Christi Himmelfahrt (13.05.21)

Christi Himmelfahrt

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Eph 1,(15-20a)20b-23 Apg 1, 1-11 Eph 1, 17-23 oder:
Eph 4, 1-13
Mk 16, 15-20

 

Die folgenden Ausführungen knüpfen am Thema des Festes „Christi Himmelfahrt“ an, um aus den Lesungstexten neben der Dynamik nach oben eine starke Bewegung nach unten herauszuarbeiten. Die Wahrnehmung dieser Bewegung nach unten leitet einen nachhaltigen Umgang mit der Schöpfung ebenso wie mit den für Leben und Sendung der Kirche geschenkten Begabungen an.

Im Fest „Christi Himmelfahrt“ oder, wie es in der Schweiz genannt wird, „Auffahrt“ scheint eine starke Dynamik nach oben zu liegen. Die Rückkehr Jesu zum Vater stellt sich – auch jenseits mythischer Konzeptionen – in unserer Imagination als Aufwärtsbewegung dar. In der Metaphorik unserer räumlichen Orientierung ist das Göttliche und Erhabene oben. Entsprechend hat Gott den Auferweckten zu sich „erhoben“ (Eph 1,20; Mk 16,19); er stieg hinauf zur Höhe, über alle Himmel (Eph 4,8.10). Die Jünger der Apostelgeschichte schauen ihm nach zum Himmel empor (Apg 1,10).

Doch die emporgereckten Gesichter müssen sich korrigieren lassen. Nicht erst Karl Marx kritisierte Formen der Jenseitsvertröstung; schon der Engel zeigt unmissverstehlich nach unten – wobei auch das Unten symbolische Bedeutung hat. Es ist der Bereich der Schöpfung, des Irdischen, der Lebenswelt, des Alltags.

Wer sich auf die Richtung nach unten einlässt, könnte auf einmal eine Entdeckung machen: Der Weg hinunter in die Niederungen ist schon gebahnt. Der Aufstieg setzt den Abstieg voraus: „Wenn es heisst: Er stieg aber hinauf, was bedeutet dies anderes, als dass er auch zur Erde herabstieg?“ (Eph 4,9). Zudem bleibt das Unten im Einflussbereich des in den Himmel erhobenen Christus: Der Platz zur Rechten Gottes, zu dem er erhöht wird (Eph 1,20), ist der Platz der Fürsprache. Künftig ist den auf Erden lebenden Menschen die sorgende Verbundenheit Jesu gewiss. Zur erneuten Begegnung der Parusie wird das Aufsteigen sich wieder in Absteigen wenden (Apg 1,11). Auf dem Weg hinab ist zudem die Kraft Heiligen Geistes, und diese Verheissung lässt sich unten wartend am besten empfangen (Apg 1,4.8). Hinab strömen die Gaben, von denen Eph 4,8 spricht.

Dies alles erinnert mich an die Betrachtung zur Erlangung der Liebe im Exerzitienbuch des Ignatius von Loyola, wo es in Nr. 237 heisst: „Schauen, wie alle Güter und Gaben von oben herabsteigen, etwa meine bemessene Macht von der höchsten und unendlichen von oben, und genauso Gerechtigkeit, Güte, Freundlichkeit, Barmherzigkeit usw.; so wie von der Sonne die Strahlen herabsteigen, vom Quell die Wasser usw.“.

Die Festdynamik von Christi Himmelfahrt lenkt darum nicht nur die Augen in die Höhe, in unsere eigene Zukunft. Vielmehr lässt das Fest auch die Gegenwart als von strömenden Gaben beschenkt wahrnehmen. Im Sinne der ignatianischen Exerzitien gilt es, dies zu schauen. In ganzheitlicher Imagination kann sich der Gabecharakter des Seins als solchen, des Lebens in mir und um mich, der Eigenschaften und Fähigkeiten erschliessen. Statt der Erinnerung an ein Ereignis, das unsere Gegenwart des Hoffnungsträgers Jesus entleert, ist Christi Himmelfahrt Fest eines Stroms von Geschenken.

Die ignatianische Betrachtung zur Erlangung der Liebe leitet in Nr. 235 an zu schauen, wie Gott in den Geschöpfen wohnt, in den Elementen (in der Gabe des Seins), in den Pflanzen (in der Belebung), in den Tieren (in der Begabung mit Wahrnehmungsfähigkeit), in den Menschen (in der Begabung mit Verstehens). Diese schöpfungstheologische Sicht ist auch dem Fest Christi Himmelfahrt nicht fremd. Das Auffahrtsevangelium spricht als Testament des Auferstandenen in Mk 16,15 von einer Sendung in die ganze Schöpfung. Eph 4,10 sieht den Auferstandenen „hinaufgestiegen über alle Himmel, um das All zu erfüllen“. Das Fest Himmelfahrt öffnet einen Horizont von kosmischen Dimensionen.

Das beschenkte Unten hat somit universale, es hat aber auch partikulare Züge: Gleich im Anschluss wendet Eph 4,11 den Blick auf die Kirche und die in ihr geschenkten Gaben. Dabei geht es in Eph 4 nicht um bestimmte Amtsstrukturen, sondern um die Überzeugung, dass der Aufgefahrene die Kirche stets mit Menschen beschenken wird, die das Evangelium verkünden (vgl. Michael Theobald: Mit den Augen des Herzens sehen. Der Epheserbrief als Leitfaden für Spiritualität und Kirche. Würzburg: Echter, 2000, 131).

Die so beschriebene Realität hat Konsequenzen. Allerdings liegen sie nicht auf der Hand. Das Himmlische lässt sich nicht schauen. Die Jünger stehen am Ende der Himmelfahrts-Erzählung der Apostelgeschichte als unsinnigerweise in den Himmel Starrende da, obwohl nichts (mehr) zu sehen ist. Das Himmlische lässt sich aber auch unten nicht ohne weiteres sehen und greifen. Darum ergeben sich auch die Konsequenzen nicht von allein. Doch wäre es dem Charakter der Gabe zuwider, davon in moralischen Appellen zu sprechen. Hilft es vielleicht, das noch nicht oder nur unscharf Gesehene auszumalen? Nicht von ungefähr erbittet Eph 1,18 die Erleuchtung der Augen des Herzens.

Ein staunender, ehrfurchtsvoller Umgang mit allem Begegnenden könnte entdecken, wie alles Irdische, ja Kosmische mit himmlischer Fülle erfüllt ist, wie Sein und Leben und Wahrnehmung und Verstehen göttliche Gaben sind. Das achtlose Konsumieren, das zerstörerische Verbrauchen könnte ins Stocken kommen.

Ein staunender, ehrfurchtsvoller Umgang mit den Charismen in der Kirche könnte entdecken, wie all die Begabungen, die persönlichen Glaubenswege, samt der Vielfalt unterschiedlicher und manchmal widerstreitender Anliegen, auf göttliche Gaben zurückgehen. Mangel und Armut kirchlichen Lebens aus verweigerter Anerkennung könnte in beziehungsreiches Leben münden.

Die Zeugen und Zeuginnen dieser Realität (Apg 1,8) sind Menschen, welche die Narben von Zerstörung und der noch offenen Wunden der Schöpfung und der Kirche als Verletzungen des Leibes Christi erkennen. Sie sind solche, denen aufgeht, wie der Auferstandene für jede Kreatur Fürsprecher an der Rechten des Vaters ist. Die Zeugen und Zeuginnen dieser Realität, die zugleich Brüder und Schwestern des Auferstandenen sind, werden selbst zu solidarischen Anwälten ihrer Mitwelt, ihrer Mitmenschen und ihrer Glaubensgeschwister.

Dr. Eva-Maria Faber, Chur