Andacht zum Karfreitag – Du Opfer!

Kurzandacht zum Karfreitag:
(von Doris Joachim-Storch, Zentrum Verkündigung der EKHN)

Du Opfer! – Karfreitag

Aus: Klein und fein. Gottesdienste in kleiner Form, Materialbuch 125 des  Zentrums Verkündigung, Frankfurt 2016

Warum wehrst du dich nicht? Ich verstehe dich nicht. Wie hältst du das aus? Warum läufst du nicht weg? Kannst du nicht? Willst du nicht? Mich regt das auf – deine Hilflosigkeit. Wie du dich zum Opfer machst. Und das auch noch freiwillig. Du Opfer! Ertrag doch nicht alles! Am liebsten würde ich dich bei den Schultern packen und dich rütteln. Du darfst dich nicht aufgeben! Ich sehe deine Schmerzen, deine Wunden am ganzen Körper. Es tut mir weh, dich so zu sehen.

Und dann sagst du: „Ich habe es gelernt von klein auf. Du sollst dich nicht wehren. Als kleines Mädchen schon, wenn der Vater auf mich eingeprügelt hat. Ich darf mich nicht wehren. Ich warte, bis alles vorbei ist. Vielleicht liebt er mich dann. Es ist mir in Fleisch und Blut übergegangen. Und heute: Wenn der, den ich geheiratet habe, mich einsperrt und mich schlägt: Dann warte ich, bis es vorbei ist. Was heißt schon freiwillig? Ich kann nicht anders.“

Szenenwechsel

Warum wehrst du dich nicht, Jesus? Ich verstehe dich nicht. Wie hältst du das aus? Warum läufst du nicht weg? Kannst du nicht? Willst du nicht? Mich regt das auf – deine Hilflosigkeit. Wie du dich zum Opfer machst. Und das auch noch freiwillig. Du Opfer! Ertrag doch nicht alles. Am liebsten würde ich dich bei den Schultern packen und dich rütteln. Du darfst dich nicht aufgeben. Ich sehe deine Schmerzen, deine Wunden am ganzen Körper. Es tut mir weh, dich so zu sehen.

Und dann sagst du: „Es sind meine Kinder, die mir das antun. Ich bin kein Mensch wie du. Kein einzelner. In mir ist Gott. Ich und der Vater sind eins. Du erinnerst dich? Die mich verraten und verlassen, die mich verurteilen und verspotten, die mich ans Kreuz nageln und mich töten – es sind meine Geschöpfe. Ich liebe sie. Sie wissen nicht, was sie tun. Aber ich weiß, was ich tue. Ich opfere mich, für sie, für dich. Freiwillig. Ich kann nicht anders. Aber sei nicht traurig. Mein Tod ist nicht das Ende.“

Zwei Opfergeschichten. Die erste Geschichte kommt aus Frankfurt. Sie erzählt von schlaflosen Frauen in Frauenhäusern. Unfreiwillige Opfer. Die andere Geschichte ist aus der Bibel, so ähnlich jedenfalls. Ein freiwilliges Opfer. Die geschlagenen Frauen – der gekreuzigte Christus. Ich spüre den Zusammenhang und den Unterschied. Dieser gepeinigte Gott am Kreuz ist den Gepeinigten nahe. Das ist schwer in Worte zu fassen. Vielleicht so: Unser Leiden ist in seines eingebettet und bei ihm aufgehoben. Das ist nicht logisch. Aber zum Weinen tröstlich. Christus wehrt sich nicht, damit sich Menschen wie die geschlagenen Frauen in den Frankfurter Frauenhäusern wehren können. Er opfert sich, damit wir aus Opfern zu Tätern der Freude werden. Damit wir zur Ruhe kommen. Endlich.