Gründonnerstag als Chrisam-Messe (06.04.23)

Gründonnerstag als Chrisam-Messe

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Lk 22,39-46 Jes 61, 1-3a.6a.8b-9 Offb 1, 5-8 Lk 4, 16-21

Chrisam-Messe am Gründonnerstag

In der Chrisam-Messe, die üblicherweise in den Bischofskirchen gefeiert wird, werden die heiligen Öle durch den Bischof geweiht: Chrisam für die Salbung der Getauften, für die Firmung, Priester- und Bischofsweihe und für die Weihe von Kirchen und Altären; Katechumenenöl für die Salbung vor der Taufe; Krankenöl für das Sakrament der Krankensalbung.

Die Salbung von Königen und Priestern, teils auch von Prophetinnen und Propheten, ist ein altes Ritual, das der Stärkung der Person für ihren Dienst dienen soll. Im religiösen Ritual wird damit die Verbundenheit mit Gott ausgedrückt: die Salbung symbolisiert, dass Gottes Geist die Gesalbten erfüllt und ihr Tun und Denken davon bestimmt ist.

Christinnen und Christen, das sagt schon der Name selbst, sind Gesalbte, die sich zu Jesus Christus, dem Gesalbten bekennen. Als Getaufte/Gesalbte haben wir Anteil am königlichen, priesterlichen und prophetischen Amt.

Lk 22,39-46 (Predigttext der EKD) wird hier nicht ausgelegt, weil es sich bei der Chrisam-Messe um eine ausschließlich katholische Tradition handelt und Impulse zu diesem Text im Gottesdienst zum Gründonnerstag zu finden sind.

Jes 61,1-3a.6a.8b-9

„Der Geist Gottes ruht auf mir, weil der Herr mich gesalbt hat" – so eröffnet der Prophet seine Rede. Die Salbung macht ihn stark für seinen Auftrag, Gottes Heil in der Welt zu verkünden. Dieses Heil kehrt bestehende Verhältnisse um: Menschen mit gebrochenem Herzen erfahren Heilung, Gefangene und Gefesselte werden frei, Besitzverhältnisse werden nach Maßstäben der Gerechtigkeit wiederhergestellt, Trauernde getröstet, Blinde werden sehend, Freude und Tanz, Jubel statt Verzweiflung erfassen alle Menschen. Diese werden selbst zu denjenigen, die Gottes Heil unter allen Völkern zum Leuchten bringen, weil Gottes Segen auf ihnen ruht.

Ein wahrhaft paradiesisches Bild: Zustände, wie wir sie schon lange nicht mehr zu erhoffen wagen, weil wir um die Menschheit wissen und Gottes Kraft oft vergeblich in den Wirren der Zeit suchen. Das unterscheidet uns nicht von den Menschen damals – die Umstände waren anders, aber nicht besser. Doch die Worte des Propheten machen deutlich, dass die Salbung durch Gott Folgen mit sich bringt. Gesalbte können gar nicht anders, als sich mit Leib und Seele in den Dienst Gottes zu stellen – das gilt für den Propheten genauso wie für alle, die Gottes Wort vertrauen. Auch sie sind Diener Gottes. Auch sie sind zum Dienst an den Menschen und im Schöpfungswerk Gottes befähigt, das Gute, Heilsame, Befreiende mitzugestalten und die ganze Kraft dafür einzusetzen. Die Erinnerung an das Paradies, das Spüren, dass Gottes Atem jeden und jede lebendig macht, dass Gottes Geist Kraft verleiht, das Unmögliche zu glauben und zu tun, - letztlich sich als Geschöpf Gottes, als sein Werkzeug zu verstehen in dieser Welt, konkretisiert die Berufung eines und einer jeden an seinem und ihrem Platz. Die Salbung drückt dies zeichenhaft aus, nimmt uns in den Bund Gottes mit den Menschen hinein.

Sich als Diener und Dienerinnen Gottes zu verstehen, bewirkt auch, dass alle vor Gott gleich sind und nach ihrer je eigenen Berufung das königliche, priesterliche und prophetische Amt auszuüben. Keiner dieser Dienste darf gegen den anderen ausgespielt werden. Der Maßstab für jeden Dienst ist einzig und allein, das Heilsame, das Befreiende, das Lebenermöglichende in die Welt und zu den Menschen zu bringen und die Erinnerung daran wachzuhalten. Deshalb nennen wir uns Christinnen und Christen, die in der Taufe gesalbt wurden.

Offb 1,5-8

Der neutestamentliche Lesungstext betont die Würde, die mit dem königlichen und priesterlichen Dienst verknüpft und im Schöpfungshandeln Gottes zugrunde gelegt ist. Wir Menschen sind Teil dieser Erde, mit ihr verbunden als Geschöpfe Gottes und gleichzeitig mit Gott verbunden in der Ebenbildlichkeit. Das allerdings führt nicht dazu, dass Menschen deshalb besonders verehrt werden müssten oder ihnen eine besondere Stellung zukäme. Vielmehr resultiert daraus, dass sich alle Verehrung und jedes Bekenntnis auf Gott, den Herrscher des Alls und seinen gesandten Sohn, Jesus Christus, den Gesalbten, und die Schöpfung insgesamt richtet.

Lk 4,16-21

Diesen Text wird als Antrittsrede Jesu in Nazareth überschrieben. Lukas, der Evangelist, legt als Schriftlesung beim Synagogengottesdienst Jes 61 zugrunde – den Jesus vor allen offensichtlich mit beeindruckenden Worten auslegt. Heute hat sich das Schriftwort erfüllt – dem stimmen die Zuhörer noch zu. Doch als Jesus auf ihre Nachfrage, wie ein „einfacher Mensch, Josefs Sohn" dazu fähig sein kann, die Heilkraft und Sendung der Propheten anführt, entsteht solch heftiger Streit, dass die Menschen ihn zu Tode stürzen wollen. Wie schnell kippt die Begeisterung in tödlichen Hass um!

Wenn Worte sich erfüllen, wenn Sprache wirkmächtig ist, dann wird Veränderung zum Programm, das nicht nur Utopie bleibt. Das kann für Einige durchaus nachteilig sein bzw. zumindest bisherige Gewohnheiten oder gar Vorzüge aufheben. Propheten und Prophetinnen reden nicht nach dem Mund, sind keine Lobbyisten, sondern stehen mit Leib und Leben, weil gesalbt, im Dienst Gottes. Gesalbt zu werden ist kein harmloser und schon gar kein unbedeutender Vorgang. Gesalbt zu sein heißt, nicht so weitermachen zu können wie bisher. Gesalbter Gottes zu sein, bedeutet Gottes Maßstab an alles anzulegen und dem Heilsamen wieder Raum zu geben. Schwache, Benachteiligte, alle, die nicht am guten Leben partizipieren können, werden dabei besonders beachtet.

Auch das mag paradiesisch klingen. Zunächst, weil es so wirklichkeitsfremd scheint und gleichzeitig so ganz konkret und realitätsnah. Dann aber auch, weil das Paradies die Bedeutung jedes einzelnen Wesens, jeder einzelnen, noch so kleine Pflanze, jede winzige Schöpfung zur Sprache bringt. Es hat schließlich noch etwas Paradiesisches, weil am Glauben, dass Menschen gut, achtsam, gerecht sein können, dass sie miteinander und im Einklang mit der Schöpfung leben können, festgehalten wird.

Das ist das Programm Jesu: als Gesalbter Gottes den Segen des Sabbats, dem Tag der Vollendung der Schöpfung und das daraus resultierende Heil den Menschen zu verkünden. Das ist nicht mehr und nicht weniger als das Paradies, das schon jetzt da ist und auf seine Vollendung zugeht.

Barbara Janz-Spaeth, Stuttgart