5. Sonntag vor der Passionszeit / 4. Sonntag im Jahreskreis (3.02.19)

5. Sonntag vor der Passionszeit / 4. Sonntag im Jahreskreis


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
1 Kor 1, 4-9 Jer 1, 4-5.17-19 1 Kor 12, 31-13, 13 oder
1 Kor 13, 4-13
Lk 4, 21-30

Nachhaltigkeitsgedanke: Prophetisch handeln

Grundtenor: Der Einsatz für Gottes neue Welt (= Reich Gottes) im Sinne von Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung erfordert prophetisches Handeln

Den Propheten Jeremia will Gott zur „eisernen Säule“ machen. Jeremia, der um das Jahr 600 v. Chr. lebte, hatte noch den Tempel Salomos gesehen. Vor diesem Tempel standen beiderseits des Einganges zur Vorhalle zwei prächtige Säulen. Die eine nannte man „Jachin“ = Er [Gott] befestigt, die andere „Boas“ = Bei ihm [Gott] ist Stärke. Sie waren kunstvoll aus Bronze gefertigt, mit Lotosblüten, Granatäpfeln und Girlanden geziert, etwa 10 m hoch. Sie standen für die Schöpfung, für Leben, Fruchtbarkeit und Segen.

„Propheten sind wir alle – auch du und ich“, heißt es in einem Neuen Geistlichen Lied aus dem Musical „Elisabeth von Thüringen“ von Peter Janssens.

„Propheten sind Menschen mit einer wachen Sensibilität gegenüber den Zeichen der Zeit. Sie ahnen die unheilvollen Konsequenzen gegenwärtigen Handelns. Das veranlasst sie zur Kritik, zum Protest, zur kämpferischen Auseinandersetzung mit bestehenden Institutionen, mit unreflektierten Normen, mit erhärteten Strukturen. Ihre Verkündigung ist provokativ, beunruhigend. Sie sind Rufer wider den Sog des gerade Üblichen, Gängigen, Normalen.“ (Wolfgang Raible)

Mit der Taufe haben wir Anteil an Jesus Christus und somit an seinem Auftrag als Priester, Prophet und König. Wie lebe ich die „prophetische“ Dimension meines Christseins? Wo bin ich eine Säule, eine wichtige Stütze des prophetischen Auftrags der christlichen Gemeinde? Wo trete ich im Sinne Gottes prophetisch ein für die Schöpfung, für Leben, Fruchtbarkeit und Segen?

Der Beruf / Job eines Propheten bringt keine Anerkennung, kein Ansehen, keinen Ruhm, keine Ehre – im Gegenteil eher Ablehnung bis hin zu Verfolgung. Bin ich dennoch bereit, den Fußspuren Jesu zu folgen, gegen den Strom zu schwimmen, Nachteile in Kauf zu nehmen, um Gottes neue Welt Wirklichkeit werden zu lassen?

Vielleicht erfolgt mit Paulus im Korintherbrief der persönliche Einwand: „Stückwerk ist unser Erkennen, Stückwerk ist unser prophetisches Reden“. Paulus schreibt jedem Menschen spezifische Begabungen zu. Wo sehe ich meine Begabung, meine Berufung, trotz aller Begrenztheit für eine bessere Welt einzutreten?

Wir brauchen auch heute Propheten, die – wie Nelly Sachs es sagt – „mit ihren Worten Wunden reißen[d] in die Felder der Gewohnheit“, die uns immer wieder neu herausfordern.

Propheten, die den Götzendienst unserer Zeit anprangern, den Tanz ums goldene Kalb des Götzen Mammon eines hemmungslosen Kapitalismus, die Ungleichverteilung von Reichtum und Armut, die Ausgrenzung der an den Rand Gedrängten; Propheten, die den Ressourcenverbrauch unserer Zeit anprangern, das Massensterben der Arten, den von uns verursachten Klimawandel und die dadurch verursachte Zerstörung der Schöpfung und unserer Lebensgrundlagen; Propheten, die die immensen Rüstungsausgaben unserer Zeit anprangern und die einseitigen Bemühungen, auf Gewalt mit Gegengewalt zu reagieren. Propheten, die unseren Umgang mit Geflüchteten und Migranten anprangern, die Abschottung gegen die „Habenichtse“ dieser Welt, die vermeintlich unsere Sicherheit und unseren konsumorientierten Lebensstil bedrohen.

Die evangelische Perikope besteht aus den Anfangsversen des ersten Korintherbriefs, in dem der Apostel Paulus Gott dankt für die Berufung der Korinther. Nachhaltigkeit zeigt sich theologisch in der Treue Gottes. In Bezug auf die Prophetie betrachtet Paulus sie als eine der wichtigen Geistesgaben (vgl. 1 Kor 12,28). Propheten sind ebenso wie Apostel und Lehrer Teil der Gemeinde. Wie alle anderen Ämter auch sollen sie der Erbauung der Gemeinde dienen und werden an den Früchten erkannt, die sie bringen (vgl. Mt 7,15). Paulus schreibt dies an eine Gemeinde, in der es Zank und Streit gab und Spaltung drohte (vgl. 1 Kor 1,12 ff.), ein schwerer Fall von Blutschande vorlag (vgl. 1 Kor 5,1-13), die Mitglieder sich vor heidnischen Richtern stritten (vgl. 1 Kor 6,1-11), sich sexuell verfehlten (vgl. 1 Kor 6,12-20) und beim Herrenmahl nicht gerade geschwisterlich miteinander umgingen (vgl. 1 Kor 11,17-34). Die junge Gemeinde in der römischen Hafenstadt Korinth mit seinen ca. 100.000 Einwohnern dürfte in ihrer Vielsprachigkeit ziemlich inhomogen und „multikulti“ gewesen sein. Sie spiegelte die erheblichen sozialen und ökonomischen Unterschiede der Stadt wider. Um die 90 Prozent der Einwohner lebten unter dem Existenzminimum. Die Gemeinde musste sich die Frage stellen, wie viel Anpassung an die römische Stadtkultur (Kaiserkult) notwendig und wie viel Widerstand möglich war.

Prophetische Botschaft ist Appell an die christliche Gemeinde und an jede/n Einzelne/n, aus der Taufgnade heraus die je eigene Berufung zum prophetischen Handeln zu erkennen. „Propheten sind wir alle – auch du und ich.“

Stefan Federbusch, Limburg