Allerheiligen
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Dan 7,1-3.13-18.27 | Offb 7, 2-4.9-14 | 1 Joh 3, 1-3 | Mt 5, 1-12a |
Ev. Predigttext:
Dan 7,1-3.13-18.27
Wer heute von Nachhaltigkeit spricht, der meint ein Handeln, das die Zukunft des Planeten mit seinen begrenzten Ressourcen im Blick hat. Ein Handeln, das die Umwelt schont und die Überlebenschancen der kommenden Generationen nicht leichtfertig verspielt. Angesichts der drohenden Klimakrise, aber auch zerstörerischer militärischer Auseinandersetzungen und bedrohlicher sozialer Ungerechtigkeiten weltweit, muss das ein Handeln sein, das kaum noch Spielräume für einen ausufernden, hedonistischen Lebensstil lässt. Nachhaltigkeit bedeutet Einschränkungen. Die Nachhaltigkeit des Propheten Daniel eröffnet eine andere Perspektive auf nachhaltiges Denken: Das Reich des Menschensohnes ist das, was am Ende sein wird. Alle anderen noch so bedrohlichen Szenarien werden vergehen, nur sein Reich wird bestand haben.
Was für eine wunderbare Botschaft für eine Welt, in der man/frau verzweifeln könnte. Ein Handeln, das das Klima der Erde nicht belastet, erscheint nach den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen kaum machbar. Jede Mobilität, auch die noch so umweltfreundlichste, jede Ernährung, selbst die vegane, und auch jedes Freizeitvergnügen wirft dunkle Schatten auf unsere Ökobilanz. Wer wirklich alle Folgen des Handelns für die nachfolgenden Generationen bedenkt, der müsste in Schockstarre verfallen.
Daniel beschreibt die Bedrohungen seiner Zeit als wilde Fabelwesen, Panter mit Flügeln und ein furchtbares Tier mit Zähnen aus Eisen. Die Fabelwesen stehen für die damaligen Großmächte, die das Volk Israel unterdrücken und „die ganze Erde verschlingen, sie zertreten und zermalmen" werden. Schrecklicher kann auch die heutige Zukunft der Menschheit nicht ausgemalt werden.
Doch Daniel will Hoffnung machen. Mit dem Menschensohn kommt ein Reich, bei dem „die Herrschaft und Macht und die Herrlichkeit aller Reiche unter dem ganzen Himmel dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben werden." In diesem Reich ist die Angst überwunden, die Dämonen vertrieben und die Herrschaft liegt in der Hand der Heiligen. Das wir auch heute davon weit entfernt sind, liegt auf der Hand.
Aus der Hoffnung auf eine andere Welt lassen sich keine Patentrezepte für unser konkretes Handeln ableiten, aber sie ist der Motor für Veränderung. Sie weitet den Blick auf das Gute, das uns nach all den unabwendbaren Katastrophen der Zukunft zugesagt ist. Mit Jesus Christus hat das gute Ende dieser Welt schon begonnen. Mit jeder guten Tat rückt es ein Stück näher, wird immer mehr zur beherrschenden Wahrheit. Ein schwacher Trost für die nächsten Generationen, die unter unseren Zerstörungen leiden werden, aber eine große Hoffnung für alle, die an einer nachhaltigen Welt mitwirken. Sie sind als „die Heiligen des Höchsten" Teil des neuen, göttlichen Reichs, nicht erst im fernen Jenseits, sondern auch schon hier auf unserer Mutter Erde.
Kath. Leseordnung:
1. Lesung: Offb 7,2-4.9-14
Über zwei Sätze in dieser Lesung bin ich gestolpert: „Fügt dem Land, dem Meer und den Bäumen keinen Schaden zu, bis wir den Knechten unseres Gottes das Siegel auf die Stirn gedrückt haben." Und „sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht."
Dem Land, dem Meer und den Bäumen keinen Schaden zufügen, das klingt nach einem Appell der Jugendlichen an ihrem Friday for Future. Sie kämpfen für ihre lebenswerte Zukunft und klagen die Generationen vor ihnen an, weil sie ihnen diese Zukunft rauben. Nicht als Krone der Schöpfung soll der Mensch die Erde ausbeuten, sondern sie hegen und pflegen. Beide Denktraditionen finden sich im Alten Testament und in der Geschichte der Menschheit: Hier die Industrialisierung mit ihrer Verzweckung der Umwelt und da Franz von Assisi, der die Schwester und Mutter Erde lobt.
In der Offenbarung des Johannes ist die Warnung vor der Ausbeutung der Erde jedoch immer mit dem Blick auf das Ende verbunden. Die Erde und alle Menschen werden ganz beherrscht sein von Gott und es kommen ein neuer Himmel und eine neue Erde. Das „Siegel auf der Stirn" besiegelt den ganzen Menschen mit all seinem Fühlen und Denken. Der Mensch ist ganz in Gott. Unser Verhalten zur Natur ist dabei nur ein Durchgangsstadium, das von seinem herrlichen Ende der gesamten Schöpfung bei Gott überstrahlt wird und jetzt schon erleuchtet ist.
Also, bei allem Engagement für unsere Umwelt, bleibt friedlich! Lasst euch nicht zu Extremismus hinreißen und bleibt in der immer größeren Liebe Gottes. So oder ähnlich könnte man nachhaltiges Handeln in der endzeitlichen Perspektive der Johannesoffenbarung zusammenfassen.
Der zweite Stolperstein des Textes ist das Blut, das weißwäscht. Jede und jeder weiß, dass Blut rot ist und Stoff rot färbt. Wer schon mal einen Blutfleck auf dem Hemd oder der Bluse hatte, der weiß, wie hartnäckig sich dieser Fleck im Gewebe hält. Nun wäschst aber das Blut des Lammes weiß.
In der Farbenlehre des antiken Menschen war Weiß die Farbe der Unschuld und bis heute hat sich beim Brautkleid diese Farbsymbolik erhalten, selbst wenn die Braut damit eine andere Unschuld zum Ausdruck bringen möchte als die sexuelle. Weiß gewaschen werden bedeutet eine Tiefenreinigung, die weit über Sauberkeit hinaus geht. Es ist die Reinigung der Seele. Das Blut des Lammes ist das Blut Jesu, mit dem er unsere Schuld abgewaschen hat. Durch seine Auferstehung hat er unsere Versuche und unser Scheitern, unsere schlechten Absichten und gescheiterten Hoffnungen in den Prozess mit aufgenommen, an dessen Ende die Vollendung durch Gott steht. In der Formulierung mit dem Blut, das weißwäscht, hallt die scheinbare Unmöglichkeit dieser Vollendung wider.
2. Lesung: 1 Joh 3,1-3
Es gibt viele psychische Krankheiten, die ihre Ursache in einer gescheiterten Mutter- Kind-Bindung haben und jede Mutter – heute auch viele Väter – kennen die Angst, dem Kind nicht genug Zuwendung zu schenken. Zu wenig Liebe kann Folgen für die Bindungsfähigkeit des Kindes haben. Zu viel Liebe kann Kinder jedoch auch einengen und ihre eigenständige Entwicklung behindern. Das richtige Maß der Zuwendung zum Kind ist entscheidend. Wie es zu finden ist, ist Thema in unzähligen Erziehungsratgebern.
Wie beruhigend ist es doch für alle Eltern, wenn sie im Johannesevangelium lesen, dass ihre Kinder nicht allein ihre Kinder sind, sondern auch die Kinder Gottes und dass sie nicht krampfhaft das richtige Maß an Liebe suchen müssen, sondern das sie und ihre Kinder schon immer von Gott geliebt sind. Diese Maß der Liebe ist ein göttliches Maß. Es ist mit unserer schwachen Kraft zu Lieben nicht zu vergleichen. Sie umfasst alle Menschen. Deshalb sind wir alle zuerst einmal Geliebte, egal, ob unsere Eltern uns zu viel oder zu wenig lieben oder geliebt haben.
Nachhaltige Erziehung ist eine Erziehung, die nicht angestrengt dauernd das richtige Maß an Zuwendung austariert, sondern sich darauf verlassen kann, dass die Liebe Gottes immer das eigene Maß an Liebe auffüllt. Unsere immer zu schwache Liebe wird eines Tages bei Gott vollendet und dann werden wir Gott ähnlich. Bis dahin tun wir unser Bestes in Sachen Erziehung und im Umgang mit den Anderen insgesamt. Als Geliebte können wir einfach lieben – und dann tun was wir wollen.
Evangelium: Mt 5,1-12a
Sie alle sind selig, die Armen, die Trauernden, die Sanftmütigen. Selig, das heißt sie werden bei Gott sein und seine Vollendung erfahren. Gerade die, die auch in unserer Welt so große Defizite haben, denen das meiste fehlt, sie sind selig, die Armen, Trauernden, Hungernden, Verfolgten. Die Seligkeit als Ausgleich für erlittenes Leid. Seligkeit als Wiedergutmachung.
Aber auch die anderen, die Sanftmütigen, die Barmherzigen und Friedensstifter sind selig in Jesu Weltsicht. Ihnen fehlt nichts, aber sie bauen am Reich Gottes, das Jesus als sein Lebenswerk bezeichnet. Immer wieder beschreibt er es in seinen Gleichnissen und lässt es in seinen Taten aufscheinen.
Andersherum: Alle, die jetzt schon meinen, alles zu haben, denen ihrer Ansicht nach nichts fehlt, sie alle werden in den Seligpreisungen Jesu nicht erwähnt. Ob sie von der Seligkeit ausgeschlossen sind, davon spricht Jesus nicht. Auch die, die hartherzig, kriegerisch und im Herzen unrein sind, von denen spricht Jesus nicht, ihnen sagt er nichts zu. Was ihnen angesichts der Seligkeit bei Gott passiert, darüber schweigt der Text. Wer sich ein Leben bei Gott sichern will, der muss nicht leiden in dieser Welt. Er oder sie müssen aber barmherzig, sanftmütig, friedvoll und reines Herzens sein. Auf die lange Sicht, die auch mit einem Leben nach dem Tod rechnet, sind das die Skills, die uns Menschen zur Vollendung führen.
Eckard Raabe, Rottenburg a. N.