12. Sonntag nach Trinitatis / 23. Sonntag im Jahreskreis (8.09.19)

12. Sonntag nach Trinitatis / 23. Sonntag im Jahreskreis


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Apg 3, 1-10 Weish 9, 13-19 Phlm 9b-10.12-17 Lk 14, 25-33

Themenschwerpunkt des 12. Sonntags nach Trinitatis ist das Thema Verwandlung. Durch das Leben und Wirken Jesu Christi wurden Spielregeln des Reiches Gottes sichtbar, die bis heute gelten. Eine neue Zeit ist angebrochen, Zeichen der zukĂŒnftigen Gerechtigkeit sind jetzt schon erkennbar. Der 12. Sonntag nach Trinitatis gibt AnstĂ¶ĂŸe alles zu tun, was dem Kommen des Reiches Gottes dient. Die folgenden Reflektionen bedenken den angegebenen evangelischen Predigttext (Apg 3,1-10), den katholischen Evangeliumstext (Lk 14, 15-33) sowie den Predigttext der Evangelischen Kirche nach der neuen Perikopenordnung (Mk 8,22-26). Die beiden katholischen Lesungstexte bleiben unberĂŒcksichtigt.

LiedvorschlĂ€ge : „Nun lob mein Seel den Herrn“ (EG 289) oder „Wir haben Gottes Spuren festgestellt“ (EG 648)


Apostelgeschichte 3, 1-10

Was ist nachhaltiger: Finanzielle Soforthilfe oder Hilfe zur Selbsthilfe?

Ein immer wieder aktuelles Thema in der Entwicklungshilfe und auch in kirchlicher Partnerschaftsarbeit! Und eine uralte biblische Frage. Dass ein gehbehinderter Mann tĂ€glich an der TĂŒr des Tempels sitzt, ist den Vorbeigehenden ein alltĂ€glicher Anblick geworden. Niemand wundert sich, niemand entsetzt sich ĂŒber so viel Elend. WĂ€re Petrus an diesem Tage weitergegangen und hĂ€tte dem Lahmen das erwĂŒnschte Geld gegeben – alle wĂ€ren zufrieden gewesen.

Finanzielle Soforthilfe, wer wollte sie versagen? Aber Petrus verhÀlt sich nicht wie erwartet. Er will mehr, er will nachhaltige VerÀnderung. Die beginnt damit, dass der GelÀhmte angesehen wird. Es kommt zu einem Kontakt, zunÀchst mit Blicken, dann mit Worten. Am Ende kann der GelÀhmte gehen und plötzlich wundern sich alle und viele sind entsetzt.

Ein wenig erinnert mich diese Situation an kirchliche Beziehungen zu Kirchen im globalen SĂŒden. Wie nahe liegt es hier oft, finanzielle Soforthilfe in Zeiten der Not zu leisten. Die kann fĂŒr den Moment hilfreich sein, verpufft aber auch schnell wieder. Wenn hingegen Hilfe zur Selbsthilfe geleistet wird, wenn VerhĂ€ltnisse sich Ă€ndern - manchmal auch MachtverhĂ€ltnisse - dann kann das sowohl langfristig wirksam als auch irritierend sein. Aber welch große Chance ist es, wenn SolidaritĂ€t das Ansehen zwischen den Beteiligten stĂ€rkt und wenn am Ende alle neue Wege gehen können!


Lukas 14, 15-33

Ein weiterer Nachhaltigkeits- und Nachfolgetext begegnet uns am 12. Sonntag nach Trinitatis. Ein radikaler und schwer verdaulicher noch dazu. Wer will das leisten können: In der Nachfolge Jesu auf alles verzichten können, Beziehungen kappen und Ballast abwerfen? Wie stellt Jesus sich diese Art Nachfolge vor? Vielleicht sind es Christinnen und Christen aus den benachteiligten Regionen dieser Erde, die Hilfestellung zum VerstÀndnis geben können. Ihre Perspektiven kamen bei einer Konferenz zum Tragen, die im Jahr 2018 zusammen kam.

„Transforming discipleship – VerĂ€ndernde Nachfolge“: So lautete das Thema der Weltmissionskonferenz 2018. In Arusha /Tansania hörten die Kirchen der Welt aufeinander und lernten voneinander, wie Nachfolge in diesen Zeiten und Kontexten buchstabiert werden kann: Radikal, verĂ€ndernd und nachhaltig.

Insbesondere seien hier einige SĂ€tze aus der Abschlusskundgebung zitiert: „Als Einzelne, wie auch gemeinschaftlich gilt fĂŒr uns als JĂŒngerinnen und JĂŒnger Jesu Christi: Wir sind durch unsere Taufe zu verwandelnder Nachfolge aufgerufen, zu einer mit Christus verbundenen Lebensweise in einer Welt, in der viele Menschen unter Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung, Ablehnung und ZurĂŒckweisung, Einsamkeit und dem GefĂŒhl der Wertlosigkeit leiden. Wir sind aufgerufen in einer Zeit, in der viele dem falschen Gott des Marktsystems huldigen, den dreieinigen Gott, den Gott der Gerechtigkeit, der Liebe und der Gnade anzubeten. Wir sind aufgerufen, in einer von Gewalt geprĂ€gten Welt, die frohe Botschaft von Jesus Christus in Wort und Tat zu verkĂŒnden. Wir sind aufgerufen, uns freudig im Sinne des heiligen Geistes zu engagieren, der Menschen an den RĂ€ndern der Gesellschaft als seine Stellvertreterinnen und Stellvertreter im Streben nach Gerechtigkeit und WĂŒrde ermĂ€chtigt. Wir sind aufgerufen, Gottes Schöpfung zu bewahren und solidarisch zu sein mit den Völkern und Nationen, die der Klimawandel
besonders hart trifft. Wir sind aufgerufen, in einer Welt, die auf Marginalisierung und Ausgrenzung aufbaut, als JĂŒngerinnen und JĂŒnger in einer gerechten und integrativen Gemeinschaft in unserem Streben nach Einheit und auf unserer ökumenischen Reise zusammenzuhalten
Dies ist ein Aufruf zu verwandelnder Nachfolge.“

Im Internet lÀsst sich dies finden unter www.oikumene.org. Wie die Kirchen der Welt auf den Aufruf reagieren, lÀsst sich hier ebenfalls nachlesen.

Markus 8, 22-26

Dieser Text ist nach der neuen Perikopenordnung der Ev. Kirche fĂŒr den   12. Sonntag nach Trinitatis 2019 vorgesehen.

VerblĂŒffend anschaulich wird berichtet, wie Jesus Menschen behandelt, berĂŒhrt und heilt. In zwei Schritten wird dem Blinden das Augenlicht wiedergeschenkt: Der erste Behandlungsschritt entfaltet noch nicht die volle Wirkung. Aber nach dem zweiten Schritt ist es soweit: Der Blinde kann alles wieder scharf sehen. Nachhaltiger kann eine Begegnung mit Jesus Christus wohl nicht ausfallen. Nachhaltig allerdings in mehrfacher Hinsicht. Zwar ist der Blinde geheilt, er wird wieder selbstĂ€ndig unterwegs sein können, aber er wird sich eine neue Umgebung, eine neue Heimat, neue Freunde suchen mĂŒssen. „Geh nicht hinein in das Dorf“, wird er von Jesus Christus angewiesen. Denn die Heilung hat außerhalb des Dorfes stattgefunden, ein wenig hinausgerĂŒckt aus Ort und Zeit. Eine andere Welt wurde möglich – aber zunĂ€chst außerhalb der Stadtmauern. Mich beeindruckt die Gewandtheit, in der Jesus - einem heutigen Augenarzt Ă€hnlich-, den Blinden behandelt und fĂŒr nachhaltiges Sehen sorgt. Ich weiß aber auch, dass damit noch nicht alle Blinden geheilt und alle Kranken gesund gemacht werden. Noch findet Heilung nur exemplarisch statt. Noch sind nur Anzeichen des Reiches Gottes erkennbar - und doch: Schritt fĂŒr Schritt verĂ€ndert es diese Welt.

Beate Heßler, Dortmund