Gründonnerstag [III/A]
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Mk 14, 17-26 | Jes 61, 1-3a.6a.8b-9 | Offb 1, 5-8 | Lk 4, 16-21 |
Allgemein
Gründonnerstag ist Teil des Zyklus der Heiligen Woche, die mit dem Einzug in Jerusalem zu Palmarum triumphal begann, und nun mit dem Verrat des Judas dramatisch kippt, um mit Verhör, Verurteilung, Kreuzigung und Tod Jesu zunächst alles in Frage zu stellen, wofür Jesus für seine Jünger und Anhänger stand. Es beginnt eine dunkle Zeit, und die Ernsthaftigkeit der Trauer und Verzweiflung sollte ernstgenommen werden, auch wenn wir die Freude der Osternacht im Glauben schon antizipieren.
Zum Thema Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit ist ein Begriff, der in vielen Lebensbereichen Anwendung findet – und entsprechend unterschiedliche und vielschichtige Bedeutungen haben kann. Gemeinsam ist ihnen, dass es je darum geht, die Überlebensfähigkeit eines Systems (sozial, ökologisch, ökonomisch…) sicherzustellen, und zwar in einer Weise, dass die Chancen künftiger Generationen durch das Verhalten der gegenwärtigen Generation nicht geschmälert werden.
Bezogen auf den Glauben stellen die Ereignisse des Gründonnerstags Nachhaltigkeit zunächst einmal in Frage. Der Verrat des Judas droht die Gemeinschaft Jesu und seiner Jünger zu zerstören. Der Tod Jesu droht die Hoffnungen und Erwartungen der an ihn Glaubenden zu zerstören. War also nichts von dem, was uns die Evangelisten bis zu diesem Abend berichtet haben nachhaltig?
Erst der Blick auf Ostern zeigt, dass die Krise des Glaubens den Keim einer viel größeren Hoffnung in sich trägt. Aus der Gemeinschaft der Jünger erwächst die Kirche, aus der Hoffnung vieler Zeitgenossen auf die Errichtung eines unabhängigen jüdischen Königreichs erwächst das anbrechende Reich Gottes in seiner spannungsvollen Wirklichkeit des Schon-jetzt und Noch-nicht.
Bezogen auf ökologische, soziale oder ökonomische Nachhaltigkeit trägt die Osterbotschaft vor allem eines aus: Unser endliches Leben ist stets in der Perspektive des kommenden, neuen Lebens zu sehen: Was nützt es deshalb dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Der Gott des Lebens hat alle Menschen, auch künftige Generationen, und seine ganze Schöpfung in sein Heilsversprechen eingeschlossen. Wer daran partizipieren will, kann es nicht für sich allein reklamieren, sondern muss anstreben, sich im Einklang mit Gottes eigener Weltzugewandtheit zu verhalten: Denn so sehr hat Gott diese Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.
Zu den biblischen Texten:
Evangelischer Predigttext: Mk 14,17-26
Gottes Erlösung ist nicht von der Welt, sondern in der Welt von deren gottfernen Zwängen zu denken. Die Einsetzung des Abendmahls steht für die Weltzugewandtheit Gottes: So wie Gott in Leib und Blut Jesu zu dessen Zeit als sterblicher Mensch ganz anwesend war, so wird er ganz in Brot und Wein anwesend sein, das in seinem Namen geteilt wird. Gottes Reich und diese Welt, Gott und Schöpfung sind keine unversöhnlichen Gegensätze, sondern durch Christus als lebendiges Zeichen von Gottes Liebe unauflöslich miteinander verbunden. Gott wird nicht auffindbar durch Abwendung von der Welt, sondern durch Zuwendung zur Welt. Er ist in Brot und Wein gegenwärtig, aber auch im Nächsten an den er uns weist: Was wir den geringsten unter unseren Brüdern tun, das tun wir ihm. Diese Welt ist der Ort der Gottesbegegnung, und unser Verhältnis zur Welt spiegelt unser Verhältnis zu Gott.
Katholische Lesungen
Joh 1,1-15
Die Fußwaschung ist das Sinnbild der Umkehrung aller weltlichen Maßstäbe, die uns Maria im Magnifikat ankündigt. Gott stürzt nicht nur die Mächtigen vom Thron, er selbst steigt vom Thron herab. Dabei tauscht er nicht nur den himmlischen Thron mit einem irdischen, sondern wird zum Diener aller. Nur diesem Verständnis von Herrschaft ist die Zusage von Dauer gemacht – alle andere Herrschaft wird vergehen, bzw. von Gott aktiv beendet. Auch der Mensch, der sich als Ebenbild Gottes als „Krone der Schöpfung“, sehen darf, muss dieses Herrschaftsverständnis anlegen, wenn er sich die Erde untertan macht / unterwirft.
Ex 12,1-8.11-14
Bei diesem Text ist es schwierig, einen unmittelbaren Nachhaltigkeitsbezug herzustellen – er ergibt sich eher aus dem Kontext der Exodus-Erzählung als ganzer. Die Unterjochung von Menschen hat keinen Bestand. Auch heute gibt es viele Formen moderner Sklaverei, und wir profitieren so von Ihnen, wie damals die Ägypter von der Fronarbeit der Israeliten. Näherinnen in Bangladesh, Minenarbeiter im Kongo, Kinder in indischen Steinbrüchen, Plantagenarbeiter in Lateinamerika und viele andere. Auch die Schöpfung als ganze wird unterworfen – d.h. sie wird ihrer Selbstzwecklichkeit beraubt, einzelne Elemente werden aus ihrer natürlichen Einbettung in Ökosysteme gerissen, und verbraucht: von der Fleischproduktion über die gentechnische Veränderung von Organismen bis zur Zerstörung wichtiger Lebensräume. Einer solchen „Vernutzung“ von Leben steht die Exodus-Geschichte als Narrativ des Lebens entgegen. Gott führt die seinen mit machtvoller Hand aus der Sklaverei. Er straft die Herren. Aber er wird diese Rettung künftig auch dem eigenen Volk vorhalten: Schützt den Fremden, denn ihr seid Fremde gewesen in Ägypten. Den Unterjochten ist Rettung zugesagt, und die Geretteten werden in die Verantwortung genommen, selbst kein Unrecht mehr zu tun. Nur in dieser Spannung können Gerechtigkeit und Frieden wachsen und bleiben.
1 Kor 11,23-26
s.o. „evangelischer Predigttext“
Dr. Patrick Roger Schnabel, Berlin