Allerheiligen

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Offb 7, 2-4.9-14 1 Joh 3, 1-3 Mt 5, 1-12a

Die Autoren führen hier ihre Gedanken vor allem zum Evangelium aus, die sie im Hinblick auf nachhaltiges und erfülltes Leben aus der Botschaft Jesu für ihren Alltag in einer Zeit interpretieren, die sehr schnell ist und uns Menschen vor allem geistig herausfordert, manchmal auch erschöpft. Die Frage: Wie kann man sein Leben auch heute noch „jesuanisch" leben, um damit durch den Alltag und auch durch Krisen zu kommen, stehen als Ausgangspunkt. Damit in engem Zusammenhang ist die Suche nach einem Maßstab, der das Leben gelingen lässt und uns damit auch auf Dauer erfüllt.

Stellung im Kirchenjahr

Immer wieder drängt sich uns im Gespräch miteinander die Frage auf, wo die großen christlichen Menschen unserer Zeit sind. Nachdem Vorbilder, wie Frère Roger Schütz (Taizè) und Mutter Theresa gestorben sind, fallen uns die vielen heilig gesprochenen Glaubenszeugen der Kirchengeschichte in den Blick. Es lohnt sich die ein oder andere spannende Lebensbiographie zu studieren und die Brüche und Highlights der ehelos lebenden Heiligen zu durchforsten. Das alles bringt uns in der Frage nach den großen, christlichen Menschen unserer Zeit nicht weiter und darüber hinaus fehlt es bei den „Kirchenheiligen" auch an Vorbildern im Blick auf ein Leben in Partnerschaft, Ehe und Welt. So lohnt sich dann ein Augenmerk auf die unscheinbaren „Alltagsheiligen" zu werfen, um die es heute am Fest Allerheiligen auch geht und der Frage nachzugehen, was macht mein Leben heilig.

Die Seligpreisungen – eine geniale Beschreibung von Lebenshaltungen, um schon heute erfüllt durch die Welt zu gehen

Ja, wir haben sie schon oft gehört die Worte Jesus: Selig, die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden ....

Und ehrlich gesagt, meist sind sie durch die Ohren gezogen ohne einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Sie gar als die Meilensteine für den persönlichen Lebensweg zu sehen, scheint befremdlich. Eigentlich könnte man meinen, sie seien für eine ganz andere Welt und einen Zuhörerkreis gesprochen worden, den es heute gar nicht mehr gibt. Vermodert, altbacken, für mich heute unrelevant!

Gerade die Eingangsworte machen es für uns schwierig, die Seligpreisungen als lebenswichtig anzunehmen: „Selig, die arm sind vor Gott". Aha! Für Arme hat Jesus seine große Rede gehalten, da kann er uns ja nicht meinen. Schaut man nach anderen Übersetzungen dieser Eingangsworte, wird man z.B. bei Carl Friedrich von Weizäcker auch nicht glücklicher, wenn er da übersetzt: „Selig sind die Bettelmönche" oder sein Urenkel Carl von Weizäcker es dann anders versucht mit: „Selig die Armen im Geist, denn ihr ist das Reich der Himmel". Schon will man die Bücher zuklappen und endgültig aufgeben – doch zu früh! Genau wie im wirklichen Leben gilt es mit Geduld und Ausdauer weiterzugehen. Und siehe da, nachhaltiges Leben erschließt sich bei einem Theologen unserer Zeit. Da ist einer, der nach einem erfahrungsreichen Leben, selbst geprägt durch dunkle Täler und interessante Pfade, es wagt sich frei zu machen und den Geist Jesu auf den Alltag herunterzubrechen. So übersetzt Meinrad Limbeck den Eingangssatz Jesu in – wie ich finde in genialer Weise – mit den Worten: „Selig, die es fertig bringen alles loszulassen." Der Schlüssel für eine aktuelle Auslegung ist gefunden. Das ist die Grundhaltung, die wir heute brauchen und die so unendlich schwer ist – alles loszulassen. (Limbeck, S. 72) Wenn Jesus uns dazu mit seinem ersten Satz auffordert, dann weiß er, dass wir nur im Loslassen einen Zugang zum Göttlichen finden. Eigentlich wissen wir ganz tief in uns, dass wir solche „lohnenden Verhaltensweisen" brauchen. Nicht umsonst haben die fernöstlichen Religione n, die das Loslassen ganz stark propagieren einen deutlichen Zulauf und finden viele in Yoga und Meditation Möglichkeiten, die ihnen helfen die vielen Gedanken still werden zu lassen, um wieder zur inneren Ruhe zu finden. Denn wie schon Meister Eckhart es treffend formuliert: Gott ist in uns daheim, wir sind in der Fremde.

Mit dieser starken Umschreibung im Sinne des Matthäus von Meinrad Limbeck tut sich eine Tür auf und das was sich weiter dahinter verbirgt ist genauso brandaktuell. So übersetzt er weiter:
„Selig, die es aushalten, dass sie betroffen werden.
Selig, die niemandem zur Last fallen und die ihre Ziele nicht mit Gewalt verfolgen.
Selig, die Verlangen haben nach der Gerechtigkeit!
Selig, die das Recht barmherzig anwenden!
Selig, die keine böse Absicht haben!
Selig, die zwischen verfeindeten Menschen Frieden schaffen!
Selig, die verfolgt werden, weil sie gerecht handeln!
Selig, die nur deshalb als Außenseiter beschimpft werden,
weil es ihnen nicht genügt, nur Christen zu heißen, ohne wirklich meine Jünger zu sein!" (Limbeck, S. 72)

Wer zu solchem Handeln bereit ist - so schreibt Limbeck – dem gilt eine doppelte Verheißung: „Wer es fertig bringt, alles loszulassen und gerecht zu handeln, der wird dafür schon hier auf Erden ‚mit dem Himmel' belohnt." (Limbeck, S. 73) Wie wird man wohl mit dem Himmel belohnt? Dass es keine materielle Belohnung ist, scheint sofort klar. Meint es vielleicht den inneren Frieden, nach dem wir Menschen wohl alle auf irgend eine Weise suchen? Dann ist Jesu Botschaft ja fast zu einfach. Aber liegt darin nicht gerade das beeindruckende? Wenn wir uns dann auf den Weg machen, merken wir bald, dass es einfach, fast zu einfach für unseren Geist ist, aber es in die Tat umzusetzen, dazu braucht es die Stärke eines Alltagsheiligen. Die innere – letztendlich nachhaltige - Erfüllung, die in kleinen, so gelebten Wegetappen liegt, lässt einem fast von allein weiter danach streben.

Joh 3,1-3

In der Kraft der Liebe Gottes „jetzt!" leben. Johannes betont das Fundament, („wir sind Kinder Gottes") auf dem unser Leben steht, um die Zukunft – das auf uns Zu-kommende - zu erahnen. „Kind Gottes sein" heißt, von seiner Liebe beschenkt, ja geprägt zu sein und sie deshalb im Alltag selbst zu leben. „Die Welt erkennt uns nicht" (V 1) – weil die Liebe: die Sanftmütigkeit, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Frieden (s. Seligpreisungen) in unserer Leistungsgesellschaft keine Anerkennung findet. Doch wenn wir leben, was wir bereits sind, finden wir zu uns selbst, entdecken wir den göttlichen Kern in uns und werden von Gott geheiligt.

Offenbarung 7, 2-4.9-14

Inmitten der Unterdrückung, der Angst und Dunkelheit, der Gewalt und des Untergangs schaut Johannes ein Licht und sieht den Zug des Lebens der Geretteten. Inmitten des Lebens voller Bedrängnis und menschlicher Macht erkennt er Gottes Schutz und göttliche Lebensmacht für die Glaubenden. Inmitten der Angst und Hoffnungslosigkeit dieser Welt findet Johannes Zuversicht und Hoffnung für die in Gottes Licht Lebenden. Johannes will mit seinen Visionen seinen Zeitgenossen Mut machen im Glauben treu zu bleiben und in Gottes Liebe zu leben – trotz aller Bedrängnis, trotz aller alltäglichen Anfechtungen, trotz aller Anfeindungen. Nicht Flucht, nicht Vertröstung, nicht einknicken sollen die Christen und damit auch wir, wenn die Katastrophen des Lebens uns überrollen wollen. Gott selbst drückt unserem Leben sein Siegel auf, was „eine bestimmte Weise des Lebens-in Geschichte" bedeutet. Getragen von der Sehnsucht nach einer gerechten Welt – nicht umsonst greift M.L. King bei seiner bekannten Rede „I have a dream" auf Bilder der Apokalypse zurück, nicht umsonst schöpfen die Christen in Lateinamerika aus gerade diesem Buch Kraft für ihr christliches Engagement – verwirklichen sie eine Lebensweise gegenüber der permanenten „ökonomischen, politischen, sozialen, kulturellen und religiösen Bedrängnis", die ihre Kraft aus dem Wort Gottes schöpft (vgl. Seligpreisungen) und ganz aus seiner Liebe (vgl. Joh 3) lebt. Denn von ihm allein kommt unsere Rettung (V10), wird unser Leben geheiligt und bringt so die Mächtigen zu Fall.

Katja Brüstle-Kohler und Robert Kohler

Literatur:

Limbeck, Meinrad, Matthäusevangelium. Stuttgarter Kleiner Kommentar, Stuttgart 1986
Schüssler Fiorenza, Das Buch der Offenbarung, Vision einer gerechten Welt, Stuttgart 1994
Pablo Richard, Apokalypse, Das buch von Hoffnung und Widerstand, Luzern 1996