Rogate / 6. Sonntag der Osterzeit / 5. Sonntag nach Ostern (26.05.19)

Rogate / 6. Sonntag der Osterzeit / 5. Sonntag nach Ostern


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Joh 16, 23b-28 (29-32) 33 Apg 15, 1-2.22-29 Offb 21, 10-14.22-23 Joh 14, 23-29

Wir befinden uns in der Osterzeit und lesen die Texte aus dem Blickwinkel der Auferstehungserfahrung.

Zu allen vier Texten

Wie erleben wir unsere Welt?

Immer mehr Menschen bauen Ängste auf. 71% der Deutschen hatten 2017 große Angst vor Terrorismus, 67,2 % davor, ein Pflegefall zu werden, 61% vor Spannungen durch Zuzug von Ausländern, 58% vor Gift im Essen, 56% vor Naturkatastrophen.

Mehr als zwei Drittel der Menschen bei uns leben also in Angst. Angst verhindert eigenmotivierten Frieden. Die christliche Botschaft von der Wirklichkeit des menschenliebenden Gottes schafft Frieden durch Freiheit.

Verweis auf die Aktion „Fürchtet euch nicht!“ der ev. Kirchein 2018.

Zu Joh 16,ff

Ob die frühen Christinnen und Christen auch Ängste hatten? Klar ist, ihr Bekenntnis zu Christus war lebensbedrohlich. Zudem drohten Armut, Krankheit, Unfreiheit, Feuerbrünste und vieles mehr. In diese Situation hinein trifft das Wort des Johannes „In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt“ und „Was ihr den Vater in meinem Namen bitten werdet, das wird er euch geben.“

In diesem Zusammenhang bedeutet Welt all das, was unfrei macht undzerstört. Die Mechanismen der Unfreiheit hat Jesus in jeder Hinsicht überwunden. Die Mechanismen der Macht hat er angeprangert, die Haltungen des Haben-wollens hat er in Hingabe verwandelt. Er hat mit seinem Handeln und seinen Reden gezeigt, dass wir nicht kleinlich Angst um uns selbst haben müssen. Im Verzicht, im Verschenken und Loslassen liegt die eigentliche Freiheit. Wer also bittet, hat schon verstanden um was es geht. Wer um Veränderung bittet ist selbst verändert. Mahatma Gandhi sagte: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt“. Wer Gott vertraut ist verwandelt und wird alles gewinnen, das ganze Leben.“

Zu Apg 15,1-2.22-29

Auch in diesem Text ist sie wieder da, die Angst. Diesmal ist es die Angst davor, alles falsch zu machen. Was ist richtig, was ist falsch? Aus dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit ist Angst manchmal ein starker Antrieb. Wenn eine junge Frau Plastiktüten vermeidet, weil sie Fisch essen möchte ohne Mikroplastik. Wenn der ältere Mann Strom spart, weil er Angst hat die Rechnung nicht bezahlen zu können. Aber der Text macht klar, es geht nicht um Mechanismen, sondern um die Menschen selbst. Es sollen nicht Regeln und Normen sein, die eingehalten werden, weil sonst Ausgrenzung droht. Christlichkeit wird zur Haltung. Die Last der 613 Verbote und Gebote wird den Menschen von den Schultern genommen. Jesus hat mit seinem Leben gezeigt, dass die Dankbarkeit für das Leben Motivation genug ist um es zu schützen.

Offb 21,10-14.22-23

Wer die Welt besser machen möchte braucht Visionen. Im Management und in der Politik überzeugen die, die Visionen haben. Wir Menschen brauchen eine Vorstellung davon, wie es sein könnte. Wer Frieden nie erlebt hat und nicht weiß, wie sich Frieden auswirkt, wird eher bereit sein für die eigenen Bedürfnisse und die Überzeugungen von Führerpersönlichkeiten zu kämpfen als ein Mensch, der eine Vorstellung davon hat, wie erfüllend gelungene Gemeinschaft sein kann. Dieser Text lässt uns träumen von einer wunderbaren Gemeinschaft, die deshalb funktioniert, weil Gott ihre Energie ist.

Johannes 14,23-29

Frieden hinterlasse ich euch meinen Frieden gebe ich euch.

Eine Überlebende des Holocausts berichtet: „Ich war siebenundzwanzig. Mit zwanzig hatte ich geheiratet. Mit zweiundzwanzig bekam ich unser erstes Kind, mit vierundzwanzig das zweite. Während der Schwangerschaft wurde ich schwer krank. Die Ernährung war schlecht. Unser Kind kam mit einigen Fehlbildungen auf die Welt. Aber es war lebensfähig. Aufziehen musste ich es alleine. Mein Mann musste in den Krieg. Kämpfen für das Vaterland. Unsere Eva konnte erst mit drei Jahren laufen. Sie war ein Sonnenschein. Wenn ich ihr ein Lied vorsang, sperrte sie den Mund auf und sang auf ihre Art laut mit. Sie liebte das Singen. Kurz vor ihrem vierten Geburtstag kamen Leute und holten sie für einen Erholungsaufenthalt in einer Anstalt für behinderte Kinder ab. Ich sah sie nie wieder. Unser Sohn starb mit acht Jahren. Der Splitter einer Sprenggranate traf ihn. Mein Mann war vor dem Krieg in der SPD. Er hat sich immer für Frieden und Gerechtigkeit engagiert. Auch während des Krieges. Einer aus unserem Dorf zeigte ihn an. Er wurde kurz vor Kriegsende abgeholt und erschossen. Nein, ich hege keinen Groll. Ich kann mit Hass und Anklage nicht leben. Ich will darauf vertrauen, dass Menschen ein Gewissen haben, dass sie ihre Handlungen beim Blick in die Augen Gottes erkennen.“

Wie schafft es ein Mensch, der solches erlebt hat, zu vergeben?

Der Friede Christi ist die tiefe Erkenntnis, dass es eine Wirklichkeit gibt, die unser Erlebtes relativiert. Die Wirklichkeit Gottes ermöglicht es uns nicht zu verzagen. „Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.“ Joh 14,27b

„Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht wie die Welt ihn gibt…“

Joh 14,27

Der innere Friede, der diese Frau trägt, ist das Vertrauen in die Gerechtigkeit Gottes, die jeden Menschen ernst nimmt, jede Seele zur Entfaltung bringt und alles am Ende zum Guten führt.

Wie unterscheidet sich der Friede, den die Welt gibt, vom Frieden den Gott gibt?

Alles Weltliche ist vorläufig, zerbrechlich, vergänglich. Satt, mit einem Dach über dem Kopf, mit der nötigen Anerkennung und Zuwendung ausgestattet, kann ein Mensch gut leben auf dieser Welt. All das muss erarbeitet werden. Es ist Aushandlungssache und leistungsbezogen und außerdem eine Frage des Glücks, am richtigen Ort auf der Welt geboren zu sein.

Gottes Friede kommtvor allem aus dem Vertrauen darauf, dass die gesamte Schöpfung auf das Gute hin ausgerichtet ist. Das Gute setzt sich letzten Endes durch. Das ist unsere christliche Überzeugung. Ist es noch nicht gut, dann ist das noch nicht das Ende (Nach einem Zitat von Oscar Wilde). Das macht uns handlungsfähig. Es nimmt uns die Verzweiflung, die aus Überforderung erwachsen kann und schenkt Gelassenheit durch Vertrauen.

Margit Feist, Mainz