Buß- und Bettag
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Lk 13, (1-5) 6-9 | 2 Makk 7, 1.20-31 |
Vorbemerkung
Der Buß und Bettag entstammt einer evangelischen Tradition, die bei der sog. Eisenacher Konferenz evangelischer Kirchenleitung 1853 und 1878 mit diesem späteren Feiertag befasst hat. Schließlich stimmte man der Einführung zu, die seit 1893 von den meisten evangelischen Landeskirchen übernommen worden ist. Dieser Tag wird am Mittwoch vor dem letzten Sonntag im Kirchenjahr begangen.
Die Zielsetzung des Buß- und Bettag ist nicht die persönliche Umkehr des einzelnen, sondern die Haltungsänderung eines ganzen Volkes.
Liturgische Texte: 2 Makk 7 und Lk 13
Beide biblischen Texte verweisen auf die Tätigkeit Gottes bzw. seines Sohnes als Richter bzw. auf das Versprechen Gottes, seinem Volke treu zu sein und zu bleiben, über alle Zeit und Ewigkeit und sich daran zu halten. Im Makkabäer Buch wird eschatologische Hoffnung beschrieben.
Die Bedrängnis der Zeiten waren groß, das Volk Gottes versprengt und aufgelöst. Die Kraft zur Gestaltung von Kultur und Gesellschaft nach den Grundsätzen der Weisungen Jahwes war genommen und geraubt. Die sprengende Kraft des Namen Gottes im öffentlichen Bekennen war erloschen zu einer kleinen Flamme, die im wirksamen und daran festhaltenden Bekenntnis zu Jahwe verinnerlicht worden ist. Dieses Bekenntnis gab Menschen Kraft, sich nicht mit dem abzufinden, was war und gestalterische Kräfte zur Veränderung und zur Hoffnung selbst in den ärgsten Widersprüchen des Lebens zu sammeln.
Die Glaubensgeschichte des Lukas verweist darauf, dass es nicht einfach gewesen ist, für die ersten Christen und Christengemeinden, sich innerhalb ihrer kleinen Gemeinschaft ganz und gar auf die Nachfolge Jesu einzulassen und ihre Spannungen und Zweifel auszuhalten und nach außen hin das zu verkünden, was Jesus verkündet und bezeugt hat.
Der Rahmen für die ChristInnen und ihre Gemeinden war ganz anders im Vergleich zu unseren Tagen.
Christen galten als Sektierer, die verfolgt und bedroht wurden, die MärtyrerInnen hervorbrachten: Menschen, die rigoros nicht bereit waren, den römischen Kaiser, in dessen großem Reich sie lebten, als Gottkönig anzuerkennen und zu verehren – neben dem dreifaltigen Gott, den Jesus verkündet und bezeugt hatte.
Da waren den ChristInnen harte Bandagen auferlegt, Benachteiligungen und ständiges Leben in Angst und in Verfolgung und christliches Leben unerkannt im Untergrund.
Da ist es verständlich, dass dieses harte Nachfolgeleben zuerst Getaufte nicht länger aushalten wollten und konnten und die Gruppe verließen, oder/ und gar schlecht und die anderen ChristInnen benachteiligend, verratend und beschämend über sie redeten und den Widersachern auslieferten.
Diese Erfahrungen kommen in den beiden Texten zum Ausdruck und vor allem auch eine starke Ideologisierung derjenigen, die auswichen, die Kompromisse suchten und die sich nicht an die harten Ausprägungen in der Nachfolge hielten.
„Haut sie um – und wartet ab, gebt ihnen Spielraum, Freiheit zur Besinnung und Umkehr von einem falschen Weg.“
Es tritt sehr stark die Erfahrung zu Tage, dass auch ChristInnen sich schwer taten mit den radikalen Forderungen, die auf Jesus zurückgehen – wie sie etwa in der Bergpredigt (Gemeinde des Matthäus) oder der Feldrede (Gemeinde des Lukas) zum Ausdruck kommen und in den sog. Werken der Barmherzigkeit, die zu Kriterien für ChristInnen und Gemeinden geworden sind, inwieweit sie wirklich in der Nachfolge Jesu stehen.
Angesichts des Buß – und Bettags als Tag des kollektiven Innehaltens einer Gesellschaft, von ChristInnen vor Gott stellen sich Fragen:
- setzen wir in unseren Gemeinden die richtigen Akzente, schauen wir aus der Perspektive der Option für die Armen auch in unsere gesellschaftlichen Realitäten und Bedingungen und stehen gerade dem Armen zur Seite und ermutigen ihn zu neuen Schritten und unterstützen ihn dabei?
- wie gehen wir in unserer Gesellschaft mit Versagern und Scheitern im kapitalistischen Gesellschaftssystem um und mit Versagen und Scheitern von Menschen in unseren Kirchen und in der Nachfolge Jesu?
- wo nehmen wir als Kirche in der Gesellschaft unsere Rolle als „prophetische Kraft“ wahr und weisen auf falsche Entwicklungen im Sozialen, im Demokratischen, im Umgang mit den Ressourcen der Natur und des Menschen hin? Sind wir wirklich nur „von dieser Welt“ oder lassen wir Hoffnung zu, die nicht allein in unseren Händen, Können und Macht steht?
In einem Bekenntnis von Friedrich Schorlemmer heißt es:
„Ich glaube dir -
Ich glaube Dir, Gott, Du Ursprung, Mitte und Ziel allen Lebens.
Du berufst mich zum Leben unter Lebendigen.
Du beschenkst mich mit Fähigkeiten… zu arbeiten und zu ruhen, zu verändern und zu bewahren.
Du lädst mich ein zur Partnerschaft mit Dir inmitten der mir vertrauten Welt.
Ich glaube Dir, Gott, Du bist geduldig, gnädig und von großer Güte.
Darum und nur darum verzweifle ich nicht, wenn ich die Erde ansehe,
die Du mir in die Hände gegeben hast.
Du behältst sie in den Händen. Das ist meine Hoffnung.
Darum, nur darum versinke ich nicht in Angst.
Ich danke Dir für alles, was Du mich in dieser Welt erleben lässt.
Ich glaube Dir, Menschensohn, wirklicher Mensch, Mensch aus Gott.
Jesus aus Nazareth. Dir glaube ich den Frieden.
Du hast ihn gelebt mitten im Streit. Du hast Dir nichts erspart
und Dir ist nichts erspart geblieben. …
An Dir sehe ich, dass Sanftmut nicht Schwäche, Demut nicht Unterwürfigkeit, Friedfertigkeit nicht Passivität ist.
Dir glaube ich den Anfang eines Lebens ohne Herrschaft….
Dir glaube ich den Ausstieg aus der Vergeltung. Dir glaube ich die Liebe zum Leben ohne den Anspruch auf Besitz. Dir glaube ich die Nähe zu den Schwachen ohne die Herablassung der Starken.
Dir glaube ich die Vergebung der Schuld ohne den Nachgeschmack der Bitterkeit.
Dir glaube ich das Leben, das durch den Tod hindurchgegangen ist….
Ich glaube Dir, erneuernder Geist, Geist der Brüderlichkeit und der Gerechtigkeit,
Geist der Wahrheit und Geist der Freiheit. Heiliger Geist, …
Ich glaube deine Gegenwart, aus der mir Zukunft erwächst,
einer Zukunft, die Raum lässt für alle.
Ich glaube Dich über Brot und Wein, geteilt, verteilt, verschenkt für jeden seinen Teil
Ich glaube Dir, verwandelnder Geist. …
Schöpferischer Geist, gestern heute morgen –aus Deinem Atem lebe ich.
Du lässt mich aufbrechen auf dein Reich hin….
Gott, heiliger Geist, der Du die Erde berührst an ihren Enden,
lass mich bleiben unter dem Regenbogen Deiner Güte.“
(Friedrich Schorlemmer, ev. Pfarrer, Menschrechtler, Glaubenbekennen bei m der Ökumenischen Versammlung Dresden 1988 in: ders. Klar sehen und doch hoffen, Berlin 2012, S.483 f)
Der Buß –und Bettag hat eben doch keinen antiquierten Beigeschmack.
Ich erinnere mich, dass es an diesem Tag in Mainz z.B. auf Einladung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau einen ökumenischen Bußgang zu einem amerikanischen Militärgebiet in Mainz gegeben hat, an dem u. a. Atomraketen für die Flugabwehr ständig bereit gehalten worden sind. Dort wurden in all den Jahren engagierte evangelische Gottesdienste unter katholischer Mitwirkung gefeiert, die politischen Widerspruch auslösten, d. h. Wirkung zeigten. Kirchen verkriechen sich nicht aus einer falsch verstandenen „Entweltlichung“ in ihren Häusern.
Josef Kolbeck, Gau-Algesheim