Gründonnerstag
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Lk 22,39-46 | Abendmahl-M.: Ex 12, 1-8.11-14 | 1 Kor 11, 23-26 | Joh 13, 1-15 |
Lk 22, 39-46 (Das Gebet am Ölberg)
Jesus und seine Jünger befinden sich in einer Entscheidungssituation: wie wird es mit Jesus weiter gehen? Es droht ihm große Bedrängnis. Wie gehen die Jünger und Jesus damit um? Die Jünger sind erschöpft, sie scheinen mit der schwierigen Situation nicht umgehen zu können. Ihr Kummer ist zu groß, Angst vor einer ungewissen Zukunft peinigt sie, sie erscheinen hoffnungslos, „erschöpft". Entsprechend schlafen sie in dieser dramatischen Nachtstunde ein.
Ganz anders Jesus: er ist aufgewühlt. Auch er würde am liebsten der schweren Situation ausweichen. Aber er tut es nicht, stattdessen stellt er sich der Situation. Er nimmt sie an. Vollkommen. Deshalb sucht er die Stille auf, will sich sortieren und ganz mit Gott verbinden. Gottes Wille möge geschehen. Beeindruckend: Jesus schafft es, Gottes Willen über seine eigenen existentiellen Bedürfnisse zu stellen! Interessant, dass genau in diesem Moment „der Engel vom Himmel ihm (neue) Kraft" gibt.
Ist es zu weit hergeholt, eine Analogie zu unserer Situation als Menschheit im Anthropozän herzustellen? Die Menschheit als Ganze steht durch ihre Art zu leben, v.a. aufgrund der Menschen im globalen Norden, also uns, vor einer unglaublich schweren Situation: heftige Kriege, Artensterben, Klimawandel, Kipppunkte, die sehr bald erreicht sein könnten, ökonomische Verwerfungen, dramatischer Hunger, große soziale Ungerechtigkeiten. Viele haben kaum noch Hoffnung auf eine gute Zukunft und versuchen deshalb, all diese Realitäten gar nicht an sich heran zu lassen. Wie die Jünger scheinen sie aufzugeben. Sie sind überfordert.
Ist es nicht eine biblisch fundierte Alternative gerade jetzt in dieser so hoffnungsarm erscheinenden Zeit wie Jesus in die Stille zu gehen, all meine und unsere Gedanken vor Gott zu bringen und Gott um eine gute Lösung zu bitten, zu der wir dann auch das Unsere beitragen wollen? Vielleicht wird uns genau auch dann eine große Kraft geschenkt, die uns Hoffnung und Mut gibt und uns so mitbauen lässt an einer besseren Welt.
Ex 12,1-8.11-14 (Das Pascha/Der Auszug aus Ägypten)
Ein Text, der durchaus auch Gewalt gegen andere Menschen, gegen Tiere beinhaltet. Aber ebenso ein Text, der den Unterdrückten Schutz und Rettung verspricht – und ihnen ein Fest verheißt.
Deutlich wird, dass Gott bedingungslos zu seinem Volk hält. Ebenso steht Gott eindeutig auf Seiten der Unterdrückten. Gleichzeitig geht Gott gegen die Unterdrückenden entschieden vor.
Auf unsere Zeit hin beleuchtet würde das bedeuten, dass Gott auf Seiten der Gesellschaften im globalen Süden steht, weil diese Menschen unter den ökonomischen Diktaten der Herrschenden im globalen Norden stehen. Ebenso leiden die Menschen im Süden unter dem oft grenzenlosen Ressourcenfraß der Menschen im Norden. Ein Beispiel: obwohl die Menschen im Süden nahezu Nichts zum Klimawandel beigetragen haben, müssen sie viel mehr darunter leiden als wir Verursacher im Norden, z.B. durch Dürren, Überschwemmungen, Hunger. Gott wird nach biblischer Lesart auf ihrer Seite stehen.
Wenn wir im globalen Norden heutzutage zu großem Leid für andere Gesellschaften beitragen, müssen wir uns dann fragen, ob Gott eines Tages auch gegen uns entschieden vorgeht?
Noch ein kleiner Zusatzgedanke: Mit diesem Ritual, dass Gott seinem Volk gibt, wird deutlich, dass Rituale auch für Gesellschaften ganz wichtig sein können: sie schaffen Identität, sie geben Halt und Hoffnung, weil sie dabei helfen, sich der Verbindung untereinander und mit Gott immer wieder zu vergewissern. Insofern scheint es hilfreich, solche identitätsstiftenden Rituale sich immer wieder neu – für die jeweilige Zeit und Herausforderung angepasst – schenken zu lassen bzw. zu suchen.
1 Kor 11,23 – 26 (Die rechte Feier des Herrenmahls)
Dieser Text ist im Zusammenhang mit dem Text direkt zuvor (1 Kor 11,17-23) und danach (1 Kor 11,27-34) zu lesen. Hintergrund ist, dass in der Zeit der ersten Christengemeinden das sogenannte „Herrenmahl" eine Einheit mit einem „richtigen" Essen, einem Sättigungsmahl, bildete. Allerdings bildeten sich dann Missstände heraus: die wohlhabenden Gemeindemitglieder aßen sich schon zu Beginn des Abends satt, während die Ärmeren zu diesem Zeitpunkt oft noch arbeiten mussten und deshalb Nichts mehr zu essen bekamen („...der eine hungert, während der andere schon betrunken ist"). Eine solche Feier verurteilt Paulus. Sie widerspricht auch jeder christlichen Gemeinschaft, in der das Teilen immer konstitutiv dazu gehört. Die Christ*innen bilden den einen Leib Christi. Sie gehören zusammen und sind füreinander verantwortlich.
Eine unchristliche Verteilung der Güter und auch von Lebensmitteln gibt es auch heute: während im globalen Süden Millionen Menschen auch heute noch verhungern (aktuell hungern etwa eine Milliarde Menschen!), leiden ebenso viele Menschen im globalen Norden an den Folgen eines Überkonsums. Ein Skandal ist, dass es im globalen Süden häufig ausreichend Lebensmittel gibt, viele aber exportiert werden.
Auch bei uns vor Ort gibt es solche Aufspaltungen: der Bedarf der Tafeln wird immer größer. Unglaublich in diesem Zusammenhang, dass „Containern" noch immer verboten ist: abgelaufene, aber noch genießbare Lebensmittel werden in großen Containern entsorgt; Menschen, die diese Lebensmittel aus ethischen Gründen „retten" wollen, begehen damit sogar eine Straftat, weil sie den Besitz eines Unternehmens „stehlen", obwohl dieser nur weggeworfen und niemand mehr davon ernährt werden wird.
Christ*innen haben zweierlei Aufgaben: Einerseits in den eigenen Gemeinschaften darauf zu achten, dass alle im wörtlichen und im übertragen Sinne satt werden. Andererseits im gesellschaftlichen Kontext sich für eine gerechtere Verteilung der Güter einzusetzen, auf ungerechte Strukturen hinzuweisen und mehr Gerechtigkeit einzufordern. Jesus ist unser Vorbild, er hat sich ganz für Andere eingesetzt, bis hin zur Selbstaufgabe. Die Eucharistie ist unter all diesen Aspekten mit einer Vielzahl von Aspekten belegt: gemeinschaftsbildend, mit Christus verbindend, eine Aufforderung zum gerechten Handeln, ein Verweis auf „himmlische", aber noch nicht real existierende Zustände unter uns Menschen ...
Joh 13,1-15 (Die Fußwaschung)
Jesus stellt die Maßstäbe unserer Welt immer wieder auf den Kopf. Exemplarisch wird dies deutlich in der Geste Jesu, als er seinen Jüngern die Füße wäscht. Das war zur Zeit Jesu Aufgabe der Sklaven. Jesus gibt uns ein Beispiel und wir alle sollen ihm nacheifern: unseren Mitmenschen viel Gutes tun, ja sie lieben. Für Nichts sollen wir uns zu schade sein. Auch nicht für das, wofür wir nach gesellschaftlichen Maßstäben gar nicht „zuständig sind". Wir sollen alle einander dienen, zum Wohle jeder/s Einzelnen und zum Wohle der Menschheit.
In der Realität sieht unsere Welt noch anders aus: Viele streben nach Reichtum, Macht, Einfluss, eigenem Wohlbefinden (notfalls auch auf Kosten von Anderen). Manchen Menschen gelingt es davon Abstand zu nehmen, sie nehmen sich ein Beispiel an Jesus: Einzelne, die sich für eine bessere und gerechtere Welt einsetzen, wie z.B. Teile der „For Future"-Bewegung, in der sich auch alte Menschen, die nicht mehr lange leben werden, für eine lebenswerte Zukunft der jüngeren Generationen einsetzen. Andere Beispiele sind Menschenrechtsaktivist*innen in Unrechtsstaaten, die ihr Leben für die Rechte von unterdrückten Bevölkerungsgruppen einsetzen. Diese Aufzählung ließe sich lange fortsetzen. Sie schenkt Hoffnung. Denn sie hilft uns auszumalen, wie eine, unsere, Welt aussehen würde, wenn wir alle leben würden, wie Jesus uns aufgetragen hat: achtsam und liebevoll mit all unseren Mitmenschen umzugehen.
Nehmen Sie sich drei Minuten in Stille, um sich diese Welt Jesu vorzustellen, und überlegen Sie sich am Ende, was Sie als nächsten Schritt dazu beitragen wollen, dass diese Welt Stück für Stück mehr Realität werden kann.
Christoph Fuhrbach, Speyer