Osternacht / Ostersonntag 2017
ev. Predigttext | kath. Lesungen | kath. Evangelium | |
Nacht: Jes 26, 13-14(15-18)19 Tag: Mt 28, 1-10 |
Nacht (1. Les.): Gen 1, 1 - 2, 2 N. (2. Lesung): Gen 22, 1-18 N. (3. Lesung): Ex 14, 15 - 15, 1 N. (4. Lesung): Jes 54, 5-14 Tag: Apg 10, 34a.37-43 |
Nacht: (5. Les.): Jes 55, 1-11 (6.): Bar 3, 9-15.32 - 4, 4 (7.): Ez 36, 16-17a.18-28 (Epistel): Röm 6, 3-11 Tag: Kol 3, 1-4 od. 1 Kor 5, 6b-8 |
Osternacht: Mt 28, 1-10 am Tag: Joh 20, 1-18 |
Wegen der Vielzahl der österlichen Perikopen ergibt sich auch eine Vielfalt von Impulsen, die der Verfasser den Bibelstellen zugeordnet hat. Er betrachtet explizit Gen 1-2, Gen 22, Ex 14-15, Jes 54, Jes 55, Bar 3, Ez 26, Röm 6 und Mt 28, im Zusammenhang mit einer einleitenden Reflexion zum Osterfest.
Auferstehung jetzt – der mögliche und notwendige Aufstand
Wir machen es uns zu einfach, wenn wir an Karfreitag und Ostern lediglich mehr oder weniger festlich der historischen Ereignisse gedenken, dass Jesus damals unter Pontius Pilatus gelitten hat, gekreuzigt wurde, begraben wurde und am dritten Tag auferstanden ist. Und wir machen es uns zu leicht, wenn wir mit dem „Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben“ lediglich die Überzeugung verbinden, dass wir nach unserem Ableben – nach mehr oder weniger langem Aufenthalt im Fegefeuer – in den Himmel kommen.
In der Liturgie zerreißen wir oft Zusammengehöriges in isolierte Einzelteile. Wir kennen dann viele Teile, vernachlässigen aber so sehr ihre Zusammengehörigkeit, dass wir nicht mehr das Ganze erkennen. So bleiben wir an der Oberfläche und werden nicht mehr vom „fascinosum et tremendum“ ergriffen, von dem, was uns wirklich und bedingungslos angeht, was für uns Gott ist. Das biblische Wort wird dann reduziert auf bloße Information über Ereignisse und verliert damit seine Bedeutsamkeit für die Lebenswirklichkeit.
Die Liturgie der Osternacht hingegen stellt Zusammenhänge her, macht den Blick auf das Ganze, auf den Kern unseres Glaubens frei. In den vielen Lesungen bindet sie Altes und Neues Testament, Karfreitag und Ostern, Kreuz und Auferstehung zusammen und stößt so in die Tiefendimension unseres Glaubens vor. Das eröffnet einen Zugang zur wirklichkeitsdeutenden und weltverändernden Kraft, die es ermöglicht, dass wir Christen uns in die Gruppen so vieler wacher und engagierter Menschen einreihen, um mit ihnen kreativ, mutig und kraftvoll einen effektiven Beitrag zur nachhaltigen Gestaltung unserer Welt zu leisten.
Zu den Lesungen aus der Hebräischen Bibel
Genesis 1,1-2,2
Der Bericht über die Erschaffung der Welt eröffnet die Lesungen der Osternacht.
Gott macht aus dem Chaos eine geordnete Welt und errichtet das Lebenshaus Erde. Die verschiedenen Bereiche darin stattet er vielfältig aus und besiedelt sie reichlich mit lebenden Wesen der verschiedensten Arten, alle „samentragend“, also fähig zur Weitergabe des Lebens. Den Menschen schafft er nach seinem Abbild, ihm ähnlich als Mann und Frau. Und er übergibt ihnen alles zur Pflege und zu ihrem Gebrauch. Eine großartige Vision mit Aufforderungs- und Ermutigungscharakter. Darin enthalten ist das Grundgesetz jeder Ökonomie (oiko-nomos = Haus-Gesetz). Deswegen hat als Wahrheitskriterium jeder Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu gelten: Bewahrt sie die „Springquellen der Erde und des Arbeiters“ (Karl Marx) oder – modern formuliert – zerstört oder ermöglicht sie „Gutes Leben. Für alle!“ (Motto der Lebensstilkampagne von Misereor u.a.)?
Bei der heutigen skandalösen Verteilung von Einkommen und Besitz müssen daran auch die Privateigentums- und Sondernutzungsrechte gemessen werden. Papst Franziskus tut das detailliert in seiner Enzyklika „Laudato si“.
Genesis 22, 1-18
Die Aufforderung Gottes an Abraham, seinen einzigen, geliebten Sohn Isaak zu schlachten und ihn als Brandopfer darzubringen, wird als Erprobung der Treue Abrahams dargestellt. Ohne gründliche exegetische Erklärung kann dies heute jedoch nicht verstanden, sondern nur als skandalös erlebt werden. Selbst Abraham war angesichts der von ihm geforderten Ungeheuerlichkeit verstummt.
Durchaus verständlich und aussagekräftig ist hingegen der Ausgang der Geschichte. Der Engel des Herrn ruft Abraham, der schon alles zur Tötung vorbereitet hat, zu: „Tu dem Knaben nichts zuleide!“
Schluss mit Menschenopfern! Das ist heute durchaus aktuell. In militärisch und wirtschaftlich geführten Kriegen werden Millionen Menschen den Götzen der Macht und des grenzenlosen Profits geopfert, direkt und sichtbar oder indirekt und verdeckt. Durch zerstörte Lebensräume, vergiftete Umwelten, krankmachende Arbeitsbedingungen, Vertreibung, Flucht und Ausbeutung sind viele zu grausamem vorzeitigem Tod verurteilt – moderne Arten von Menschenopfern.
Niemand von uns wäre wie Abraham bereit, einen Menschen mit eigener Hand umzubringen, die meisten von uns machen sich aber keine Gedanken darüber und ziehen keine Konsequenzen daraus, dass wir in ein System verstrickt sind, das tötet – tagtäglich. Das „geht uns nicht an die Nieren“. Vielleicht, weil wir selbst davon profitieren, wenigstens kurzfristig. Soweit unser Luxus mit dem Leben der Ausgebeuteten und Ausgegrenzten erkauft wird, sind wir die wirklich „Asozialen“. Angemessener Preis könnte zu angemessenem Lohn und dieser zu Nachhaltigkeit im Leben der Unterbezahlten führen. Außerdem wäre es ein Schritt zur Änderung von sündigen Strukturen.
Exodus 14,15-15,1
Die auf den Schöpfungsbericht folgenden Symbolgeschichten von der Vertreibung des Menschen aus dem Paradies, dem Totschlag Kains an Abel, weisen drastisch darauf hin, dass mit der zunehmenden Verbreitung über die Erde „die Schlechtigkeit des Menschen zunahm und alles Sinnen und Trachten seines Herzens immer nur böse war“ (Gen 6,5). Dies hat die große Vernichtung durch die Sintflut zur Konsequenz. Nur die Arche Noahs bleibt als Überlebenshaus erhalten; denn Noah „ging seinen Weg mit Gott“. Aber auch nach der großen Flut wird immer wieder gegen die Hausordnung des Lebenshauses verstoßen und Elend erzeugt.
Als Nomaden waren die Söhne Jakobs einer Trockenzeit wegen nach Ägypten gekommen. Als sie sich zu einer ansehnlichen Gruppe entwickelt hatten, bekamen die Ägypter Angst, sie könnten ihnen gefährlich werden. Um sie niedrig zu halten, legten sie ihnen deshalb harte Fronarbeit auf und versklavten sie. Ihr Anführer Mose bewegte sie dazu, aus der Sklaverei auszubrechen und die Flucht aus Ägypten zu wagen. Schon bald bekamen sie Angst und sagten zu Mose vorwurfsvoll, sie seien lieber als Sklaven in Ägypten geblieben, als in der Wüste zu sterben.
Jetzt zeigt sich die Qualität des Anführers: Er steht in ständiger Verbindung mit Gott, der sich im Dornbusch als der „Ich bin bei dir“ geoffenbart hat, und vertraut deswegen, dass sein raffinierter Plan richtig ist und zum Erfolg führt. So kann er die Israeliten ermutigen, ihm weiterhin zu folgen. Tatsächlich ist die Strategie erfolgreich und macht den Fluchtweg frei.
Dringend brauchen wir heute mehr Führer, die das Volk überzeugen und ermutigen, aus dem heutigen todbringenden System auszusteigen, und die wie Mose ihren Stab hochheben und vorangehen, die tief gläubig sind und das schwierige Gelände genau studiert haben, um gangbare Wege aufzuzeigen in die Freiheit und ins „gelobte Land“, wo „Gutes Leben. Für alle!“ möglich ist.
Jesaja 54,5-14
Die Lesung berichtet von einer weiteren Bestätigung der Treue JHWHs, der trotz der Untreue seines Volkes und seiner Führer seinen Beistand nicht entzieht. Nach der Deportation ins babylonische Exil und der Zerstörung Jerusalems erhalten die Israeliten eine neue Vision: JHWH schwört seiner Braut Zion erneut die Treue. Dieses hoffnungsvolle Zukunftsbild soll die Bewältigung der Vergangenheit stützen und beim Wiederaufbau der desolaten Stadt Jerusalem helfen. Das zerstörte Lebenshaus Israels muss wieder errichtet und eingerichtet werden, damit auch die verwundeten Seelen der Rückkehrer heilen können.
Das symbolische Bild, die Vision: Gott betrachtet das Volk Israel als seine Braut, lässt sich gut auf das Lebenshaus übertragen. Eine Braut wird geliebt, geachtet, bewundert, geschätzt. Es besteht eine liebevolle, achtsame Beziehung zu ihr, man sieht und hört genau hin, steht im engen Austausch und ist glücklich mit ihr. Wenn wir diese Vision auf unser heutiges Lebenshaus übertragen, es lieben wie eine Braut, schaffen wir uns eine emotionale Basis, welche die größten Energien zur Heilung und Erhaltung freisetzen kann. Eine Braut kann man weder ausbeuten noch zum Handelsobjekt machen.
Jesaja 55,1-11
„Auf, ihr Durstigen, kommt alle zum Wasser! Auch wer kein Geld hat, soll kommen. Kauft Getreide und esst, kommt und kauft ohne Geld, kauft Wein und Milch ohne Bezahlung!“ Das ist ein Reflex auf die umfassende und detaillierte Sozialgesetzgebung im alten Israel. Heute erinnert es an die Allmende, das (in Alpenländern heute noch) allen Gemeindemitgliedern zustehende Nutzungsrecht besonderer Flächen, auch an das ungeschriebene Gesetz, dass Arme die nach der Ernte liegen- oder hängengebliebenen Feldfrüchte einsammeln dürfen. Es mahnt uns eindringlich, den heute fast ganz vergessenen Sozialcharakter des Privateigentums zu beachten. Nicht alles, „was man sich leisten kann“, kann man sich wirklich leisten!
Fatalerweise wird als selbstverständliches Recht in Anspruch genommen, Allgemeineigentum wie Luft, Wasser, Bodenschätze und öffentliche Landflächen in Privateigentum zu überführen, Patentrechte auf z.B. Samen- und Pflanzenbestände zu kaufen … und so die Allgemeinheit und die kommenden Generationen zu berauben. Der Lebensstil auf der nördlichen Halbkugel, der Gemeingut im Übermaß verbraucht oder beschädigt, ist grob asozial, auch wenn die Täter noch so vornehm daherkommen und hohes Sozialprestige genießen. Genug muss genug sein, dann reicht es für alle. Das „neue Jerusalem“ schließt die südliche Halbkugel und die Slumgürtel der Megastädte mit ein; „auserwähltes Volk“ sind alle. Hier ist Aufstand angesagt, damit Auferstehen geschehen kann, wesentlicher Inhalt der Osterbotschaft.
Baruch 3,9-15.32
Israel, das „den Quell der Weisheit“ verlassen hat und deswegen im babylonischen Exil zerstreut unter Fremden leben muss, wird in einem schönen Hymnus aufgefordert, sich auf seine geistigen und religiösen Wurzeln zu besinnen: „Nun lerne, wo die Einsicht ist, wo Kraft und wo Klugheit, dann erkennst du zugleich, wo langes Leben und Lebensglück, wo Licht für die Augen und Frieden zu finden sind.“
Uns heutigen Christen im zur Diaspora geworden „christlichen Abendland“ gilt die gleiche Aufforderung, in die Schatzkammern der Weisheit unseres Glaubens zu greifen, um damit die Wirtschaft und Politik so zu gestalten, dass in allen Räumen des Lebenshauses Erde lebensfreundliche Strukturen geschaffen werden. Papst Johannes XXIII. hat das poetischer ausgedrückt:
Wir sind nicht auf der Erde, um ein Museum zu hüten,
sondern um einen Garten zu pflegen,
der von blühendem Leben strotzt
und für eine schönere Zukunft bestimmt ist.
(Johannes XXIII.)
Ezechiel 36,16-17a.18-28
Wegen seiner Bluttaten und dem Götzendienst ist Israel und sein Land „unrein“ geworden (priesterlich - kultische Bewertung) und hat den heiligen Namen JHWHs entweiht, seinen Gott sozusagen blamiert. Deswegen wird ein Teil der Bevölkerung, vor allem Angehörige der Oberschicht, nach Babylonien deportiert und verstreut im Land angesiedelt. Sie brauchten keine Sklavenarbeit zu leisten, durften sogar Handel und Landwirtschaft betreiben, ihre Tradition pflegen und religiöse Identität behalten. Allerdings assimilierten sie sich so schnell, dass die Gefahr bestand, über den Geschäftsinteressen den eigenen Glauben hintanzustellen.
JHWH sorgt nun selbst dafür, dass sein heiliger Name nicht noch einmal entweiht und sein Ansehen vor den fremden Völkern beschädigt wird: „Ich nehme das Herz von Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch. Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, dass ihr meine Gebote achtet und sie erfüllt … Ihr werdet mein Volk sein und ich werde euer Gott sein.“ So stellt er sein Prestige unter den Völkern wieder her.
Auch dem abendländischen Christentum ist das Ansehen großenteils verloren gegangen. Es bleibt, wie die Juden in Babylonien, zu sehr in der Geschäftigkeit um den eigenen Betrieb hängen und lässt zu wenig erkennen, dass Christen in der Nachfolge von Jesus, dem Christus, agieren, sich wie er eindeutig positionieren, prophetisch Kritik üben und bereit sind, den Preis dafür zu zahlen. Sich an die Seite der Gekreuzigten zu stellen, bedeutet immer, selbst Kreuz auf sich zu nehmen.
Wo haben wir uns als Christen, als Kirche so sehr an das System assimiliert, dass Kritik daran nicht mehr stattfindet oder nicht mehr glaubwürdig ist?! Die schönste Osterliturgie darf diese Gewissenserforschung nicht verhindern.
Zu den Lesungen aus der christlichen Bibel
Um die beiden Texte aus dem Neuen Testament für das Thema Nachhaltigkeit erschließen zu können, müssen die zentralen Geschehnisse Kreuzigung und Auferstehung aus ihrer Engführung herausgeführt werden. Die Berichte darüber sind weder als Reportagen, noch als vom Heiligen Geist diktierte, wörtlich gültige Offenbarung zu betrachten, sondern als Bekenntnisschriften. Nur so bleibt ihre „Relationalität“ (Wolfgang Pauly) erhalten, die dazu auffordert, sie als Wort Gottes immer wieder auf die jeweils aktuelle Wirklichkeit zu beziehen, um für die Lösung der anstehenden Probleme Licht und Kraft zu gewinnen.
Täglich erfahren wir in allen Details, wie es nah und fern in unserer Welt zugeht. Wir erleben es aber aus der sicheren Distanz des Fernsehsessels, vielleicht sogar als Unterhaltung wie einen Krimi, oft auch hilflos und resigniert, „da kann man ja doch nichts machen“, oder mit schnellem Schuldzuschreiben auf andere, sodass wir selbst beruhigt bleiben können, so lange es uns nicht selbst trifft, die Opfer nicht wir selber sind. Häufig haben wir es aber noch gar nicht bemerkt, wie sehr wir jetzt schon Opfer sind – und später unsere Kinder und Kindeskinder es sein werden. Schon aus eigenem Interesse ist es höchste Zeit aus dem „Schlaf der Christenheit“, aus unserer Gleichgültigkeit aufzuwachen.
Mehr als Opfer sind wir aber Täter, die durch ihren Lebensstil Kreuze aufrichten statt sie abzubauen. Mittels global agierender Konzerne und ihrer weltumspannenden Netzwerke halten wir uns in der Dritten Welt Arbeitssklaven und vernichten großflächig fremde Lebensgrundlagen. Das nötigt die Betroffenen, sich auf den Exodus, den langen Marsch durch die Wüste und die gefährliche Überfahrt übers Meer zu uns ins vermeintlich gelobte Land zu begeben.
Weil hier täglich und massenhaft Verbrechen begangen werden, Menschen – welche die gleiche Menschenwürde und die gleichen Menschenrechte haben wie wir! – schwerste und todbringende Kreuze auferlegt werden, müssen dringend die Strukturen und Mechanismen untersucht werden, die solches Elend produzieren. Sie müssen so durchleuchtet und geändert werden, dass die jeweils verantwortlichen Personen erkannt und zur Rechenschaft gezogen werden können. Eine Herkulesaufgabe, bei der heftigste Widerstände zu erwarten sind.
Dem können sich die Kirchen, besonders die Kirchenleitungen nicht entziehen, wenn sie überzeugend Kreuz und Auferstehung verkünden und in der Nachfolge Christi stehen wollen. Das haben die Propheten getan, deswegen wurde Jesus hingerichtet. Weil sie Ähnliches taten und tun, verlieren Tausende tapferer Männer und Frauen, Journalisten, Richter, Lehrer … ihren Arbeitsplatz, werden um Hab und Gut gebracht, misshandelt, ins Gefängnis gesteckt, getötet. Die Kirchen im christlichen Abendland aber sind um ihre Privilegien besorgt und verhalten sich zu still. Die Relationalität der Bibel, das mutige Mit-der-aktuellen-Welt-in-Beziehung-treten wird an ihren Brennpunkten vernachlässigt. Ostern darf nicht auf ein schönes Fest zur freudigen Erbauung beschränkt werden. Der österliche Aufstand muss Fahrt aufnehmen wie z.B. auf den Philippinen, wo die Priesterausbildung mit einem verpflichtenden Praktikum auf dem riesigen Müllberg Manilas beginnt, in Gemeinschaft mit den Menschen, die gezwungen sind, dort zu leben und das Weggeworfene, aber für sie Wertvolle, für ihren Lebensunterhalt herauszuwühlen. Ihr Theologieprofessor ist dabei.
Ganz anders bei der konkreten Flüchtlingshilfe und dem Bemühen um Integration. Hier geschah und geschieht Auferstehung! Die Wiederbelebung der Allmende, neue Formen genossenschaftlichen Produzierens, Wirtschaftens und Zusammenlebens, neue Wohnkonzepte und Konsumgewohnheiten sind weitere Mut machende Anzeichen einer Umkehr zum „Genug ist genug“. Die hier mitmachen, sind auf dem Weg, „neue Menschen“ zu werden, glücklicher und zufriedener als in der Zwangsjacke des Konsums und der Konkurrenz. Genau dies hilft, die sündigen Strukturen abzubauen und unser gemeinsames Lebenshaus aufzuräumen.
Hier lässt ein friedlicher österlicher Massenaufstand den pfingstlichen Geist erfahren, den „spiritus vivificans“, den Geist, der lebendig macht und Leben schafft.
Eine wichtige Unterscheidung der Kreuze
Es gibt das „böse“ Kreuz, die Last, die Beschwernisse, welche einzelne Menschen oder das System (z.B. der neoliberale Kapitalismus oder eine Diktatur) zwanghaft auferlegen. Auch die Folgen von Naturkatastrophen, Trockenzeiten, Überschwemmungen, Krankheit und Tod, Unfälle, Trennungen sowie Kriege und Terroranschläge sind Beispiele einer langen Liste. Hier müssen Menschen manchmal über lange Zeiten schwere Lasten tragen, die schmerzen und das Leben verdunkeln. Diese Kreuze – Armut, Krankheit, Ausbeutung, Verluste … – sind böse und müssen bekämpft werden, nicht aber ihre Träger, die Armen, Kranken, die Betrogenen und die Ausgebeuteten!
Und es gibt das „gute“ Kreuz, das jemand auf sich nimmt, um jemandem beizustehen, der ein „böses Kreuz“ zu tragen hat. Das beginnt mit kleinen Aufmerksamkeiten, führt zu regelmäßigen Hilfeleistungen direkt in der Nachbarschaft oder indirekt über Organisationen wie Misereor oder Brot für die Welt bis zum Extrem des Lebensopfers wie z.B. von Maximilian Kolbe oder von Dietrich Bonhoeffer. Nicht zu vergessen ist die lange Liste der bekannten und unbekannten Martyrer, die im Kampf gegen Unterdrückung gefoltert und getötet wurden, Christen wie Nichtchristen.
Auch dieses Kreuz kann seinen Träger hart herabdrücken, mit Ängsten quälen, sogar töten. Aber es bringt Heil, es bedeutet Auferstehung für den Träger des bösen Kreuzes, den Armen, Verzweifelten, Ausgegrenzten, und gleichzeitig auch für den freiwilligen Kreuzträger. Hier wird das Kreuz nicht gesucht, sondern an- und aufgenommen. Die damit verbundene eigene Auferstehung ist nicht Ziel, sondern Nebeneffekt.
Römerbrief 6,1-11
Wir sind auf Jesus Christus getauft, auf seinen Tod und seine Auferweckung und sollen als neue Menschen leben.
Die Taufe bedeutet nicht die Aufnahme in einen elitären Zirkel, wo, wie in einer militärischen Struktur, vor einem Offizier der Fahneneid abgelegt und Gehorsam gelobt wird, vielmehr wird mit ihr eine radikale Neuorientierung des ganzen Menschen grundgelegt. Sie ist der Anfang eines langen und immer wieder gefährdeten Wandlungsprozesses zum „neuen Menschen“. Wenn wir zum Abendmahl, zur Eucharistie zusammenkommen, sollen wir deswegen weniger nach der Wandlung von Brot und Wein fragen als nach unserer eigenen Wandlung zu einem aktiven Mitglied einer Gemeinschaft, in der wir gekräftigt werden, uns entschlossen für eine menschengerechtere Welt einzusetzen.
Die Taufe macht alle Menschen gleich würdig und gleichwertig. „Ihr, die ihr in Christus hinein getauft wurdet, habt Christus angezogen. Es gibt nicht Jude, nicht Grieche, es gibt weder Sklave noch Freier, es gibt weder männlich noch weiblich. Denn ihr alle seid eins in Christus“ (Gal 3,28). Diese Aussage und der Glaube an die Auferstehung waren die entscheidenden Gründe für die Attraktivität des frühen Christentums; sie entwickelten eine gesellschaftsverändernde Kraft, die zum eigentlichen Durchbruch des Christentums führte.
Wir sollen nicht Sklaven der Sünde bleiben, uns nicht mehr in den „sündigen Strukturen“ fesseln lassen, d.h. nicht mehr in einem System mitspielen, „das tötet“ (Papst Franziskus), sondern dagegen aufstehen und daraus ausbrechen und Alternativen entwickeln, um ein besseres zu errichten, damit die Erde, wie in der biblischen Vision angezeigt, zu einem Haus wird, in dem alle Menschen ein menschenwürdiges Leben führen können.
Für die vielfältigen Aufgaben, die sich daraus ergeben, nur eine kleine Liste von Beispielen. Zu beachten ist, dass sie den Rang von Menschenrechten haben, also vorrangig sind vor allen Eigentumsrechten.
- Als biologische Wesen sind alle Menschen angewiesen auf Wasser, Wälder, Boden, Fischgründe; Artenvielfalt, Landschaft, Luft, Atmosphäre mitsamt der in sie eingelassenen Lebensprozesse.
- Als biologische Wesen haben sie ein Anrecht auf Naturgüter, unabhängig und vorrangig zu jedem Privateigentum an Naturbeständen. Hierin liegt ein erhebliches politisches Konfliktpotential, das schon vielen Menschen das Leben gekostet hat.
- Als soziale Wesen benötigen Menschen Räume zur Begegnung wie Plätze, Parks, Innenhöfe, öffentliche Gärten; sowie Feierabend, Ferien, freie Zeit als Voraussetzung dafür, dass sich soziale Netze bilden können. Dies ist eine Herausforderung, besonders im kommunalen Bereich.
- Als kulturelle Wesen haben Menschen Anspruch auf Bildung, Sprache, Tradition, Feste und auf den Rückgriff und Zugriff auf die geistigen und künstlerischen Leistungen ihrer Vorfahren und Zeitgenossen. Auch das Recht auf geistiges Eigentum hat Sozialcharakter. Es verdankt sich schließlich den Ergebnissen der geistigen Auseinandersetzungen von Vorfahren und Zeitgenossen.
Missverständnissen vorbeugen
Parusie darf nicht als ein Geschehen am „jüngsten Tag“ verstanden werden. Es leitet sich vom griechischen Verb „paremi“ = „ich bin da, ich bin anwesend“ ab; „parusia“ = „Anwesenheit, Ankunft, Gegenwart“. Das jüdische Zeitverständnis ist nicht an einer strengen Chronologie interessiert, sondern mehr an der Frage, ob eine Tätigkeit abgeschlossen oder noch im Gange ist. Deswegen bezeichnet „Parusie“ die Ankunft als Eintritt in eine fortdauernde Anwesenheit (präsentische Eschatalogie), also ein Geschehen, das in der Gegenwart beginnt.
Der „jüngste Tag“ ist nicht chronologisch zu verstehen, er meint nicht den Tag des Weltuntergangs, an dem das Sonnensystem kollabiert. Nach biblischem Sprachgebrauch ist es der jeweils wichtige Tag in unserem Leben, an dem Auferstehung geschieht. Auferstehung muss schon jetzt und immer wieder erfolgen, wenn Jesus wirklich „die Auferstehung und das Leben“ (Joh 11,25) sein soll.
Bei der Auferstehung der Toten dürfen wir nicht in erster Linie an unser individuelles Weiterleben im Himmel denken (schon gar nicht als herrliche Fortsetzung des diesseitigen Lebens), vielmehr ist Auferstehung ein „Gemeinschaftsprojekt“, das unser Lebenshaus Erde mit einschließt. Auferstehung (auch körperliche) ist jetzt schon möglich und notwendig, weil es viel zu viel Tod und Totes in unser aller Leben gibt. „Wir können die Auferstehung der Toten also nur als gemeinsames Projekt jetzt glauben und leben, sonst könnten wir auch jenseits des Todes kaum Freude aneinander finden.“ (Peter Trummer)
Matthäus 28,1-10
Ein Engel des Herrn verkündet den beiden Frauen, dass Jesus auferstanden ist, dass er lebt. Der Kontrast dieser unglaublich guten Nachricht zu dem fürchterlichen Sterben am Kreuz ist so heftig, dass er ihr Inneres erschüttert wie ein gewaltiges Erdbeben. Der schwere Stein ihrer Enttäuschung, ihrer Zweifel und Angst wird weggewälzt. Jesus kommt ihnen entgegen, wird in ihnen lebendig und beauftragt sie, seinen Brüdern und Schwestern weiterzusagen, was ihnen selbst zur Gewissheit geworden ist, dass er nicht tot ist, sondern lebt, und dass er in Galiläa zu finden ist. Sie wussten, dass Galiläa der Ort ist, wo die kleinen Leute zuhause sind, die Bedrückten jeder Art, denen Jesus ihr Kreuz gelindert oder abgenommen hat. Sie waren sich sicher, dass sie dort Jesus finden werden, wenn sie tun, was er getan hat, weil er immer dabei ist, wenn jemand einem anderen hilft aufzustehen. Dieser von Matthäus berichtete Glaube der Frauen war sicher auch der Glaube der frühchristlichen Gemeinde, für die Matthäus sein Evangelium schrieb.
Auferstanden ist der Gekreuzigte – der Gekreuzigte ist auferstanden. Das eine benennt die Bedingung der Auferstehung, das andere die Hoffnung des Kreuzes.
Nach der Niederschlagung des jüdischen Aufstands gegen die Römer hatten die Christen im Judenland Schreckliches erlebt und die Erfahrung gemacht, dass Auferstehung ohne Kreuz nicht zu haben ist. Auferstanden ist der Gekreuzigte, bei seinen „Erscheinungen“ zeigt er seine „Wundmale“ und seine „durchbohrte Seite“, Zeichen der Kreuzigung. Er ist wirklich gestorben und begraben worden; das ist historisch nicht zu bezweifeln. Historisch nicht zu bezweifeln ist auch der Glaube seiner Anhänger an seine fortdauernde Gegenwart bei ihnen. Daraus entstand eine „verschworene“ Gemeinschaft, die sich regelmäßig in überschaubaren Gruppen zum gemeinsamen Mahl versammelte, um sich gegenseitig in ihrem Glauben zu bestärken, dass der am Kreuz gestorbene Jesus auferstanden ist und lebt und bei den Gekreuzigten aller Länder und Zeiten zu finden ist. Für diesen Glauben dankten sie und und folgten dem Ruf der Nachfolge: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“, als Erinnerung an mich und als Begegnung mit mir. Diese Gruppen entfalteten eine solche Wirkkraft, dass sie sich – Christen wurden sie inzwischen genannt – schnell über das damalige römische Reich verbreiteten und zu einer Bewegung wurden, die vom ehemals kleinen „Senfkorn“ zu einem beachtlichen Baum wuchs und als „Sauerteig“ jeweils ihr Umfeld durchwirkte.
„Der Gekreuzigte ist auferstanden“ war also keine Jenseitsvertröstung, sondern hat sich als berechtigte Hoffnung erwiesen. Die vielen „Gekreuzigten“ erfuhren schon in diesem Leben Auferstehung und hatten die Erwartung, dass diese über den jeweils jüngsten, den alles entscheidenden Tag des Todes hinaus vollendet werde.
„Auferstehung ist die Bestätigung der Wahrheit des Lebens Jesu. Und Galiläa ist der Ort des Lebens Jesu, der Ort der Armen und Geringen. In den Armen dieser Welt, im Galiläa von heute, trifft man den Jesus der Geschichte, und dort trifft man ihn als Befreier. In diesem Galiläa wird der Auferstandene, der seinen Jüngern erscheint, zeigen, wie er wirklich ist, nämlich wie Jesus, dem man folgen muss. Wie Jesus, den man in der Geschichte verwirklichen muss, den historischen Jesus, den Jesus aus Nazaret, den barmherzigen und bis zum Tod am Kreuz treuen Menschen, das immerwährende Sakrament des befreienden Gottes in dieser Welt.“ (Jon Sobrino)
Fragen wir nicht zu lange, was wir tun können, um an dieser Welt etwas zu verändern, tun wir es einfach!
Ich war h u n g r i g, und ihr habt mir zu essen gegeben.
Ich war d u r s t i g, und ihr habt mir zu trinken gegeben.
Ich war f r e m d u n d o b d a c h l o s, und ihr habt mich aufgenommen.
Ich war n a c k t, und ihr habt mir Kleidung gegeben.
Ich war k r a n k, und ihr habt mich besucht.
Ich war i m G e f ä n g n i s, und ihr seid zu mir gekommen.
Prof. Hans Kirsch, Landau