Fronleichnam (8.06.23)

Fronleichnam

kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Dtn 8, 2-3.14b-16a 1 Kor 10, 16-17 Joh 6, 51-58

Als evangelische Theologin aus dem Osten Deutschlands habe ich keinen traditionellen Bezug zum Fronleichnamsfest. Daher ist es für mich schwierig, für diesen mir zugeteilten Tag eine Predigtanregung zu schreiben. Vier Aspekte an dem Fest sind mir dennoch wichtig:

Zum Ersten wird an diesem Tag der Gottesdienst in die Öffentlichkeit getragen. Ich komme aus dem schon seit den 1950er Jahren stark säkularisierten Osten Deutschlands, Fronleichnam ist hier kein Feiertag. Aber auch hier ziehen in manchen Gegenden katholischen Gemeinden durch die Straßen und machen die Öffentlichkeit darauf aufmerksam, dass es hier noch Christinnen und Christen gibt – obwohl wir hier schon seit den 1950er Jahren (von einigen Ausnahmen abgesehen) nur eine kleine Minderheit sind. Sich als Christinnen zu erkennen geben, sich dem Gespräch über den Glauben mit der nichtchristlichen Bevölkerungsmehrheit stellen und auf Nachfrage erklären zu können, was da eigentlich gefeiert wird und was das für mich als Christin bedeutet – auch dazu gibt dieser Festtag Impulse.

Zum Zweiten werden Christinnen und Christen dazu angeregt, die Bedeutung der Mahlfeier in den Blick zu nehmen. In katholischen und evangelischen Liturgien betont die Gemeinde gemeinsam, dass die Mahlfeier „ein Geheimnis des Glaubens" ist. Die vorgeschlagenen Bibeltexte regen mich dazu an, mal nicht dogmatisch-theologisch, sondern sehr persönlich darüber nachzudenken, was das Christus- Mahl für mich bedeutet und sich darüber auszutauschen. Wissen wir denn, was unsere ökumenischen Geschwister am Tisch des Herrn feiern? Teilen denn meine Mitgeschwister die offizielle theologische Erläuterung oder haben sie noch ganz eigene Erfahrungen. Erleben wir in der Praxis einen Wandel – und beobachten wir auch innerhalb unserer Konfession Unterschiede? Wo fühlen wir uns angenommen, in welchem Setting erfahren wir am Tisch des Herrn Stärkung?

Zum Dritten ist die gemeinschaftsstiftende Mahlfeier Christi gleichzeitig ein deutliches Zeichen für den Skandal der Spaltung der Christenheit. Trotz aller ökumenischer Bemühungen und einer in vielen Teilen Deutschlands praktizierten Gemeinschaft zwischen den Christinnen und Christen unterschiedlicher Konfessionen ist eine ökumenische Abendmahls-/Eucharestiefeier nicht möglich – aber es besteht durchaus Grund zur Hoffnung: Führende evangelische und katholische Theologen haben sich im September 2019 bei der Vorstellung einer in einem zehnjährigen Prozess erarbeiteten Stellungnahme »GEMEINSAM AM TISCH DES HERRN. Ein Votum des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen« für die wechselseitige Teilnahme am Abendmahl ausgesprochen. „Ich sehe darin einen wichtigen und gangbaren Schritt auf dem Weg hin zu einer sichtbaren Einheit unserer beiden Kirchen", sagte der katholische Bischof Georg Bätzing. Die Sehnsucht nach einem gemeinsamen Abendmahl wachse, „dass uns das zu Lebzeiten geschenkt wird", sagte Bätzing (vgl. https://www.kirche-und-leben.de/artikel/oekumene-theologen-fuer-wechselseitige-teilnahme-am-abendmahl/, abgerufen am 20.6.2022).

Ein Mitautor, der lutherische Theologe Volker Leppin, sagte in einem Interview im Mai 2022: „Wenn wir evangelisch wie katholisch es schaffen würden, eine kirchliche Willkommenskultur zu haben, in der diejenigen, die an Jesus Christus glauben, und diejenigen, die durch Jesus Christus zum Abendmahl eingeladen sind, mit großer Selbstverständlichkeit hier wie dort in die Kirche gehen. Wenn Ehepaare verschiedener Konfessionen sagen können: Wir gehen an einem Sonntag zu deiner Konfession, am anderen Sonntag zu meiner, und es macht uns nichts. Die Kirche trennt uns nicht am Altar, während wir doch sonst alles gemeinsam haben. Das wäre die Hoffnung, die ich für die nächsten Jahre habe." (https://www.domradio.de/artikel/oekumene-experte-fordert-willkommenskultur-beim-abendmahl, abgerufen am 20.6.2022) An dieser Sehnsucht festzuhalten und sie zu kommunizieren, auch dafür sehe ich Anregungen auf Grund der vorgeschlagenen Bibeltexte.

Zum Vierten: Gott gibt sich uns im Brot, einem sehr einfachen Grundnahrungsmittel. Brot ist nichts Besonderes, doch fehlt uns das Brot, dann spüren wir das sofort. Den besonderen Wert des Brotes erleben wir in Mangel- und Krisenzeiten. Solcher Verknappung können Kriege auslösen – und durch die Verknappung und einer Hungersnot können wiederum Kriege ausgelöst werden. Auf der anderen Seite ist das Teilen von Brot eine Grundgeste von Mitmenschlichkeit und Solidarität.

Ich lebe in einer Klein-Stadt, in der es nur noch Bäckereiketten gibt, die Brot wie eine Industrieware herstellen (und am Ende des Tages sehr viele Brote wegwerfen). Seitdem wir unser Mehl von einer regionalen Mühle holen und ich zu Hause selbst Sauerteigbrot backe, hat das Brot als Lebensmittel eine ganz andere Bedeutung erhalten – und ich kann auch die Gleichnisse Jesu ganz anders verstehen. Könnte das Mahl des Herrn auch mit richtigem Brot gefeiert werden?

Gottesdienste müssen nach Meinung des Linzer Moraltheologen Michael Rosenberger körperbetonter werden, um sie attraktiver zu machen. "Das könnte auch heißen, bei der Eucharistie richtiges Brot zu verwenden", sagte der Würzburger Diözesanpriester am Donnerstag im Interview mit der Bischöflichen Pressestelle. "Im Idealfall - ich provoziere immer gerne ein bisschen, damit man nicht nur zu eng denkt - würde ich sogar vorschlagen, dieses Brot in der Kirche zu backen. Dann ziehe der Duft durch den Kirchenraum. Das wäre ein Einbezug der Sinnesorgane. Man riecht etwas, man schmeckt etwas." (vgl. https://www.katholisch.de/artikel/17680-moraltheologe-echtes-brot-in-der-eucharistie-verwenden, Beitrag vom 25.5.2018, abgerufen am 25.6.2022)

Dass die Begegnung Gottes mit uns Menschen gerade im Brot geschieht, verdeutlicht, dass es nicht um Macht geht, nicht um Prunk, sondern eher um Ohnmacht, um Unscheinbarkeit. Es geht um innere (und äußere) Stärkung durch ein Lebens-Mittel. Es geht um Wandlung und Verwandlung von uns Menschen. „Wir sind die, die sich wandeln lassen müssen, weil Menschsein heißt, sich wandeln zu lassen, und Vollkommenheit, sich oft gewandelt zu haben." (Karl Rahner).

Dr. Angela Kunze-Beiküfner, Magdeburg