»Abgebrannt«: Artenwissen - Taxonomie
Artenreich - Exkursion
Reichelsheim im Odenwald, 2. bis 4. Juli 2021
Bericht der Freunde von A Rocha in Deutschland
Artenreich-Wochenende und Methoden zur Naturerkundung
In fünf verschiedenen Exkursionen auf dem Gelände von Schloss Reichenberg und Umgebung konnten die 25 Teilnehmenden unseres Netzwerks Natur erleben und beobachten: im Bach, Wald oder Garten, bei der Vogel- oder Insektenexkursion. Welche Pflanzen prägen den Lebensraum? Welche Tiere leben hier? Was lernen wir von der Natur über den Schöpfer? Gemeinsame Gebetszeiten, Andachten und ein Gottesdienst haben das Wochenende abgerundet.
Wir möchten die erprobten bürgerwissenschaftlichen Methoden - d. h. Methoden, für die man kein Expertenwissen benötigt - gerne interessierten Gruppen und Kirchengemeinden zur Verfügung stellen, sodass sie vor Ort die Schönheit und Vielfalt ihrer Umgebung nochmal neu entdecken können - alleine, mit Hilfe von uns oder mit lokalen Naturschützer*innen. In den nächsten Monaten wird das Methodenhandbuch dafür noch weiter verbessert und gestaltet. Wenn ihr mehr über die Methoden erfahren wollt oder eine Gruppe kennt, die diese gerne austesten möchte, meldet euch gerne bei uns per E-Mail: deutsche.freunde@arocha.org
Exkursion 1: Garten
Der Vielfalt der Pflanzen haben wir uns über eine Teilkartierung des Gartens genähert. Auf einer bestimmten Fläche haben wir im ersten Schritt gleichaussehende Pflanzen mit der gleichen Farbe auf unserer Karte markiert. Dadurch konnten wir alle Pflanzen aufnehmen auch ohne sie zu bestimmen und uns an unserem fehlenden Wissen hindern zu lassen. Im zweiten und den folgenden Schritten haben wir die Pflanzen benannt nach unserem eigenen Wissen und folgend auch mit Bestimmungsbüchern. So konnten wir eine Legende für unsere Karte erstellen.
Die Teilnehmer meiner Exkursion waren sehr erfreut, mit wie wenig Mitteln und Vorwissen man sich dem Boden und den Pflanzen nähern kann und ein erstes Verständnis aufbauen kann. Unser Ziel war es Sachen zu entdecken mit dem jeweiligen Wissensstand, und im Garten konnte jeder einfach loslegen, die Hände eintauchen und staunen und entdecken.«
Stephanie Schöbel, Ornithologin und Mitarbeiterin der Naturschutzbehörde im Landkreis Ostprignitz-Ruppin: »Vögel begleiten uns durch die Bibel wie kaum eine andere Spezies. Bereits in der Schöpfungsgeschichte werden sie als repräsentative Himmelsbewohner einzeln benannt. Die Eigenschaften, Lebensräume und Vielfalt der verschiedenen Arten dienen oftmals zur Verstärkung und bildhaften Darstellung in biblischen Texten (so z.B. die Turteltaube im Hohenlied, die Haustaube als Symbol des Friedenbringers bei Noah und des Heiligen Geistes und auch Gott selbst wird als schützend und fürsorglich zu uns Menschen beschrieben, indem er seine Flügel über uns ausbreitet: u.a. Psalm 91). Kaum verwunderlich also, dass uns Vögel seit jeher in Staunen versetzen können und begeistern.
Neben dem methodischen Vorgehen sollte auch das Erfahren dieser, oft heimlich um uns lebenden Tiere, vertieft und bereichert werden. Darum nahmen wir uns zu Beginn einige Augenblicke Zeit, um unsere Augen zu schließen und erst einmal über unser Hören die Gesänge und Rufe um uns wahrzunehmen. Auf unserem Weg, mit Fernglas im Anschlag, nahmen wir uns immer wieder Zeit, um die Tiere zu beobachten, über ihr Verhalten zu staunen oder uns selbst von ihnen beobachtet zu wissen.
Schließlich beendeten wir unseren Erkundungsgang mit der reichen Erfahrung von nicht weniger als 23 Vogelarten (u.a. Goldammer, Neuntöter, Turmfalke und Zaunkönig), deren Flug, Gefieder und Gesang noch in uns nachklangen. Als in der abschließenden Austauschrunde dann noch ein seltener Schwarzstorch über der Burg kreiste, war die Begeisterung groß und unsere Dankbarkeit für die vielen Begegnungen auch.«
Exkursion 3: Wald
Multifunktionalität
Um einen Wald nicht auszubeuten, sollten mindestens drei Funktionen dauerhaft erhalten werden.
- Nutzfunktion: Ein Waldökosystem stellt der Menschheit nachwachsende Rohstoffe wie Holz, Früchte, Pilze und Wildfleisch zur Verfügung.
- Schutzfunktion: Ökosystemdienstleistungen werden zur Verfügung gestellt, die nur ein gesunder Wald dauerhaft liefern kann. Hierzu zählen unter anderem die Produktion von Sauerstoff, die Einlagerung von CO2, die Reinigung von Wasser sowie die Beheimatung vieler tierischer und pflanzlicher Lebensgemeinschaften.
- Erholungsfunktion: Menschen finden in einem gesunden Wald Ruhe und Ausgleich.
Ergebnisse der Exkursion:
Um sich dem Artenreichtum des Waldes zu nähern, haben wir Vertreter aus den verschiedenen Lebensgemeinschaften Tieren, Pflanzen und Pilze erfasst. Durch vorheriges Wissen und unsere Beobachtungen haben wir herausgefunden, dass im Wald alle Lebewesen miteinander in Verbindung stehen und zu einem funktionierenden Wald gehören.
Beispiel: Alle Pflanzen gehen mit verschiedenen Pilzen eine Symbiose im Wurzelbereich ein, die sogenannte Mykorrhiza (mykes = Pilz, rhiza = Wurzel). Beide Lebewesen profitieren von dieser engen Gemeinschaft.
Exkursion 4: Insekten an Mauern
Wir haben uns drei verschiedene Mauerabschnitte herausgesucht. An jedem haben wir eine festgelegte Zeit verbracht und alle Insekten, die wir entdecken konnten, fotografiert. Dabei gibt es manchmal besondere Momente, in denen das beobachtete
Am häufigsten haben wir Ameisen beobachtet, auch verschiedene Ameisenarten. Viele fliegende Insekten konnten wir zwar beobachten, aber nicht für eine Artbestimmung fotografieren. An einem Mauerabschnitt waren die Pflanzen unterhalb recht hochgewachsen, dort haben wir auch Heupferde, Wanzen und eine Waldschabe gefunden. Unser erster Eindruck war, dass für Insektenvorkommen vor allem die Vegetation in der Nachbarschaft der Mauer wichtig ist. An einer hohen Mauer, die zusätzlich dicht verfugt war, haben wir nur wenige Insekten beobachtet.
Aufgrund unserer Erfahrungen möchten wir das Vorgehen weiter vereinfachen, so dass auch Leute ohne umfassendes Insektenwissen eine Idee der Vielfalt bekommen können. Wir denken, dass Bestimmungsapps und einfache Bestimmungsschlüssel dabei hilfreich sein können. Natürlich gibt es viele Lebensräume, die viel artenreicher sind als die menschengemachten Mauern.
Besonders war noch, dass wir an einer sandigen Stelle direkt am Treffpunkt unserer Gruppe Grabwespen beobachten konnten.«
Julian Sartori ist Bioniker und Zoologe, hat seine Doktorarbeit über die Verbindung zwischen weichem Sehnengewebe und harten Knochen bei Mäusen geschrieben und begleitet jetzt an einem Schülerforschungszentrum Schülerinnen und Schüler bei Bionikprojekten.