Christi Himmelfahrt 2023
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Lk 24,(44-49)50-53 | Apg 1, 1-11 | Eph 1, 17-23 | Mt 28, 16-20 |
Lk 24,(44-49)50-53
Die Himmelfahrt Christi ist im Lukasevangelium die Vollendung seines irdischen Lebens. Es geht hier aber nicht um den Rückzug aus einer als hoffnungslos böse gedachten Welt. Dieser „Aufstieg" ist auch nicht der krönende Abschluss einer Karriere, die Jesus in egoistischer Weise verfolgt hätte. Und Jesus ist auch kein Vorläufer derjenigen, die diesen Planeten in einem Raumschiff Richtung Himmel/Weltraum verlassen wollen, nachdem alle Ressourcen auf der Erde verbraucht sind. Es geht vielmehr darum, wie Gott auf neue Weise sich und den Menschen treu ist.
Die Kontinuität zeigt sich zum einen darin, dass Jesu Wirken von der „Schrift" (der Hebräischen Bibel) vorhergesagt worden ist – was die Jünger aber erst verstehen können, als Jesus es ihnen erklärt. Die zweite Kontinuität besteht in der Stadt Jerusalem. In der Stadt Davids, des Vorläufers Jesu, steht der Tempel – der Ort, den Gott gewählt hat als irdische Filiale, Botschaft, Außenstelle. In Jerusalem sollen sich die Jünger aufhalten, und im Tempel werden sie dann „allezeit" Gott loben. Da sollen sie erwarten, was Jesus in Gottes Namen vom Himmel senden wird: den Geist, „Kraft aus der Höhe".
Eine Predigt über diesen Text muss nicht darüber sinnieren, wo der „Himmel" ist und wie Jesus dorthin kommt. Der unfassbare Gott ist ganz konkret für uns auf Erden da - manchmal neu und ungewohnt, aber in Kontinuität zum Vorherigen. Gott ist nachhaltig.
Im Predigttext zeigt sich diese Nachhaltigkeit in der angesprochenen Kontinuität zum Judentum. Angesichts zunehmender antisemitischer Tendenzen in der heutigen Zeit ist das in einer Predigt durchaus erwähnenswert. Auch die Kontinuität des christlichen Glaubens bei allem Reformstress in der Kirche könnte in der Predigt vorkommen. Darüber hinaus gilt Gottes Treue der ganzen Erde.
Gottes Treue zeigt sich nicht in Starrheit, sondern in immer wieder Neuem. Wie die Jünger Jesus als „Leibhaftigen" verlieren, so müssen wir auch von manchem Liebgewohnten Abschied nehmen. Aber das gibt Raum für Neues, für Dynamik, für Ungewohntes. Auch die Entstehung und Entwicklung des Lebens kann so verstanden werden. Aus christlicher Sicht ist das Entstehen und Vergehen in der Natur kein Zufall, sondern es gehört zum schöpferischen Wirken Gottes.
Apg 1, 1-11
Für diesen Text gilt vieles, was für Lk 24 gesagt wurde, ebenfalls. Darüber hinaus wird in diesen Versen, als Beginn eines neuen Buches, der Blick in die nähere und fernere Zukunft geweitet. Die Erwartungen und Perspektiven der Jünger richten sich noch in den gewohnten Bahnen: sie erwarten, dass Jesus „das Reich für Israel" wiederherstellt. Jesus modifiziert diese Erwartung: er lenkt den Blick auf die Mitwirkung der Jünger selbst. „Ihr werdet meine Zeugen sein". Zeuge sein, heißt: in Tat und Wort mithelfen, dass das Reich Gottes sich ausbreitet. Davon erzählt die Apostelgeschichte. In den einzelnen Geschichten wird beispielhaft deutlich: Wo das Evangelium von Jesus Christus einzieht, muss Lüge (heute: Fake news) und Geldgier weichen; Solidarität und Wahrheit kommen zur Welt. Und dieses Reich bezieht sich auf die ganze Menschheit, „bis an die Enden der Erde". Die Predigt könnte diese Entgrenzung weiter führen über die Menschheit hinaus, auf alle Geschöpfe, auf die ganze Erde.
Eine andere Umkehrung der Blickrichtung geschieht durch die zwei Engel: sie lenken den Blick der Jünger, die Jesus im Himmel suchen, wieder auf den Boden der irdischen Tatsachen. Über Lk 24 hinaus sagen die Engel: dieser Jesus, der jetzt entschwunden ist, wird wieder auf die Erde kommen; und damit wird endgültig „das Reich erreichtet", auf das sie hofften. So wird Gottes Schöpfung vollendet, und damit seine Treue zu ihr (die zu Lk 24 schon angedeutet wurde). Bei allen Schwierigkeiten, die wir heute mit der Eschatologie haben, kann man anhand dieses Textes festhalten: wenn wir von Erlösung reden, dann meinen wir genau diese Welt, die gegenwärtig von Lüge, Krieg und Zerstörung aller Lebensgrundlagen bedroht ist.
Eph 1, 17-23
Anders als Apg 1 redet dieser Text von einer „zukünftigen Welt" im Unterschied zu dieser. Und überhaupt werden im Eph Räume und Zeiten angesprochen, die weit über das hinausgehen, was wir begreifen können. Für mich geht es dabei auch um die Weite des Alls, an die gewaltigen Kräfte im Kleinen und Großen, an das Geheimnis der Entstehung des Lebens und des Denkens in und durch die anscheinend tote Materie. All diese Geheimnisse sind für uns nur erahnbar - aber sie sind uns in Lob und Dank nah und in Jesus Christus gegenwärtig. Wie kann aber ein Mensch (Jesus Christus) das All fassen? Und wie kann durch ihn die christliche Gemeinde/Kirche so etwas wie die „Fülle" des Alls sein? Aus menschlicher Sicht könnte man es so verstehen: das, was dem Ganzen erst Sinn gibt, das ist Leben – Fühlen, Denken, Streben. Ein sinnvolles Leben. Und wahrhaft sinnvolles Leben findet sich im Menschen, der von Gott erfüllt ist, der im Einklang steht mit dem Schöpfer und Vollender - und das geschieht für uns durch den Einklang mit Jesus Christus.
Eine solche Sichtweise, die das Christentum derart ins Zentrum der ganzen Schöpfung rückt, erscheint uns heute ziemlich anthropozentrisch (gegenüber der Natur) und christozentrisch (gegenüber anderen Weltanschauungen). Vielleicht ist es hilfreich, die absolut klingende Sprache des Epheserbriefs ins Persönliche zu übersetzen: ich selbst finde meinen Halt in dieser unübersichtlichen Welt, die ich oft nicht begreifen kann - nicht nur wissenschaftlich nicht, sondern auch angesichts von Corona, Krankheit überhaupt, Krieg, ... Ich verlasse mich darauf, dass mein Leben und Handeln von Sinn erfüllt ist – auch wenn ich gar nicht absehen kann, ob ich bzw. wir „die Welt retten werden", ob ich bei der Vielzahl der Möglichkeiten das Richtige tue.
Und ich bin dabei nicht allein, sondern bin verbunden mit anderen und mit Jesus Christus selbst. Das wäre dann Kirche, vielleicht etwas anders gedacht.
Mt 28, 16-20
Der Abschluss der Geschichte Jesu endet bei Mt, anders als bei Lk, nicht mit seinem Weggang, sondern mit seinem Bleiben „bis an der Welt Ende". Wie ist er weiter gegenwärtig? Man könnte mit Mt vermuten: indem Menschen sich durch die Taufe an Jesus binden und „halten, was er befohlen hat". Anders als bei Lk geht es hier nicht um die „Schrift" (das Alte Testament), die von Jesus redet, sondern Jesus selbst gibt Weisung. Ohne dass Mt das hier ausdrücklich erwähnt, stehen die Gebote Jesu natürlich in einer Kontinuität zur jüdischen Tradition. Jesus legt die Tora aus – und wir heute müssen Jesu Worte in unsere Zeit hinein auslegen. Was ist heute Gottes Wille, der zum Leben gegeben ist? So wie Jesus im Matthäusevangelium redet, geht es ihm sehr um Aufrichtigkeit, Konsequenz, Ehrlichkeit, um Sein statt Schein, und zugleich um die Möglichkeit zur Vergebung. Das wäre doch auch in unserer Zeit hilfreich als Grundmaßstab des Handelns und Redens, oder? Etwas, das nachhaltiger wirkt und dem Leben dient, „bis an der Welt Ende".
Michael Böttcher, Dreihausen