Exaudi / 7. Sonntag der Osterzeit (12.5.13)

Exaudi

 

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Joh 14, 15-19 Apg 7, 55-60 Offb 22, 12-14.16-17.20 Joh 17, 20-26



Stellung im Kirchenjahr

„Exaudi" ist in der evangelischen Perikopenordnung die Bezeichnung des sechsten Sonntags nach Ostern; in der katholischen Leseordnung, die den Ostersonntag als 1. Sonntag zählt, ist es demnach der 7. Ostersonntag. Der Name leitet sich von der lateinischen Antiphon „Exaudi, Domine, vocem meam, qua clamavi ad te; miserere mei, et exaudi me!" (Ps 27,7: „Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe! Sei mir gnädig und erhöre mich"). Es ist der letzte Sonntag vor Pfingsten und daher stark von der Hoffnung auf das Kommen des Heiligen Geistes geprägt. Der evangelische Predigttext in der Reihe V ist diejenige Stelle im Johannesevangelium, in der Jesus in seinen „Abschiedsreden" den „anderen Beistand" verheißt. Die zweite Lesung in der katholischen Leseordnung (Lesejahr C) ist der Apokalypse des Johannes entnommen: Der Geist lädt ein zu kommen und umsonst Wasser des Lebens zu empfangen – eine bildreiche Sprache für die göttlichen Verheißungen an die Glaubenden.

 

EKD Reihe V: Joh 14, 15-19:

Exegetische Überlegungen
Die Perikope stammt aus den Abschiedsreden Jesu im Johannesevangelium. V 15 ist ein eigener Gedanke, der betont, dass sich die Liebe der Glaubenden zu Christus in konkreten Taten zeigen wird: im Festhalten an den Geboten Christi. Ab V 16 verheißt Jesus den „anderen Beistand", den Parákletos (wörtlich: der herbeigerufene [Beistand], lateinisch: advocatus). Damit wird das theologische „Problem" gelöst, das sich aus der (kurz vorher im Kirchenjahr begangenen) Himmelfahrt Christi ergibt: Die physische Abwesenheit Jesu Christi von seinen Nachfolgern wird durch den „Beistand", eben den Heiligen Geist, kompensiert. Die Herde ist nicht ohne Hirten, ist nicht „verwaist".

Predigtimpulse
Ausgehend vom vorausgegangenen Himmelfahrtsfest kann die Predigt mit der Frage einsteigen, wie denn die Freunde Jesu mit dem Problem umgegangen sind, dass Jesus nun „weg" ist. Bleibt nur die bloße Erinnerung an verblassende Ereignisse, die wie alte Fotoabzüge „vergilben", je weiter sie in der Vergangenheit versinken? Die Abschiedsreden Jesu betonen dagegen die lebendige Gegenwart des auferstandenen Herrn bei seiner Gemeinde. „Medium" dieser Gegenwart ist der „Beistand", der Heilige Geist, der auch im Sinne eines „Rechtsbeistands" zu verstehen ist. Jeder, der schon einmal von einem Anwalt aus einem schwierigen Rechtsstreit „herausgehauen" worden ist, kann diese Metapher nachvollziehen. Wie man sich (hoffentlich) auf seinen Anwalt im Gerichtsverfahren verlassen kann, so können sich die Christen auf den Heiligen Geist als Beistand verlassen. Das kommende Pfingstfest erinnert jährlich an diesen allgegenwärtigen Beistand.

Bezug zur Nachhaltigkeit
Die Gegenwart Gottes und die Gegenwart Christi erschöpfen sich nicht in einer sonntäglichen Erholungsstunde im Kirchenraum. Gott ist auch im Alltag gegenwärtig, Christus ist im Heiligen Geist im Leben jedes Einzelnen und im Leben der Gemeinde präsent. Das ruft Menschen „nachhaltig" zur Verantwortung, im Bewusstsein dieser Gegenwart zu leben: Bei einem „umweltschädlichen" Verhalten sollte einem jeden dann sofort das Gewissen schlagen. „Umweltschädlich" kann sich dabei sowohl auf einen verantwortungslosen, verschwenderischen Umgang mit den von Gott geschenkten natürlichen Ressourcen (Wasser, Luft, Rohstoffe) beziehen, als auch auf die „menschlichen Ressourcen" unserer Umgebung, unsere Beziehungen, unsere Partnerschaft. Wer an die Anwesenheit und Präsenz des Heiligen Geistes als dritter Person des dreieinigen Gottes in seinem Leben glaubt, wird sich verantwortungsvoll verhalten, schonend und zärtlich, ja liebevoll mit den Menschen, Tieren und Dingen seiner Umgebung umgehen. Der Beistand, der Heilige Geist als Kraft Gottes, wird wiederum die Kraft dazu geben, sofern man sich ihm spirituell öffnet.

 

Kath. Lesejahr C: Offb 22, 12-14.16-17.20:

Exegetische Überlegungen
Die Perikope ist dem Schluss der Johannesoffenbarung und damit dem Schluss des Neuen Testaments entnommen. Es wäre ratsam, nicht nur die ausgewählten Verse, sondern die gesamte Perikope ab Offb 22,6 zu verlesen; auf jeden Fall sollte der Schlussvers 22,21 („Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen!") nicht ausgelassen werden. Ab 22,12 spricht der auferstandene Christus zum Offenbarungsempfänger Johannes und verheißt sein baldiges Kommen. Der Geist in 22,17 ist der Heilige Geist, der schon die Propheten als „Mitknechte" und alle Verkündiger inspiriert (auch den Seher: 22,9); die Braut ist das „wahre Gottesvolk", die himmlische (schon vollendete) und die irdische (noch verfolgte) Gemeinde derer, die an Christus glauben.

Predigtimpulse
Die Bibel, insbesondere die Offenbarung des Johannes, ist für manche Leserinnen und Leser (Hörerinnen und Hörer) insofern peinlich, als dort so oft und unverblümt vom Kommen Gottes, von der Wiederkunft Christi und vom Ende dieser Welt die Rede ist. 2000 Jahre nach dem irdischen Auftreten Jesu scheint diese Hoffnung auf den ersten Blick lächerlich zu wirken. Doch ohne diese Hoffnung fehlt dem christlichen Glauben eine ganz entscheidende Komponente: die endzeitliche Hoffnung auf eine Vollendung der Welt und des Lebens durch den siegreichen Gott. Ohne diese Hoffnung wird das Christentum auf ein ethisches Pflichtprogramm reduziert, das wiederum aufgrund alltäglicher Erfahrungen zum Scheitern verurteilt ist. In der Predigt könnte man die Zuhörerschaft fragen, ob sie sich noch etwas von der Zukunft erwartet, ob sie sich noch etwas von Gott und Christus erwartet – oder doch insgeheim glaubt, alles selbst und aus eigener Anstrengung heraus schaffen zu müssen.

Bezug zur Nachhaltigkeit
Manche Menschen, ja viele Menschen leben so, als ob es kein Morgen gäbe. Die Überzeugung, alles aus diesem Leben herausholen zu müssen, verleitet zur Ressourcenverschwendung. Das gilt sowohl für die natürlichen Rohstoffe und Güter wie auch für die eigenen Kräfte in körperlicher, geistiger und spiritueller Hinsicht. Wenn man ab und zu an die christliche Hoffnung auf das Kommen Gottes, auf die Wiederkunft Christi denkt, dann nimmt diese Hoffnung den Druck weg, jetzt noch in diesem Leben alles erleben zu müssen oder auch in dieser beruflichen Tätigkeit im therapeutischen, seelsorglichen oder erzieherischen Bereich „alles" schaffen und „heil machen" zu müssen. Auch mit den eigenen spirituellen und körperlichen Ressourcen gilt es, nachhaltig umzugehen (um nicht in das berühmte „burn-out"-Syndrom zu verfallen). Sicher ist jedes Engagement für eine bessere und gerechtere Welt willkommen, aber letztlich müssen wir nicht die Welt retten. An Gott ist es, die Vollendung zu schaffen. „Amen – Komm Herr Jesus" – das kann in Stresssituationen ein Stoßseufzer sein, der aufatmen lässt. „Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen" – dieser Wunsch verdeutlicht uns, dass diese Welt, dieses Leben, dass wir nachhaltig gerettet sind, wenngleich auf Hoffnung hin.

 

Thomas Hieke