Altjahrsabend / Silvester (31.12.20)

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Altjahrsabend / Silvester 2020


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. Evangelium
2. Mose 13,20-22 1 Joh 2, 18-21
Hl. Silvester I: Ez 34, 11-16
Joh 1, 1-18
Hl. Silv.: Mt 16, 13-19

IMG 20200612 114306 300Die Autorin bearbeitet alle fĂŒnf Texte. Sie bietet keinen RĂŒckblick auf das vergangene Jahr. Die Hoffnungsbotschaft der Texte soll gepredigt werden. Mit ihr sind nachhaltige VerĂ€nderungen in der Gegenwart und fĂŒr die Zukunft möglich.

Exodus 13, 20-22

Exegetische Hinweise

„In den dramatischen ErzĂ€hlungen...geht es vor allem um die Gottesbegegnung, den Glauben und das praktische Leben der spĂ€teren Gemeinde. Wie kann Israel sich stets neu der richtigen Gottesverehrung und LebensfĂŒhrung vergewissern?... Das ganze Buch ist ein aufregender Versuch, die geistliche Geschichte Altisraels im Rahmen von immer neuen AufbrĂŒchen auf der Suche nach der gerechten Gemeinschaft zu erfassen. Es hat bis in die neuere Geschichte (Befreiungstheologie in der Dritten Welt) erstaunlich krĂ€ftig nachgewirkt.“

(s. Bibel in gerechter Sprache (BigS), 2006, S. 116, Exodus. Das zweite Buch der Tora. S.a. Kompendium, Feminist. Bibelauslegung, 2. Auflage S. 514 f.)

Predigtimpulse

Das Jahr 2020 ist geprĂ€gt von Erfahrungen mit der Corona-Pandemie. Eine solche weltweite Krise ist eine große Herausforderung und auch eine Chance. Wie soll, wie kann das Leben auf diesem Planeten, in unseren Gesellschaften und Familien weitergehen? ZurĂŒck zur gewesenen „NormalitĂ€t“? Alt-Israel konnte nicht mehr zu den „Fleischtöpfen Ägyptens“ zurĂŒck. Verunsicherung machte sich breit, ja Rebellion gegen diese unsichtbare Gottheit „Ich-bin-da“ (Exod. 3,14). Doch „Ich-bin-da“ geht voraus in die ungewisse Zukunft. Ängste kommen auf, doch Wolken- und FeuersĂ€ule zeigen die Richtung an. „Ich-bin-da“ sorgt immer wieder fĂŒr positive Überraschungen, gerade in Krisenzeiten.

Bezug zur Nachhaltigkeit

Ausschau halten nach Signalen, die Perspektiven zum Leben bieten. Die EKD veröffentlichte am 30. April 2020 die ErklĂ€rung „ZukunftsfĂ€higer Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft nach dem Lock Down“. Es geht darum, „den Kairos zu nutzen, um herauszufinden, wie die Ökonomien und Gesellschaften resilienter und nachhaltiger gestaltet werden können. Dazu gehört z.B. eine Priorisierung des Gesundheitswesens, ein bewusster RĂŒckbau der Globalisierung durch den Erhalt und Wiederaufbau nationaler und regionaler ProduktkapazitĂ€ten und ein konsequenter ökologischer Umbau der Wirtschaft ... Ein PrĂŒfstein fĂŒr die Milliarden schweren Rettungspakete sollte deshalb deren Beitrag zu einem zukunftsfĂ€higen Umbau der Wirtschaft sein”. Es folgen Kriterien.

1 Joh 2, 18-21

Exegetische Hinweise

Schwerpunkte des anonymen „Briefes“ sind: Liebe, Gerechtigkeit, Gemeinschaft und SĂŒnde. FĂŒr 1. Joh. lĂŒgen alle, die sich fĂŒr sĂŒndlos halten (1,8ff). Maßstab fĂŒr die Liebe, in der Christus prĂ€sent ist, ist das Halten der Gebote. Alle, die Gerechtigkeit „machen“, zĂ€hlen zu den Kindern Gottes (2,29). Die Geistgabe hilft dazu. Verbindend fĂŒr alle wird am Bekenntnis zu Christus festgehalten. So entsteht Gemeinschaft in der Liebe. Wer diesen Grundkonsens verlĂ€sst, sĂŒndigt, wird als 'Antichrist' bezeichnet und somit als prophetisches Zeichen der Endzeit gedeutet (2,18.22). Der Begriff kann mit den Pseudopropheten des Ersten Testaments in Verbindung gebracht werden (z. B. Jer. 14,14ff). SĂŒnde ist die Abkehr vom Christusbekenntnis. Sie wird nicht mit Strafen belegt (4,17-21), sondern der FĂŒrbitte ĂŒberantwortet (5,16).

S. Kompendium Feministische Bibelauslegung, 2. Auflage, Seite 709-714

Predigtimpuls

In der Predigt kann beispielhaft herausgearbeitet werden, wie die Liebe in Christus konkret wird. NĂ€mlich wo und wann immer Gerechtigkeit „gemacht“ wird und so neue Gemeinschaft entsteht. Krisenzeiten, wie die Chorona-Pandemie, werden zu Chancen, wenn wir nicht weitermachen wie bisher, sondern neu erproben, was das Bekenntnis zu Christus heute bedeutet und welche Herausforderungen es mit sich bringt z.B. an einer gerechteren Gemeinschaft mitzuarbeiten.

Bezug zur Nachhaltigkeit

Ein Beispiel zu gerechter Gemeinschaft: Über 20 bundesweit tĂ€tige Organisationen und VerbĂ€nde stellten im April 2020 Forderungen an Bundesregierung und Arbeitgeber*innen, die sich vor allem auf die Situation von Frauen beziehen. “Wann, wenn nicht jetzt zeigt sich, welches die Jobs sind, die das Überleben sichern und die unter Bedingungen der Corona-Pandemie als systemrelevant gelten. Es sind Kranken- und Altenpfleger*innen, VerkĂ€ufer*innen, Arzthelfer*-innen, Erzieher*innen und alle, deren Arbeit in der Öffentlichkeit gar nicht wahrgenommen wird. Menschen, die in den KĂŒchen, den WĂ€schereien, in der Verwaltung der KrankenhĂ€user und Pflegeeinrichtungen und in den Rettungsdiensten u.a.m. arbeiten. Sie halten den Laden am Laufen und das, obwohl sie sich tagtĂ€glich einer erhöhten Ansteckungsgefahr aussetzen. Es sind die sogenannten „Frauenberufe“, die in Deutschland schlecht bezahlt und hĂ€ufig unter schwierigen Arbeitsbedingungen erledigt werden. Gesellschaftlich notwendige Arbeit muss jetzt und fĂŒr die Zukunft neu bewertet werden...”

Ganzer Text bei www.ekd.de/chancengleichheit

Johannes 1, 1-18

Exegetische Hinweise

Im Prolog des Johannes-Evangeliums wurde ein Lied an die Weisheit (sophia) auf Jesus ĂŒbertragen. Die Übersetzung des griechische Begriffs Logos mit “Wort” ist unzureichend. Logos bezeichnet neben pneuma den göttlichen Geist, eine eher mĂ€nnlich gedachte Wesenheit Gottes, welche an die Stelle der weiblichen sophia, der Weisheit, tritt.1) Die Bibel in gerechter Sprache ĂŒbertrĂ€gt 1,1-18 zurĂŒck mit dem Hinweis auf Gen. 1,1; Spr. 8,22-31; Sir 24,9: Am Anfang war die Weisheit und die Weisheit war bei Gott und die Weisheit war wie Gott...(1,1ff):2)

1) S. Kompendium Feministische Bibelauslegung, 2. Auflage, Seite S 710
2) Bibel in gerechter Sprache, Einleitung Johannesevangelium

Predigtimpulse

Christus als die "Göttliche Weisheit" oder “Logos des Lebens” (1,4) erleuchtet unsere Welt. Die Schattenseiten treten deutlich hervor. Wir sind als Christ*innen vor Herausforderungen gestellt. Nicht erst die Corona-Krise, schon die ErderwĂ€rmung, das Artensterben und der Turbo-Kapitalismus drĂ€ngen uns die Frage auf, wie wir in Zukunft auf dieserm Planeten leben wollen. Was zĂ€hlt? Was erweist sich im Licht Christi als lebensfördernd? Logos oder Weisheit ist die schöpferische, lebenserhaltende Gotteskraft. Christ*innen können sie in Vollmacht (1,12) einer Logik der Macht entgegensetzen.

Bezug zur Nachhaltigkeit

Ein Beispiel: ĂŒber 2.000 BĂŒrgerinnen und BĂŒrgern unterzeichneten am 8. Mai 2020, dem Tag der Befreiung (75 Jahre seit Ende des 2. Weltkriegs), den Aufruf in der SĂŒdddeutschen Zeitung “AbrĂŒsten statt aufrĂŒsten”. Ein Auszug: “Wer den Frieden will, muss fĂŒr den Frieden kĂ€mpfen. Die hĂ€ufig zu hörende Forderung, Europa mĂŒsse die „Sprache der Macht“ (MĂŒnchner Sicherheitskonferenz) lernen und seine militĂ€rischen FĂ€higkeiten ausbauen, ist falsch. ... Wir brauchen vielmehr eine Zivilisierung der sozialen, ökologischen und ökonomischen Konflikte. Andernfalls kehren die Gespenster der Vergangenheit zurĂŒck, die nur Tod und Zerstörung mit sich bringen.”

s. www.abruesten.jetzt/8-Mai-TagDerFreiung_SZ_08_05_20.pdf

Es geht zurzeit um die Anschaffung neuer, atomar bestĂŒckbarer Kampfjets fĂŒr die Bundeswehr. Eine Milliardenausgabe. Geld das fĂŒr prĂ€ventive KrisenbewĂ€ltigung und auch fĂŒr Pflege, Erziehung und Bildung fehlt.

Ez. 34, 12–16

Exegetische Hinweise

Ez. 34 gehört zu den Heilsworten des Propheten (Ez 25-39) und richtet sich an die “Verlorenen, Verirrten, Gebrochenen und Schwachen” (34,16). Wie Schafe werden sie auf die gute Weide gebracht (34,14). Gott selbst verspricht: “ich berge sie, fĂŒhre sie heraus” (34, 12-15). Ezekiel eröffnet mitten im politischen, wirtschaftlichen und persönlichen Desaster eine Zukunftsperspektive, gibt Hoffnung. Psalm 23 klingt an. Evangelientexte nehmen das Thema verĂ€ndert auf (Lk 15,1-10; Joh. 10; Lk 4,18).

Predigtimpulse

Das von Ez beschriebene “Weiden” möchte ich mit zwei Punkten in Verbindung bringen. Der eine ist das neue Schlagwort “systemrelevant”, das mit dem Lockdown der Corona-Pandemie (MĂ€rz 2020) aufkam. Der andere: Die OeRK-Arbeit fĂŒr eine “Ökonomie des Lebens”. Die Maxime des schnellen Profits der “Hirt*innen” muss nicht nur hinterfragt, sondern in ein Wohlergehen fĂŒr alle umgestaltet werden (OeRK-Seminar August 2020 in Taipeh).

Bezug zur Nachhaltigkeit

Das VernachlĂ€ssigen “der Schafe” fĂŒhrt im 21. Jh. zur globalen Katastrophe. Es ist wichtig, dass die Kirchen dabei sind, nach einer “Ökonomie des Lebens” zu suchen und diese zusammen mit Menschen aus der Wirtschaft zu entwickeln. Das Evangelium kann sich mit seiner Befreiungs- und Hoffnungsbotschaft dem Mainstream des Profits und der zerstörenden Machtanmaßung nachhaltig entgegenstellen (OeRK-Seminar August 2020 in Taipeh).

Matth. 16, 13–19

Exegetische Hinweise

Die Frage nach einer Rangordnung scheint von grundlegender Bedeutung fĂŒr die mattheischen Gemeinden. Sie sind der Ort, an dem anfangsweise Gottes Reich erfahren werden kann. Jesus beantwortet sie in 18,1ff, indem er ein Kind in den Mittelpunkt stellt. Jesus selbst ist Lehrer und Meister der Gemeinden. Unter seiner Leitung wird Geschwisterlichkeit möglich (23,6), weil er sich mit “den Kleinen” identifiziert (23,5). Es stellt sich die Frage, wie Matth. 16,13ff hierzu verhĂ€lt.

s. Kompendium Feministische Bibelauslegung, 2. Auflage, Seite S 491.

Predigtimpulse

Ein erster Impuls: Petrus spricht ein Bekenntnis stellvertretend fĂŒr die mattheischen Gemeinden, denen daraufhin Vollmacht und Verantwortung ĂŒbertragen wird. Ich ĂŒbertrage die Ausgangsfragen des Textes in V 13 und 15 so: Was bedeutet heutzutage ein Christusbekenntnis? Wie sieht es aus mit unserem Bekenntnis zu dem Christus an der Seite der “Kleinen” - als Gemeinde vor Ort, als Kirchen, als Christinnen und Christen?

Ein anderer Impuls: Ich möchte das “Bekenntnis der Martha” (Joh. 11, 27) mit seinem ganz anderen Erfahrungshintergrund in einen Dialog mit dem “Petrusbekenntnis” bringen; z.B. so, dass Martha und Petrus einander mitteilen, welche Erfahrungen zu ihren Bekenntnissen gefĂŒhrt haben und welche Konsequenzen das hatte.

Bezug zur Nachhaltigkeit

Gelebte Mit-Leidenschaft fĂŒr jene, die klein gemacht werden, die selbst keine Stimme haben, bis hin zu den Entwurzelten und Geflohenen, ist eine wesentliche Form unseres Christusbekenntnisses heute. Gelebte Mit-Leidenschaft (compassion), als Christusbekenntnis verstanden, wirkt sich in unseren Gemeinwesen z.B. in prĂ€ventiver KonfliktbewĂ€ltigung aus und trĂ€gt nachhaltig dazu bei, dass jede_r ihren/seinen Platz in der Kirche Jesu Christi und auch in einer demokratischen Gesellschaft findet.

Susanne KĂ€ser, Landau

Alle Bibelzitate nach Bibel in gerechter Sprache (BigS), 2006