Palmarum / Palmsonntag [III/A]
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Mk 14, 3-9 | Jes 50, 4-7 | Phil 2, 6-11 | Mt 21, 1-11 |
Stellung im Kirchenjahr
Der Palmsonntag stellt einen Höhepunkt in der Passionszeit dar. Da wird die Leidenszeit noch einmal festlich unterbrochen, bevor die Karwoche beginnt. In vielen evangelischen Gemeinden ist es immer noch üblich, an Palmsonntag Konfirmation zu feiern, wobei der eigentliche Inhalt dieses Tags leider völlig in den Hintergrund tritt.
Markus 14, 3-9
Exegetische Überlegungen
Meistens kennen wir die Geschichte von der Salbung Jesus als Fußsalbung durch eine Sünderin (Lukas) oder durch Maria von Bethanien. Markus erzählt von der Kopfsalbung durch eine Unbekannte, die in die Männergesellschaft einbricht. Der Auftritt dieser namenlosen Frau erregt Aufsehen durch seine Exzentrik. Sie bricht das Hausrecht und verletzt die Traditionen, um Jesus etwas Gutes zu tun. Sie salbt ihn wie man einen Toten salbt. Im Markusevangelium beginnt mit dieser prophetischen Zeichenhandlung die Passion und wie bei einer klassischen prophetischen Zeichenhandlung erregt diese heftigen Widerspruch. Ölungen galten im römischen Reich als dekadenter Luxus aus dem Morgenland. Könige wurden gesalbt, allerdings wurde kein israelitischer König von einer Frau gesalbt. Gäste wurden gesalbt zum Erfrischen, Tote zum Einbalsamieren und Ehren, Kranke als Therapiemaßnahme. Jesus wird von Markus als einsam und verlassen geschildert, dem die Zuwendung dieser Frau gut tut.
Predigtimpulse
In den Geschichten der Bibel entdecken wir eine Menge Zuwendung und Zärtlichkeit, die immer wieder heilend wirkt. Durch wohltuende Worte, durch Handauflegen, durch Küssen, durch gemeinsame Mahlzeiten wird Gottes Liebe für die Menschen spürbar in diesen Geschichten. Vor allem die Begegnung mit Jesus veränderte Menschen. Die Beziehung zu ihm wirkte heilsam, seine Berührungen und seine Nähe machte Menschen frei von ihren Belastungen, machte Kranke gesund. Hier erfährt Jesus durch diese Frau selbst einmal die wohltuende, liebevolle Nähe eines Menschen. Er, der sonst immer seine Liebe und Kraft für andere gegeben hat, wird hier selbst einmal umsorgt.
Wenn wir uns die unbekannte Frau zum Vorbild nehmen und der Zärtlichkeit etwas zutrauen, wenn wir Freundschaften schließen und wenn wir versuchen Gerechtigkeit herzustellen, dann machen wir Gott in unserer Welt lebendig.
Bezug zur Nachhaltigkeit
Auf den ersten Blick ist diese Geschichte im Bezug auf Nachhaltigkeit eine Katastrophe. Da werden Ressourcen verschwendet, völlig maßlos aus dem Vollen geschöpft, Geld ausgegeben, das für ganz andere, sinnvollere, lebensnotwendigere Dinge gebraucht würde. Vielleicht sollten wir diesen Text aber auch als Ermutigung verstehen. Nämlich auch manchmal etwas zu tun, einfach nur, weil es gut tut. Auch als Engagierte in Sachen Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit müssen wir doch nicht immer dem Ruf gerecht werden, die moralinsauren Spaßbremsen zu sein, die sich selbst und anderen alles verbieten wollen, was Freude macht.
Ja, diese Salbung war verschwenderisch! Aber sie hat mit ihrer Zärtlichkeit Jesus gut getan, sie gab ihm Kraft, durchzustehen, was ihm bevorstand.
Also lasst uns nicht immer ein schlechtes Gewissen haben, wenn wir auch einmal etwas genießen, zum Beispiel ein gutes Essen oder einen schönen Ausflug. Sondern lassen wir solche Höhepunkte unser Leben bereichern und ziehen wir daraus Kraft für unseren weiteren Einsatz für Gerechtigkeit.
Phil 2, 6-11
Exegetische Überlegungen
Der sogenannte Christushymnus lag aller Wahrscheinlichkeit nach Paulus schon als psalmähnlicher Hymnus vor und er baute ihn in den Textzusammenhang ein. Er stellt eine enge Verbindung zur Ermahnung der Gemeinde her, sich gemäß dem Vorbild Christi zu verhalten und als christliche Gemeinschaft in der Nachfolge Jesu erkennbar zu sein. Der Weg Jesu Christi, der gottgleich beschrieben wird, wird als Weg durch Leiden und Ohnmacht dargestellt bis hin zur Erhöhung durch Gott.
Predigtimpulse
Jesu Geschichte zwischen Macht und Ohnmacht steht exemplarisch für ein Leben mit Gott, das unabhängig von den Zielen weltlicher Macht und trotz aller Widerstände gelebt wurde und letztendlich mächtiger und wirkungsvoller war als das vieler Herrscher, die im ersten Moment erfolgreich aussahen. Die Verletzlichkeit Jesu und die Konsequenz, mit der er seinen Leidensweg bis zum Ende gegangen ist, kann uns Mut machen durchzuhalten in unseren Kämpfen und Herausforderungen.
Bezug zur Nachhaltigkeit
Auch wenn wir unsere Ohnmacht angesichts des menschenverachtenden Handelns übermächtiger Konzerne und der Finanzwelt immer wieder schmerzhaft zu spüren bekommen, kann uns Jesu Solidarität im Leiden ermutigen, nicht aufzugeben im Kampf für eine Welt, in der auf die Ohnmächtigen geachtet wird, eine Welt, in der denen, die verstummt sind, Stimme verliehen wird.
Jes 50, 4-7
Exegetische Überlegungen
Der Text gehört zu den sogenannten Gottesknechtsliedern aus Deuterojesaja (Jes 40-55). Im babylonischen Exil mitten unter den Deportierten, die sich schuldig und von Gott verlassen fühlten, entstanden diese eindrücklichen Texte, vermutlich von einer Gruppe von Propheten verfasst, deren Namen wir nicht kennen.
In der christlichen Tradition wurden die Texte dann auf Jesus bezogen, was zwar aufgrund der Parallelität des Leidens nahe zu liegen scheint, aber den hebräischen Texten nicht wirklich gerecht wird.
Deuterojesajas Botschaft insgesamt ist eine Botschaft der Hoffnung. Die Menschen im Exil bekommen prophezeit, dass Gott sie retten wird und sie befreit nach Jerusalem zurückkehren können.
Predigtimpulse
Auch Menschen, die an Gott glauben und ein Leben im Sinne Jesu führen wollen, sind nicht gefeit gegen Kummer und Leid. Leiden annehmen und es nicht verdrängen, kann den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt durchbrechen. Dafür ist die leidende Person im Jesajabuch ein Beispiel.
Bezug zur Nachhaltigkeit
Eine oder einer muss anfangen aufzuhören. Der ewige Kreislauf der Eskalation muss endlich durchbrochen werden. Leidensfähigkeit gehört dazu, wenn wir hartnäckig bleiben und immer wieder aufs Neue gegen Ungerechtigkeit angehen wollen.
Mt 21,1-11
Exegetische Überlegungen
Dieser Text ist in der evangelischen Perikopenordnung dem 1. Adventssonntag zugeordnet. Aber sowohl hier wie dort drückt er ja den Beginn der Vorbereitung auf das Kommen des erwarteten Messias aus. Das Zitat aus Sacharja macht deutlich, dass es sich bei Jesus um den erwarteten Messias handelt, der mit königlichen Attributen versehen wird. Er reitet majestätisch ein über einen Teppich von Kleidern, die Menge jubelt ihm zu. Jesus tritt hier als der Friedefürst auf, der den ihm von Gott bestimmten Weg geht, denn er weiß schon im Voraus, wo Eselin und Fohlen zu finden sind. Der Text zeigt aber auch die Widersprüchlichkeit auf zwischen Autorität und Demut Jesu, zwischen Machtanspruch und Machtlosigkeit.
Predigtimpulse
Dieser Friedenskönig kommt nicht auf einem stolzen Pferd geritten, sondern auf einem Esel, einem Arbeitstier. Jesus stellt die Macht der Mächtigen in Frage, er hat es nicht nötig sich zu inszenieren, seine Macht ist eine andere als die weltlicher Herrscher. Noch jubeln sie ihm zu, wenige Tage später werden sie: „Kreuziget ihn“ schreien. Menschen sind mit dem Erweisen ihrer Gunst nicht sehr zuverlässig, Ruhm ist vergänglich.
Bezug zur Nachhaltigkeit
Das Bild des auf einer Eselin in die Stadt Einreitenden karikiert für mich menschliche sich selbst überhebende Machtdemonstrationen (s. Foto von Putin mit nacktem Oberkörper auf einem Pferd in derselben Pose wie Alexander der Große), die schädlich sind für das Zusammenleben der Menschen.
Jesus steht hier ganz besonders für Gewaltlosigkeit und Frieden. Es bleibt Ansporn und Anspruch an uns, diesem Vorbild zu folgen, auch wenn wir vielleicht manchmal lieber selbst zugejubelt bekämen. Und obwohl dieser Weg kein bequemer ist, sondern auch mit Leiden verbunden sein kann.
Martina Horak-Werz, Gommersheim (Pfalz)