Dakota in Nordamerika, die eigentlich keinen Landbesitz kennen, wurden in den Landnahmeprozessen und Kolonialisierungsprozessen um ihr Land gebracht und werden oft bis heute übergangen. Zugleich stellt sich die Frage, was hier Gottes Verheißung ist. Will Gott wirklich Völker von ihrem Land zugunsten der Nachkommen Abrams vertreiben oder vernichten? Und wer sind die Nachkommen Abrams heute? Wir sehen die ungerechten Auswüchse der wörtlichen Interpretation im Israel-Palästina-Konflikt. Und wem gehört das Land wirklich? Gott erweist sich als der eigentliche HERR über das Land und alle Völker, auch über die Tiere und alles Leben und allen Besitz, weshalb ihm geopfert wird. Der Besitz Abrams bemisst sich in Tieren – dreijährige Rinder, Widder, Ziegen sind viel Wert. Doch Gott lässt sich Zeit und zu nichts zwingen oder bestechen. Er lässt Abram einen ganzen Tag ausharren und später seine Nachkommen vierhundert Jahre. Wieviel Geduld haben wir noch und wann nehmen wir uns Zeit, zwischen unseren Wünschen und Gottes Willen zu unterscheiden und unser Leben und Handeln danach auszurichten? Das betrifft auch unseren Umgang mit Gottes Schöpfung und seinen Geschöpfen: Sie sind uns anvertraut, nicht unserer Willkür überlassen. Gott bleibt Herrin und Schöpferin über alles Lebendige und allen Landes, was in heutiger Politik oder Wirtschaft keine Rolle zu spielen scheint. Die Rohstoffe unter den heiligen Bergen der indigenen Einwohner Nordamerikas bekommen voraussichtlich den Vorrang vor den religiösen Bedürfnissen der Dakota und Lakota. Die Kultur der Süßkartoffel in Papua-Neuguinea, wie sie von Rosa Koian der Kultur des Reises gegenübergestellt wird, wird mit ihrem Wissen um die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten der verschiedenen Pflanzen langsam verloren gehen. Wir müssen deshalb auch unsere Gottesbilder kritisch hinterfragen, ob IHR-IHM das eines Herrn, dem geopfert werden muss, um ihn gnädig zu stimmen, um unsere Wünsche zu erfüllen, wirklich gerecht wird. Die Bibel erzählt uns viel mehr.
Phil 3,17-4.1 (3,20-4,1)
Der Philipperbrief mahnt zur Gemeinschaft mit dem Herrn und dazu, sich nicht zu sehr von Irdischem – Besitz, Völlerei, unersättlicher Triebbefriedigung, die letztlich zu einer grenzenlosen Ausbeutung der Welt und der Schätze der Natur führen – leiten zu lassen. Vielmehr geht es darum, Jesus Christus, der die Liebe Gottes zu allen Geschöpfen verkörpert, nachzufragen.
Lk 9,28b-36
Die Natur – schöne Landschaften, einsame Berghöhen – und ihre Phänomene wie Wolken, haben nicht nur einen Nutzwert, sondern sind ebenfalls Orte der Gottesbegegnung. Daran erinnert uns die Erzählung von der Verklärung Jesu. Draußen, im kleinen Kreis, frei der Verpflichtungen des Alltags, in Stille und Staunen über die Schönheiten des Makro- und Mikrokosmos kann uns Gott begegnen. Jesus hat sich öfter zum Beten an einsame Orte, den Garten Getsemani und auf Berge zurückgezogen. Er scheint ein Naturmensch und ein großer Hörer gewesen zu sein, ein Meister des Gebets. Berge und besonders ihre Gipfel sind dem Himmel näher, unwirtliche, aber eindrücklich Orte. Sie fördern in ihrer Stille und Erhabenheit die Klarheit der Gedanken bis hin zu tiefem innerem Schauen und Hören im Gebet. Die vier Freunde in unserem Evangelium, vor allem aber Jesus, der im Gebet Wachende, erleben eine Vision, eine innere Erkenntnis, die sich nicht einfach in Worte fassen lässt. Jesus Christus ist der „auserwählte Sohn“, auf ihn sollen die Jünger hören. Sie begeistern sich so sehr und haben zugleich vielleicht auch Angst, vor den Auseinandersetzungen in Jerusalem, dass der Wunsch entsteht, diese tiefe Angenommenheit und Klarheit über den tiefen Sinn von Jesu Weg festzuhalten. Festhalten geht jedoch nicht, Hütten können die von Elija und Moses verkörperte Vision nicht fassen. Gipfel sind Höhepunkte, aber kein Dauerzustand oder Ort zum Verweilen. Sie können uns zur Klarheit in schwierigen Entscheidungen und ins Schweigen und damit ein Hören auf Gott führen. Erhalten wir uns solche Orte, achten wir in ihnen unsere Schöpferin. Suchen wir sie besonders in der Fastenzeit auf.
Barbara J. Th. Schmidt, Erzbistum München und Freising