1. Advent – Beginn des neuen Kirchenjahrs (hier 1.12.24; weitere Beiträge folgen)

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Mt 21, 1-11 Jer 33, 14-16 1 Thess 3, 12 - 4, 2 Lk 21, 25-28.34-36

Einordnung

Mit dem Beginn der Adventszeit beginnt ein neues Kirchenjahr. Ein Jahresanfang kann Anlass sein, zurückzublicken und sich für das nächste Jahr (neu) auszurichten. Im liturgischen Kontext hat die Adventszeit einen doppelten Charakter: Sie ist einerseits Vorbereitung auf das Weihnachtsfest, an dem Christen die Ankunft des Gottessohnes auf der Erde feiern. Gleichzeitig blicken Christen auf die zweite Ankunft des Messias am Ende der Zeiten. Dieser doppelte Charakter wird auch in den Texten der Leseordnung deutlich.

Im Kalender der Gedenk- und Aktionstage 2024 ist für den 1.12. der Welt-AIDS-Tag vermerkt. Am 2.12. ist der Tag für die Abschaffung der Sklaverei und am 3.12. der Tag der Menschen mit Behinderung. Gleichzeitig ist der 3.12. auch der Aktionstag „Dach-über-dem-Kopf“. Die Texte können auch in diesem Kontext gegen Ausgrenzung, für Gerechtigkeit und für ein gutes Miteinander gelesen werden.

Mt 21,1-11

Die Erzählung vom Einzug in Jerusalem steht am Beginn der Schilderung von Jesu Schicksal in Jerusalem. Es bildet den jubelnden Auftakt der Geschichte, die mit dem Tod Jesu am Kreuz (vorläufig) endet. Vom „Hosanna“ zum „Kreuzige ihn“ sind es nur wenige Kapitel.

Im Text wird deutlich: Jesus spricht mit Vollmacht. Niemand hält die Jünger auf, als sie die Eselin losbinden. Die ganze Stadt fragt sich beim Einzug, wer dieser Mensch ist. Der Evangelist weist darauf hin, dass mit dem Einzug auf einer Eselin die Prophezeiung des Sacharja (Sach 9,9) erfüllt, die den Friedenskönig für alle Völker ankündigt und identifiziert so Jesus (wiederum) als Messias.

Einen größeren Gegensatz zu einem Auftritt mit Streitwagen oder pompöser Sänfte kann es kaum geben: Da reitet einer auf einer Eselin. Er hält keine Militärparaden ab zum Beweis seiner Macht, sondern kommt bescheiden daher. Die Wirkung ist um so größer, denn sie bewegt die Herzen der Menschen. Es ist keine angeordnete Parade, sondern spontaner Jubel der Menschen, die in ihrem Herzen spüren, dass etwas Außergewöhnliches passiert. Diese Zustimmung erreicht der „König“ Jerusalems nicht mit Machtgehabe und Verbreitung von Angst, sondern durch Sanftmütigkeit und Menschennähe. – Solche Herrscher sind wirklich ein Grund zum Jubeln! Der Verzicht auf Status und Machtgehabe soll auch den Christen Vorbild sein.[1]

Jer 33,14-16

Die Botschaft Jeremias richtet sich an das Volk im Exil. Das Kapitel 33 gehört zur sog. „Trostrolle“ – einer Sammlung von Trostworten und Heilszusagen. Mitten in der ausweglosen Lage des Exils, nach Zerstörung und Tod kommt hier die Hoffnung zum Ausdruck, dass das Unheil nicht das Ende ist; es gibt Zukunft („Tage kommen“, V 14). Gottes Zusage, einen „gerechten Spross“ aufkeimen zu lassen, der „Recht und Gerechtigkeit“ wirkt (V15), tröstet und schenkt Zuversicht.

Gleichzeitig wird dadurch unterstrichen, dass jetzt noch Ungerechtigkeit und Unrecht herrschen. Je mehr Recht und Gerechtigkeit umgesetzt werden, umso mehr wird Gottes Reich Wirklichkeit.

Gerechtigkeit als zentraler Begriff einer verheißenen Zukunft kann hier aufgegriffen werden als Trost und Verheißung für die Gemeinde heute. Daneben gilt aber auch die Aufforderung, selbst etwas zu tun. Christen sollen sich für ein friedliches und solidarisches Miteinander „in Liebe“ einsetzen (vgl. 2. Lesung: 1 Thess 3,12).

1 Thess 3,12-4,2

Der Thessalonicherbrief geht davon aus, dass die Wiederkunft Christi nahe bevorsteht. In dieser Endzeit ermahnt Paulus die junge Gemeinde, am Glauben festzuhalten und weiter gut zu handeln und rechtschaffen zu leben – innerhalb der Gemeinde und auch Außenstehenden gegenüber. Die Liebe untereinander und „zu allen“ (3,12) soll nicht nur der Heiligung der einzelnen dienen, sondern auch „die Herzen stärken“.

Die Gemeinde soll einander bestärken – ein guter Gedanke auch für die Gemeinde heute. Während die Krisen unserer Zeit vielen Menschen zunehmende Sorgen bereiten, kann die Gemeinde ein Ort des Trostes und der Hoffnung sein. Damit das funktionieren kann, müssen sich Christen immer wieder den Mitmenschen zuwenden und ihnen offen begegnen. Dazu gehört heutzutage auch, Hass und Hetze zu widersprechen und dafür zu sorgen, dass nicht Nörgelei und Besserwisserei die Oberhand gewinnen, sondern konstruktive Mitarbeit und wohlwollende Kritik dazu beitragen, den Frieden in der Gesellschaft zu wahren.

Evangelium Lk 21,25-28.34-36

Der Abschnitt steht unmittelbar vor der Erzählung von Passion und Auferstehung Jesu und stammt aus einem längeren Abschnitt mit Beschreibungen der Endzeit. Jesus gibt seinen Jüngern Hinweise, womit sich das Ende der Zeiten ankündigt. Er ermahnt sie, dem Ende wachsam entgegenzugehen, damit sie vorbereitet vor den wiederkommenden Menschensohn treten können (Bezug zur 2. Lesung!)

Die Zeichen der Endzeit – die schon in vielen Jahrhunderten scheinbar sichtbar waren – sollen die Jünger aber nicht „bestürzt und ratlos“ werden lassen. Stattdessen sollen sie ihr Haupt erheben und sich auf die Erlösung freuen.

Auch hier legt sich ein Bezug zu Krisen und Kriegen unserer Tage nahe. Anders als Greta Thunberg vor einigen Jahren gefordert hat, sollen Christen nicht panisch werden. Aber sie sollen wach und aufmerksam sein (vgl. V 34). Christen sollen wachen und beten (V 36). Angesichts der Ohnmacht, die viele Menschen angesichts der vielen Krisen und Katastrophen zunehmend empfinden, ist das eine konkrete, umsetzbare Handlungsaufforderung. Wachsam sein und beten – gerade auch wenn sonst niemand das tut – ist die Aufgabe der Christen. Sie halten damit die Gewissheit wach, dass sogar im schlimmsten Fall die Erde nicht einfach verpufft, sondern aufgehoben ist in der Schöpfung Gottes, die nicht vergeht. Noch nicht einmal wenn die Zeit endet, endet die Geschichte Gottes mit seinem Volk. Wie sonst könnten die Menschen dann vor den wiedergekommenen Herrn treten?

„Die Menschen werden vor Angst vergehen“ und die Christen beten – das könnte mancher als zynisch empfinden. Hirnphysiologisch ist es durchaus sinnvoll, denn die Hirnregion,  die wir zum Singen brauchen, ist auch bei Angst aktiv. Wer also singt (und wer singt, betet bekanntlich doppelt), blockiert gleichzeitig die Angst.

Eva Reuter, Bistum Mainz

[1] Hier wäre z.B. ein Bezug zum Dach-über-dem-Kopf-Tag oder dem Tag gegen Sklaverei denkbar.