Pfingstmontag
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Mt 16, 13-19 | Apg 19, 1b-6a oder Joel 3, 1-5 |
Röm 8, 14-17 | Joh 3, 16-21 |
Pfingsten kommt manchen wie ein verrücktes Fest vor: die Pfingstgeschichte erzählt von plappermäuligen Männern, die einen doppeldeutigen Eindruck hinterlassen: Begeisterung oder Trunkenheit? Der Irrsinn der deprimierten Jünger oder der erfrischende Charme einer aufbrechenden Gemeinde? Religiöse Ekstatiker oder geltungssüchtige Gründer einer neuen Sekte?
Was also soll das sein und was will das werden?
Der Pfingstmontag gibt die Möglichkeit der Vertiefung: mancherorts werden Mühlen-, Open-Air- oder sonstige Bindestrich-Gottesdienste gefeiert. Sie alle nutzen die Möglichkeit, ganz aus dem eigenen (Kirchen-)Haus zu sein, sich selbst zu verfremden und einen anderen Standort auszuprobieren. Damit geraten zwei zu Pfingsten gehörende Grundeinsichten des christlichen Glaubens in den Mittelpunkt: unser Leben kann tatsächlich anders sein, und: wir haben eine Zukunft.
Mt 16, 13-19
Man könnte meinen: wenn die Kirche schon seit 2000 Jahren besteht, dann muss sie ein nachhaltiges Gebilde sein. Trotz andauernder Veränderungen, Spaltungen, Irrungen und den tollsten Blüten, die sie trieb, besteht das Nachhaltige an ihr nicht in der bloßen Dauer ihres Bestehens. Denn von den Ressourcen der VorgängerInnen kann man nur bedingt leben. Der Glaube lebt von dem, was jetzt geschieht und jetzt geschaffen wird. Der Glaube verlässt sich auf den Lebendigen, den Auferstandenen, und d.h. vor allem, dass Gott jetzt handelt und ermutigt. Der Christus ist nicht eine wiedergekehrte mehr oder minder historische Figur der Heilsgeschichte, sondern „der Sohn des lebendigen Gottes“.
Das bedeutet: lebendig ist Gott nur zu nennen, weil er lebendig macht. So leben wir als Gemeinde Christi von dem, was Gott jetzt in diesem Moment an uns tut. Wir können daher nicht von alten Antworten leben, wir vertrauen nicht auf Antworten und Lebensweisen, die einmal lebendig waren, sondern hoffen auf den Heiligen Geist, dass er uns eine lebendige Antwort gebe. Und die brauchen wir auch: der Zustand der Welt verlangt von uns, „verrückt“ zu werden, uns verrücken zu lassen. Denn gerade in diesen Jahrzehnten erleben wir, dass die alten Antworten offensichtlich untauglich sind, die Schöpfung zu ehren und sie entsprechend zu bewirtschaften.
Die Antworten, die wir suchen, sollten also nicht Antworten von Fleisch und Blut, sondern sollten „himmlisch“ sein. An diesem Tag wird es darum gehen, in der Gemeinde auf einer gemeinsamen Basis zu stehen, das aber nicht mit Verharren und Bewegungslosigkeit zu verwechseln. Die Herausforderung wird dabei für die Predigt sein, diese Botschaft zu sagen, aber zu wissen, dass die meisten Menschen lieber mit der Beharrung und weniger gern mit der quasi institutionalisierten Dauer-Veränderung, wie sie der Geist verspricht, leben möchten.
Joel 3, 1-5
Kommt man von der Pfingstgeschichte oder Mt 16 her, muss man sagen: es wird ja immer ärger! Jetzt geht es nicht nur um leichtes Meschugge-Sein, jetzt geht es um alles, den finalen Umsturz, den Tag des HERRN. Darin sind leicht beängstigende Begleiterscheinungen genannt, wie Blut, Feuer und Rauchsäulen. Es geht um das Ende, das aber „Errettung“ sein wird. Dass es um Errettung geht, ist vor allem voran an diesem Tag zu sagen.
Menschliche Machtmittel spielen hier keine Rolle mehr: die heilenden Kräfte des Marktes, der sich selbst tragende Aufschwung und die Versprechungen der sozialen Marktwirtschaft haben sicher Wert und Wahrheit, aber sie gehören zu dem reichen Instrumentarium der Methoden, die den desaströsen Zustand der uns umgebenden Natur hervorgerufen und die gewaltigen Probleme von sozialen Verwerfungen und schlimmsten Formen der Armut in vielen Ländern dieses Planeten erst erzeugt haben.
Die Hoffnung auf den Tag des HERRN kann uns heute bedeuten, dass wir Träume und Gesichte wagen, also andere Ansätze denken, leben und fühlen als die bereits bekannten. Träume könnten sein: wir betrachten die Natur nicht nur als eine ausbeutbare Ressource, sondern als ein Gegenüber, ein Geschöpf, das seine Würde hat und dem man mit Ehre begegnet. Wir beginnen, Menschen in Afrika und Asien nicht nur als potentielle Arbeitskräfte, Absatzmärkte oder ausbeutbare Ressource zu betrachten, sondern wir versuchen, sie als PartnerInnen, vielleicht sogar als Geschwister der einen Welt Gottes zu sehen.
Ist das zu pathetisch? Warum denken wir nicht eher, dass die sogenannten „Realisten“ zu zynisch sind? Pfingsten ist ein Tag, mit der Gemeinde die „Wunderzeichen Gottes am Himmel“ zu bestaunen. Das ausgemergelte Programm derer, die nur auf Sicht fahren und sich keinen Traum trauen, kennen wir schon zur Genüge.
Röm 8, 14-17
Kind Gottes sein wird heute oft als unterdrückende Botschaft gehört: ChristInnen seien eher etwas verschwurbelte und devote Typen, die gehorchen und an überkommenen Vorstellungen festhalten.
Hier lernt man, dass das Gegenteil der Fall ist. Kind sein bedeutet hier nicht (nur) Regression, sondern Erbe sein – und damit eine große Verantwortung! Es bedeutet, das Zusammen-sein mit DEM anderen und allen anderen, das sich in einem Spektrum zwischen Mit-leiden und Mit-erhoben-werden abspielt. Interessant sein dürfte es, in einer Predigt darüber nachzudenken, wessen Knecht wir denn sind, bzw. unter was wir uns scheinbar willenlos knechten lassen. Daraus könnte man lernen, dass wir nicht Opfer eines namenlosen Schicksals sind, sondern oft genug selbst eben dieser Knechschaft zustimmen.
Kinder, die wir werden sollen, haben aber ein anderes Wesen: sie geben Widerworte. Eine wichtige Tugend für eine nachhaltige Entwicklung: wir müssen lernen, zu hinterfragen, was wir vorfinden. Und langsam, aber sicher in die Rolle der Erben hineinwachsen, die uns schon zu- und anvertraut ist.
Joh 3, 16-21
Zwar wird hier das Thema des Glaubens in Joh 3 sehr nach vorn gerückt, trotzdem aber das Ziel des göttlichen Handelns global und umfassend beschrieben: „dass die Welt durch ihn gerettet werde“. Es geht also – bei Licht betrachtet – um etwas mehr als nur um Menschen, die Gutes tun, und andere, die Böses tun. Die Sonne Gottes geht über Bösen und Guten auf (Mt 5,45), das ganze Geschehen der Rettung des Menschen geht über den Menschen selbst hinaus. Es steht im Grunde die ganze Welt im Fokus.
Natur, Lebewesen aller Art und Landschaften werden sich daher nicht zum Teufel scheren und nicht bleiben, wo der Pfeffer wächst. Auch sie müssen gerettet werden. Bedauerlicherweise auch vor uns Menschen. Ein Fokus dieses Textes am Pfingstmontag sollte sein, dass Umfassende der Rettung Gottes herauszustreichen und – auch wenn es um gute und böse Taten geht – keine anthropologische Engführung zu predigen. Das Heil der Welt geht im Lichte Gottes offenbar über das Schicksal böser oder guter Menschen hinaus.
Sofern es um die Menschen geht, könnte es reizvoll sein, einem kleinen, seltsamen Kontrast in dem Text nachzugehen: wer Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht. Wer die Wahrheit tut, kommt zu dem Licht. Ein Gegensatz zum Hass, etwa die Liebe, wird hier ausgelassen. Stattdessen folgt fast wertfreier Begriff der Bewegung. Offenbar scheint die Wahrheit hier einen Weg, einen Prozess, eine Entwicklung andeuten zu wollen. Lässt sich daraus etwas ableiten, wenn man über Lebensstile nachdenkt?
Dr. Thomas Schaack, Kiel