Exaudi / 7. Sonntag der Osterzeit
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
1 Sam 3,1-10 | Apg 1, 12-14 | 1 Petr 4, 13-16 | Joh 17, 1-11a |
Stellung im Kirchenjahr: Der Sonntag liegt in einer Zwischenzeit, den Tagen zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten. Im rk. Raum wird an diesem Wochenende die Kollekte der Aktion „Renovabis" am Pfingstwochenende angekündigt, was den Blick auf Länder in Mittel- und Osteuropa lenkt, in denen das Bekenntnis zu Christus lange Jahre riskant und gefährlich war, teilweise noch ist. An die Notwendigkeit, sich für gutes Leben für alle einzusetzen, erinnern zudem der heutige Welttag der kulturellen Vielfalt sowie am morgigen Montag der Tag der Artenvielfalt.
Exegetische Anmerkungen und Aspekte von Nachhaltigkeit:
1 Sam 3,1-10: Auch in dunkler Zeit, wenn die Lampe Gottes fast erloschen ist, braucht es Menschen, die für die Stimme Gottes, d.h. den Einsatz für seine und unsere Welt, empfänglich sind. Es braucht die, die allem Düsterem zum Trotz oder gerade deswegen andere darauf hinweisen und sie ermutigen, sich von Gott in Dienst rufen zu lassen.
1 Petr 4,13-16: Das Christentum ist eine Religion, die lächelt das Leiden nicht weg oder vertröstet dich auf das nächste Leben. Jesus selber nimmt das Leiden an und trägt es aus, bis zum bitteren Ende. Wer sich zu ihm bekennt, trägt mit. Er trägt mit, damit das Leben eine Chance hat. Wer aus dem richtigen Geist lebt und handelt, für den ist Leiden kein Grund zur Scham oder zur Schande.
Beispiele zur Umsetzung und weitere Kontexte:
1. Zwischen Katastrophenmodus und langem Atem (1 Sam)
Die Ersthilfe für Flüchtlinge lief im Katastrophenmodus hervorragend. Die Frage, die sich mittlerweile stellt, heißt: Wie belastbar ist der gute Wille nach einer „Willkommenskultur" in den Gemeinden und was kommt danach? Schon der Begriff wird unscharf, manipulativ und inflationär gebraucht. Er klingt zwar sympathisch, ist letztlich aber eine ziemlich gestelzte, künstlich daherkommende und in sich widersprüchliche Semantik. „Willkommen!" ist Ausdruck eines Auftakts. „Kultur" hingegen ist Inbegriff des Nachhaltigen. Es bezeichnet das, was Menschen im Wechsel der Gezeiten gemeinsam kontinuierlich denken, fühlen und tun.
Michael Gmelch, Refugees Welcome. Eine Herausforderung für Christen, 2016. Würzburg: Echter, 122.
2. Bekennen, Durchhalten, Leiden im Blick nach vorn (1 Petr)
Man kann aus dem Brot ein Idol und aus dem Bauch einen Götzen machen. Ja, aber man muss einmal gehungert haben, wochenlang. Man muss einmal erlebt haben, dass einem ein unerwartetes Stück Brot wie eine Gnade vom Himmel zukommt. Man muss gespürt haben diesen Einfluss des Hungers auf jede Lebensregung, um die Ehrfurcht vor dem Brot und die Sorge um das Brot wieder zu lernen (...). Die erste Voraussetzung, den Tod zu sehen, ist zunächst einmal, das Leben recht zu nehmen. Wer seinen Tod in sein Leben hereinnimmt, dem bleibt nichts stehen außer dem Echten und Wirklichen. Brot ist wichtig, die Freiheit ist wichtiger, am wichtigsten aber die ungebrochene Treue und die unverratene Anbetung.
Alfred Delp, Aufzeichnungen aus dem Gefängnis (1944-1945), 2019. Freiburg u.a.: Herder, 235.236.
3. Selbstbestimmt leben, nicht nach Weisung des Marktes (1 Sam; 1 Petr)
Die moderne Wirtschaft, so der israelische Historiker Harari, basiere auf einem konstanten Wachstum der Produktion, die wiederum darauf basiere, dass die Erzeugnisse auch gekauft würden. Deshalb würden die Menschen permanent aufgefordert, sich etwas zu gönnen. Sparsamkeit sei ein Komplex, von dem man sich befreien müsse.
Dem Journalisten Kerstin Augustin platzte 2016 diesbezüglich der Kragen und warf dem Chef von IKEA öffentlich vor, er sei „übergriffig" geworden. Er habe seinen Katalog durchgeblättert und sei wütend geworden, weil er nicht mehr nur Möbel verkaufen wolle, sondern ihm sage, wie er leben solle. Im Vorwort schreibe er: „Bestimmt gibt es irgendwo jemanden, bei dem immer alles genauso läuft wie geplant. Jemand, der perfekt ist." Aber es mache „macht überhaupt nichts, wenn dir mal die Nudeln überkochen. Ganz normalen Menschen passiert so was eben."
Das stimme zwar, schreibt Augustin, aber dafür brauche er Ingvars Erlaubnis nicht.
Er wolle Augustins Leben perfektionieren, aber dieser lebe im Unperfekten. Ingvar mische sich in Dinge ein, die ihn nichts angingen, gebe ihm beispielweise „Fünf Elternregeln für das Kochen mit Kindern" an die Hand wie „Schimpf nicht, wenn etwas nicht klappt." Dazu Augustin: „Ingvar, mit meinen ungeborenen Kindern schimpfe ich, wann ich will! Dein Katalog wurde angeblich häufiger gedruckt als die Bibel. Aber deshalb musst du doch nicht predigen."
Yuval Noah Harari, Eine kurze Geschichte der Menschheit, 2015 (29. Aufl.). München: Pantheon, 423; http://pdf.zeit.de/2016/38/ikea-katalog-ingvar-kamprad-inszenierung.pdf.
Joachim Feldes, Dannstadt-Schauernheim