Pfingstmontag (05.06.17)

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Pfingstmontag 2017 [III/A]

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
1 Mose 11, 1-9 Apg 10, 34-35.42-48a
od. Ez 36, 16-17a.18-28
Eph 4, 1b-6 Joh 15, 26 - 16, 3.12-15

Der Autor betrachtet den Predigttext der EKD Reihe 1 Mose 11, 1-9: Gott gebietet dem menschlichen Größenwahn Einhalt. Es folgen Gedanken zur Lesung Apg 10, 34-35.42-45a mit dem Tenor: Gott macht keinen Unterschied. Die 2. Lesung Eph 4, 1b-6 thematisiert: Einheit der Kirche – Einheit der Welt. Der Text vom Evang. Joh 15, 26-16,3.12-15 wird nicht berücksichtigt. Bezüge zu „Nachhaltigkeit“ bieten sich nicht an.

Gen 11, 1-9: Der Turmbau zu Babel

Die Erzählung vom Turmbau zu Babel steht am Ende der Abfolge zunehmender Sünde und Gewalt in der Urgeschichte: Die Sünde der ersten Menschen, die Mordtat von Kain, das Anwachsen der Gewalt auf Erden mit der Sintflut als Folge und schließlich der Turmbau. Es sind Etappen der sich erweiternden Kluft zwischen Gott und Mensch. Am Ende der Urgeschichte  bildet das Eingreifen Gottes mit der Vereitelung der menschlichen Ambitionen nach Größe und Ruhm einen gnadenlosen Endpunkt. Der Erzählung liegt eine ätiologische Sage zugrunde, insbesondere die Erklärung, wie es zur Vielzahl der Völker und ihrer Sprachen gekommen ist. Die Turmbaugeschichte erhält ihren konkreten universalen Horizont im Zusammenhang mit der Völkertafel. Die Darstellung zeigt elementare Kräfte des kulturellen Gestaltungswillens: Die Entstehung der Stadt mit dem Interesse ihrer Sicherheit, der Turm als Zeichen für das Streben nach Größe und Ruhm. Gen11 steht unter dem Eindruck des alle anderen Bauwerke übertreffenden babylonischen Stufenturms. Der Aktion des Menschen ist die Gegenreaktion Gottes gegenübergestellt. Das himmelstrebende technische Unternehmen der Menschen bleibt ein illusionärer Versuch. Die Beschreibung des souveränen Eingreifens Gottes erweist sich als eine großartige Ironie auf das Tun des Menschen. Gottes Intervention hat als eigentliches Ziel, die Menschheit vor den unheilvollen Wirkungen maßlosen, sich selbst überschreitenden Planens und Machens zu bewahren.

Babylonische Türme werden fortwährend und überall errichtet

201617AtlasH image002Es ist die Hybris der Menschen, zu glauben, dass alles, was irgendwie machbar ist, uneingeschränkt gemacht werden darf, z.B. im Bereich der Gentechnologie. In vielen Bereichen zeigt der Fortschritt sein Janusgesicht. Die negativen Folgen grenzenlosen Wachstums liegen offen am Tage: Die schädlichen  Eingriffe in den Gesamthaushalt der Schöpfung mit der ungehemmten Ausbeutung der natürlichen Ressourcen bewirken gewaltige Verwerfungen für die Natur und Menschheit. Das Entgleiten der Kontrolle der scheinbar gebändigten Energien, hat sich z. B. in den Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima mit Dauerschäden für Mensch und Natur  manifestiert. Peter Brauchli verfremdete 1979 Breughels Turmbau, indem er ihn mit dem Kühlturm eines Atomkraftwerks verschmolz.

Vor der Fassade des 260 m hohen Hochhauses des Rockefeller Centers, dem größten Kaufhaus der Welt,  in N.Y. steht die Plastik des 1936 geschaffenen kraftstrotzenden Titan Atlas. Er verkörpert den Menschen der Moderne im 201617AtlasK image001Vollgefühl seines Glaubens an den unaufhaltsamen wissenschaftlichen und technischen Fortschritt, so als gäbe es keine Grenzen des Wachstums. Die Plastik ist ein Sinnbild für den menschlichen Machbarkeitswahn und den Siegeszug des Kapitalismus.

Vermutlich von den Standortgebern nicht gewollt, zeigt sich die Figur des Atlas von der Rückseite gesehen als eine völlig veränderte Gestalt. Sie steht der St. Patrick’s Kathedrale direkt gegenüber. Atlas erscheint gebeugt, unter seiner Last ächzend und wirkt wie eine tragische Figur. Er ist auf das Maß eines nur begrenzt belastbaren, zerbrechlichen Menschen reduziert. Darstellungen des Gekreuzigten ist er zum Verwechseln ähnlich. Im Zentrum des von Atlas geschulterten Globus blickt man auf ein Kreuz. Es ist das Zeichen gegen allen Selbstruhm und alle menschliche Vermessenheit. Im Angesicht des Gekreuzigten wird die definitive Destruktion menschlicher Allmachtsphantasien offenbar. (alle Aufnahmen © G. Fritz)

Der Maßlosigkeit des Gewinnstrebens mit der immensen Anhäufung von Reichtum von wenigen, steht die schreiende Verelendung und Armut der überwiegenden Mehrheit in vielen Ländern der Erde gegenüber. e Pfingstgeschichte, Apg, Kap.2, die unter dem Vorzeichen des Kreuzesgeschehen steht, ist ein Zeugnis gegen jegliches  Streben nach Vereinheitlichung und Totalisierung. Die Sprachbarrieren werden zeichenhaft aufgehoben. Die neue Gemeinschaft unter dem Geist Gottes soll in der Oikoumene den einen Haushalt des Lebens bilden, der den Menschen und allen Geschöpfen zum Wohl und Heil dient.

Apg 10, 34-35; 42-48a: Gott macht keinen Unterschied

Apg 10 berichtet, wie der Apostel Petrus bekehrt wird. Dies geschieht dadurch, dass er sich durch eine vom Geist Gottes bewirkte Erfahrung verändern lässt. Er lernt, dass Gott die Person nicht ansieht und in seinen Augen es keinen Unterschied gibt, wonach die einen gegenüber den anderen bevorzugt werden. Das Evangelium soll nicht allein den Juden zukommen; es gilt der ganzen Welt (Juden und Heiden). 201617RibBanner image004Gottes Heil lässt sich nicht eingrenzen. Die Vielfalt nationaler, kultureller und religiöser Traditionen sowie unterschiedlicher Glaubensweisen sind mitnichten ein Hinderungsgrund für die Welt verwandelnde Botschaft des Friedens. 201617RibWappen image003Wenn gilt, dass es bei Gott kein Ansehen der Person gibt, dann ist allen Versuchen der Boden entzogen, wo Menschen aufgrund ihrer Verschiedenheit in irgendeiner Weise ausgegrenzt, diskriminiert oder benachteiligt werden. Nationalistische und rassistische Verhaltensweisen sind unvereinbar mit dem Evangelium von der grenzenlosen Liebe Gottes. Es widersteht auch den zunehmenden Bestrebungen auf vielen Seiten, Europa zu einer Festung zu machen. 

in Ribeauville‘ Elsass (alle Aufnahmen © G. Fritz)

Eph 4, 1b-6: Die bereits vorhandene Einheit der Kirche muss mit Leben erfüllt werden

Eph beschwört die Einheit der Kirche, weil sie bedroht ist. Die 7-fache Ermahnung zur Einheit klingt wie ein Fanfarenstoß. Sie geht unserem Tun voraus. In dem einen Herrn hat die Kirche ihr Fundament und in dem einen Gott und Vater hat  alles seinen Bestand. Die Betonung der Einheit im Geist ist verbunden mit dem Bild der Kirche als der Leib Christi. Für die Gemeinde gilt es, würdig der Berufung zu leben, mit der sie berufen ist. Deshalb nennt Eph Regeln für das Zusammenleben. Die zeigen sich durch Liebe, Friede, Einheit. Der Friede ist gestiftet durch das Kreuz.
Die Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch ist wieder hergestellt. Chr. ist unser Friede (2,14). V. 3 ruft dazu auf, einander zu (v)ertragen und miteinander auszukommen. Das ist keineswegs einfach; es bedeutet oft auch, einander auszuhalten. Die hier beschworene Einheit will sich nicht in Uniformität äußern. Die Unterschiede und die Vielfalt der Prägungen, Gaben und Fähigkeiten V.11ff. sind Ausdruck der Wirkungen des Geistes, können aber auch zu Störungen und Konflikten führen. Das „Band des Friedens“ wird dann Zerreißproben ausgesetzt.

Deutlich ist, dass die Einheit der Kirche kein Selbstzweck ist. Christus, der Grund der Kirche ist zugleich der Herr der Welt. Darum steht die Kirche im Dienst an der Welt. In der Art und Weise wie Kirche im Geist Christi, im Geist der Liebe, des Friedens und der Einheit gelebt wird, kann sie sowohl Vorbild werden als auch Mitgestalter lebensgerechter Verhältnisse. Allerdings reicht es nicht, dass Kirchen in der Beziehung miteinander immer wieder die „versöhnte Verschiedenheit“ proklamieren. Diese muss, wenn Eph 4,1ff ernstgenommen wird, in für die Welt sichtbaren Vollzügen der Einheit sichtbar werden. Noch viel zu selten geschieht es, dass sich die Kirchen, egal welcher Couleur, gemeinsam und unüberhörbar zu Wort melden, wo Leben durch Ungerechtigkeit, kriegerische Auseinandersetzungen und die Zerstörung der Umwelt oft in massiver Weise bedroht oder vernichtet wird.

                                                                                                                                         Gerhard Fritz, Landau