Reminiszere / 2. Fastensonntag
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Jes 5, 1-7 | Gen 22, 1-2.9a.10-13.15-18 | Röm 8, 31b-34 | Mk 9, 2-10 |
Die Texte der vorösterlichen Bußzeit stimmen ein und führen hin zum zentralen Geheimnis des christlichen Glaubens: der Auferstehung Jesu. Sie sind weniger vom Handeln des Menschen geprägt, sondern mehr vom Handeln Gottes. Gott stellt (Abraham) auf die Probe (1. Lesung), er gibt seinen Sohn für die Menschen dahin (2. Lesung), er bekräftigt Jesus als seinen geliebten Sohn (Evangelium). Die Nachhaltigkeit liegt sozusagen im Handeln Gottes: Gott schließt mit Abraham einen Bund. Er verheißt ihm Nachkommen so zahlreich wie die Sterne am Himmel und er verspricht ihm Segen (1. Lesung). Gott ist ein Gott für die Menschen. Er ist es, der gerecht macht. Zudem tritt Jesus Christus zur Rechten Gottes für uns ein (2. Lesung). Gott gewährt einen Vorausblick auf die Herrlichkeit, mit der er seinen Sohn durch die Auferstehung beschenken wird (Evangelium). Gottes Verheißungen sind nachhaltig. Sie gelten für alle Zeiten. Gott bleibt sich treu in seinem Heilswillen für uns Menschen. Nachhaltig ist seine Liebe. Nach seinem Vorbild und in seinem (Eben)Bilde werden wir Menschen erst zu jeder Art von Nachhaltigkeitfähig.
Die Texte machen die Spannungen deutlich, in denen wir leben
- Die Spannung zwischen Gegenwart und Zukunft
- Die Spannung zwischen Himmel und Erde
- Die Spannung zwischen dem Handeln Gottes und dem Handeln des Menschen.
Nachhaltiges Handeln zielt auf eine Veränderung im Hier und Jetzt, die sich in positiver Weise dauerfest verfestigt. Nachhaltiges Handeln will bessere Verhältnisse und Lebensbedingungen für die jetzige Generation und für zukünftige Generationen. Das, was uns in den Texten aufleuchtet, soll uns ermutigen zum Engagement im Heute. Dabei ist auszuhalten
- die Spannung zwischen dem „schon“ des bereits Begonnenen und dem „noch nicht“ des noch Ausstehenden,
- die Spannung des menschlich Machbaren und dem, was letztlich nur Gott dazutun kann,
- die Spannung zwischen der menschlichen Unvollkommenheit und der Unvollkommenheit dieser Erde und der Vollkommenheit Gottes und der Vollkommenheit des Himmels.
Elisabeth Moltmann-Wendel bringt es so auf den Punkt: „Wer die Erde nicht berührt, kann den Himmel nicht erreichen“. (So der Titel ihrer Autobiographie im Lutherischen Verlagshaus, 2002)
Das Evangelium bietet noch folgende Ansatzpunkte
- In der Politik geht es um Gipfeltreffen, in denen in oft mühsamen Verhandlungen um nachhaltige Ergebnisse gerungen wird. Es geht um Macht und Einfluss. Beim „göttlichen Gipfeltreffen“ auf dem Berg Tabor geht es um eine Liebeserklärung. Gott bekennt sich zu seinem geliebten Sohn und offenbart, was er auch für uns Menschen aus Liebe vorgesehen hat: die Auferstehung.
- Glücksmomente sind in gewisser Weise nicht nachhaltig. Sie sind flüchtig. So gerne wir ihnen auch „Hütten bauen“ wollen, um sie festzuhalten, sie entziehen sich. Ich kann sie nicht anstreben, nicht machen, sie sind Geschenk. Die Verklärung ist vor-läufig als Verweis auf das, was noch aussteht. Es ist eine Art göttlicher Schnupperkurs.
- Auf den Berg folgt das Tal, auf den Aufstieg der Abstieg, auf das Gipfelerlebnis der Weg in die Niederungen, auf die Freude das Leid, auf den Berg Tabor der Berg Golgotha. Es gibt keine Liebe ohne Leid, selbst wenn es sich um göttliche Liebe handelt. Auferstehung bedeutet den Weg durch das Leid, nicht um das Leid herum. An Christus selbst können wir ablesen, was die Qualität dieser Erde ist: In ihrer Vorläufigkeit gibt sie Raum, lieben zu lernen. In ihrer Unvollkommenheit lässt sie erfahren, dass Liebe nicht zu haben ist ohne Schmerz und Leid. Unser treuer Versuch, die Liebe durchzutragen, durch alle Anfechtungen und alles Scheitern hindurch, ist eine ganz besondere Art von Nachhaltigkeit: die Nachhaltigkeit des Herzens.
Jes 5,1-7: Das Lied vom unfruchtbaren Weinberg
Der Predigttext für die evangelische Kirche bildet in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit eher einen Antitext. Das Handeln Gottes richtet sich aus am Handeln des Menschen. Gottwidriges Handeln durch den Menschen bewirkt eine nachhaltige Zerstörung der Beziehung und der Beeinträchtigung der Lebensmöglichkeiten des Menschen. Der Prophet Jesaja gebraucht dafür das Bild vom Weinberg als Sinnbild für das Volk Israel und das Bild des Weingärtners als Sinnbild für Gott. Da der Weinberg keine (guten) Früchte hervorbringt, sondern statt Gerechtigkeit nur Schlechtigkeit, wird Gott ihn vernichten. Der Text schildert die liebevolle Mühe und den großen Einsatz des Weingärtners (vgl. Ps 80) und die große Enttäuschung, dass diese Fürsorge missachtet wird. Jesus nimmt hierauf Bezug in Mt 21,33-41.
Stefan Federbusch