Exaudi / 7. Sonntag der Osterzeit 2017 [III/A]
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Joh 7, 37-39 | Apg 1, 12-14 | 1 Petr 4, 13-16 | Joh 17, 1-11a |
Stellung des Sonntages im Kirchenjahr
Der Sonntag Exaudi – „Höre, Herr“ (Psalm 27,7) - ist der 6. Sonntag (evangelische Zählung) beziehungsweise der 7. Sonntag (katholische Zählung) nach Ostern. Er folgt er auf das Fest Christi Himmelfahrt und ist der Sonntag vor dem Pfingstfest. Der Wochenspruch „Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“ steht im Johannesevangelium, Kapitel 12,32. Der Sonntag Exaudi steht damit in der Spannung des Abschieds Jesu und der Verheißung des kommenden Geistes als Vollender des Heilshandelns Gottes.
So unterschiedlich die Texte sind, im Hinblick auf ihre Entstehungszeit und die Zeit, auf die sie sich beziehen, lese ich in allen Texten die Betonung, dass das Heilswirken Jesu Christi und seine Verheißung Zeiten und Generationen überspannt und an dieser Bedeutung von „nachhaltig“ anknüpft. Assoziativ sehe ich die Jünger vor mir, die durch ein Wechselbad der Gefühle gegangen sind. Sie haben die Kreuzigung erlebt – alles schien vorbei. Und dann das Osterwunder – er, Jesus Christus, ist wieder auferstanden. Und nun in den Himmel aufgefahren. Der Heilige Geist ist verheißen, Zukunft ist verheißen.
Somit ist es meine Denkrichtung für diese Predigtanregung: Welche Perspektiven ergeben sich für mich und die Menschen, die 2017 diese Texte lesen und hören, aus dieser nachhaltigen Zusage einer Verheißung von Zukunft?
Exegetische Informationen
Johannes 7, 37-39
Die Perikope ist Teil der Auseinandersetzung um die Messianität Jesu.
In Jerusalem findet das Laubhüttenfest statt. Nachdem Jesus durch Galiläa gezogen war, geht er zum Laubhüttenfest nach Jerusalem hinauf, obwohl er bereits verfolgt wird, und lehrt im Tempel.
Mit dem Motiv der „Ströme lebendigen Wassers“ nimmt Jesus alttestamentliche Traditionen und die Liturgie des Laubhüttenfestes auf: Am siebten Tag schöpften Priester Wasser aus der Schiloach-Quelle und brachten es in einem feierlichen Ritus in den Tempel.
Im Alten Testament wird überliefert, dass der Fels das lebensrettende Wasser in der Wüste spendet, und im endzeitlichen Tempel wird die Heilsquelle erwartet.
Diese, aus den natürlichen Lebenszusammenhängen entnommenen Motive bezieht Jesus auf sich und wird somit zu der wahren Lebens- und Heilsquelle für die, die an ihn glauben.
Aufgrund der Parallelstellen (Joh 4,10ff und 5,26) ist es mit Ulrich Wilckens sinnvoll, die Ströme des lebendigen Wassers als aus Jesu Leib strömend zu deuten und nicht als aus dem Leib der Gläubigen fließendes Wasser.
Jesus wird somit zu dem, der sich selber gibt. Und dies ist er nicht nur im Jetzt seines irdischen Lebens, in der er diesen Heilsruf tätigt. Hier wird deutlich, dass er nachhaltig Heilsquelle ist über seinen Tod hinaus und damit auch für die, die nach der erzählten Zeit leben und an ihn glauben.
Er stößt an mit seinen Worten. Andere überzeugt er.
Die Frage danach, wo und wie ich Heil finde, erscheint mir heute nicht weniger aktuell. Die Angebote, die „Heilsversprechen“ liefern, sind vielfältig und „werben um mich“, fordern mich zur Stellungnahme heraus. Somit wird der Ruf Christi „Kommt und trinkt vom Heil“ zum Ruf mitten hinein in mein Suchen heute. Ein Ruf, der auf die Zukunft weist und mich unruhig werden lässt, weil er mich inmitten von Klimawandel, sozialer Ungerechtigkeit, Wasserknappheit und Wasserverunreinigung als die zentralen Probleme vieler Menschen in dieser einen unteilbaren Schöpfung erreicht.
Apostelgeschichte 1,12-14
Der Text der ersten Lesung ist gerahmt von dem Ereignis der Himmelfahrt und Verkündigung der Wiederkunft und der Nachwahl des Apostels Matthias.
Auf Anweisung zweier Deuteengel gehen die Männer und Frauen nach Jerusalem, um dort auf den Heiligen Geist zu warten.
Dort sind sie zusammen und erleben in der Gemeinschaft des Gebets stärkende Einmütigkeit.
Ich stelle mir vor, wie sie gemeinsam das Vater Unser beten und die Spannung aushalten zwischen „Dein Reich komme, dein Wille geschehe“ und „Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit“. , Auf der einen Seite die Bitte, dass sich die Verheißung so erfüllt, wie sie verkündet ist und das Gottesreich kommt. Auf der anderen Seite, die Gewissheit, dass es passieren wird, weil es der Heilsplan Gottes ist.
Einige der Anwesenden werden mit Namen genannt, die Frauen und die Brüder Jesu werden als Gruppe zusammengefasst. Und trotzdem habe ich beim Lesen den Eindruck, dass keine(r) wichtiger ist als der(die) andere. Die Gemeinschaft, die diese unterschiedlichen Menschen haben, ist das, was entscheidet: Die Gemeinschaft, die die Unsicherheit und Spannung aushält, und die Grenzen und Unterschiede nicht zum Thema macht. Die Gemeinschaft, die die Freude auf das Verheißene aushält. Bis heute haben sich Gemeinden gebildet und bilden sich.
Und so könnte eine Predigt danach fragen, was Gemeinschaften heute nachhaltig gemeinsam tragen können und müssen und welche Formen sie finden könnten, um gemeinsam im Gebet Stärkung und Rückbindung durch und an Gott zu finden - etwa am Beispiel der Aufgaben, denen sie sich im Hier und Jetzt stellt.
1. Petrus 4,13-16
Petrus schrieb diesen Brief an Christen, die gesellschaftlich ausgegrenzt und diskriminiert wurden. Die Bedrohung in der Gemeinde war deutlich und schmerzhaft spürbar.
Die Aufforderung, sich über das Leiden zu freuen, befremdet mich. Gerade mit dem Wissen, dass der Text auf realer Verfolgungssituation beruht und nach wie vor Christen auf dieser Welt verfolgt werden.
Mich berührt besonders V.14, der die Paradoxie ausdrückt, dass auch in der leidvollen Situation der Verfolgung Gottes Heil nachhaltig bleibt. Auch, wenn die Situation völlig anders erscheint.
Die Erfahrung, dass Leid die Hoffnung verdunkelt, machen Menschen auch hier, auch wenn wir – Gott sei dank – als Christen in Deutschland nicht verfolgt werden, wie es den Adressaten des Briefes geschah.
Aber nicht jeden Todesfall verstehe ich und manches Leben ist sehr leidvoll. Und trotzdem gilt, dass der Geist Gottes auf euch ruht (V.14) und Leid Tragende getröstet werden (Mt 5,4).
Johannes 17, 1-11a
Dieses Gebet ist das Schlussgebet, mit dem Jesus seine Sendung beschließt. Im darauffolgenden Kapitel wird Jesus gefangen genommen, und die Passion beginnt.
In der Verbindung von Rechenschaft („ich habe…“) und Fürbitte („ich bitte…“) nimmt es die Form der Abschiedsrede eines Familienoberhauptes angesichts des Todes auf. Es fällt aus dem Erzählzusammenhang heraus, denn nachdem Jesus vorher mit den Jüngern redete, spricht er nun zu Gott. Als Leser werde ich in das Gebet und die darin entfaltete Theologie mit hineingenommen.
Die Zugehörigkeit zu Gott, der Glaube ist keine persönliche Leistung des Menschen, sondern durch Gott geschenkt: Im Glauben an Jesus Christus bekommt man Anteil am göttlichen Leben, und die Menschen, die an ihn glauben, sind ihm durch Gott geschenkt.
Diese Verbindung, die Zugehörigkeit und Zusammengehörigkeit, soll auch dann noch halten, wenn Jesus selbst nicht mehr auf der Erde ist. So bittet Jesus Christus um die Bewahrung der zu Gott Gehörenden, die nun in der Welt bleiben und angesichts vielfältiger Gefährdungen, aber auch Möglichkeiten zur Gestaltung, bestehen müssen.
Kersten Marie Stegmann, Herborn
Literatur
Ulrich Wilckens, Das Evangelium nach Johannes(NTD 4), Göttingen 171998
Udo Schnelle, Das Evangelium nach Johannes (ThHK 4), Leipzig 32004
Norbert Brox, EKK XXI, Der erste Petrusbrief, Neukirchen-Vluyn 1979