Grußwort Weihbischof Lohmann

WeihbischofLohmann H213

WeihbischofLohmann H213Statement von Weihbischof Rolf Lohmann zum Schwerpunktthema »frei – fair – handeln« bei www.nachhaltig-predigen.de

(Foto: Bischöfliche Pressestelle/Christian Breuer)

Ich freue mich über die Gelegenheit, ein Grußwort an die Nutzerinnen und Nutzer von www.nachhaltig-predigen.de zu richten. Zunächst möchte ich allen an diesem Projekt Beteiligten, insbesondere den Autorinnen und Autoren der Predigtanregungen, sehr herzlich für ihren Einsatz danken. Die Plattform ist ein gutes Beispiel, wie Schöpfungsspiritualität in der Verkündigung und liturgischen Praxis der Kirche verortet werden kann. Sie kann somit auch ein Beitrag sein, die »Handlungsempfehlungen zu Ökologie und nachhaltiger Entwicklung für die deutschen (Erz-)Diözesen« umzusetzen, die die Deutsche Bischofskonferenz im Herbst 2018 veröffentlicht hat.

Das Schwerpunktthema von nachhaltig-predigen.de im Kirchenjahr 2021/2022 lautet »frei – fair – handeln«. Gerne steuere ich zu diesem großen Themenkomplex einige Gedanken bei – teils auch in Form offener Fragen, denn in vielen Fällen gibt es keine einfache Antwort.

Generationengerechtigkeit stärken

Eine wichtige Dimension von Fairness ist die Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Papst Franziskus stellt in seiner Enzyklika Laudato si' die Frage: »Welche Art von Welt wollen wir denen überlassen, die nach uns kommen, den Kindern, die gerade aufwachsen?« Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Klimaschutz-Beschluss vom 24. März 2021 festgestellt, dass das Grundgesetz den Gesetzgeber zur Sicherung grundrechtsgeschützter Freiheit über die Generationen hinweg verpflichtet. Dementsprechend sahen die Richter die Freiheitsrechte junger Menschen verletzt, wenn Klimaschutzmaßnahmen gegenwärtig unterbleiben. Wir sehen also, wie wichtig ambitionierter Klimaschutz heute ist – es muss alles darangesetzt werden, mit entschlossenen Maßnahmen den Klimawandel zu stoppen und das 1,5-Grad-Ziel der Erderwärmung einzuhalten. Dies ist auch ein Gebot der weltweiten Gerechtigkeit, denn die Menschen im Globalen Süden leiden – schon heute – am meisten unter den Folgen des Klimawandels.

Kernenergie als ethische Frage

Eine Technologie, bei der die Frage nach der Gerechtigkeit gegenüber nachfolgenden Generationen eine besondere Relevanz entfaltet, ist die Atomkraft, schließlich ist die Endlagerproblematik nicht gelöst und nukleare Unfälle sind nie völlig auszuschließen. Die »Taxonomie«, also das Regelwerk auf EU-Ebene zur Einordnung des Nachhaltigkeitsgrades von Investitionen, bewertet Kernenergie als eine Übergangstechnologie auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität, aber nicht als nachhaltige Energiequelle für die Menschheit für alle Zeiten. Mir scheint es wichtig, für die eigene Sichtweise zu werben, aber auch zu respektieren, dass die Einschätzung zu dieser Technologie in anderen Ländern von der Position der deutschen Bundesregierung abweicht. In Debatten und Verhandlungen dürfen wir davon ausgehen, dass niemand solche grundlegenden Entscheidungen leichtnimmt. Wie sieht nun der richtige Weg aus? Welche Alternativen sind zu welchen Kosten möglich? Wie viel Energie brauchen wir überhaupt? Auch bei uns ist die Debatte über Chancen und Risiken der Kernenergie unter veränderten globalen Rahmenbedingungen noch nicht beendet. Festzuhalten ist, dass der Umgang mit der Kernenergie eine zutiefst ethische Frage ist, denn kaum eine andere Technologie verdeutlicht so sehr die Ambivalenz zwischen nutzbringender Leistungsfähigkeit und zerstörerischem Potential von Technik. Es war daher angemessen, dass die Bundesregierung nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 eine Ethik-Kommission Sichere Energieversorgung eingesetzt hat. Ein zentrales Gebot der Fairness ist es vor diesem Hintergrund auch, die Endlagerfrage in Deutschland zu lösen. Dies muss gründlich geschehen, aber eben auch in absehbarer Zeit, damit diese Problematik nicht noch zusätzlich künftigen Generationen aufgelastet wird.

Der »Gerechte Frieden«

Während ich diese Zeilen verfasse, blickt die Welt erschüttert auf den Krieg in der Ukraine. Das Ausmaß der Gewalt ist erschreckend und es ist unbedingt zu hoffen, dass die Waffen bald schweigen. Gleichwohl ist die einhellige Verurteilung des nicht zu rechtfertigenden Angriffskrieges durch fast alle Länder der Welt ein Lichtblick. Der Moraltheologe Franz-Josef Bormann hat in einem Interview auf katholisch.de am 3. März 2022 im Zuge von Überlegungen zum »Gerechten Krieg« darauf hingewiesen, dass in diesen Kontext auch die präventive Konzeption des »Gerechten Friedens« gehört. Das bedeutet demnach, »in Friedenszeiten demokratische Strukturen zu implementieren und die Demokratie zu stärken« sowie »gerechte Wirtschaftsbeziehungen im globalen Maßstab« aufzubauen. Welche Chancen bietet beispielsweise das geplante EU-Lieferkettengesetz und was ist dabei zu bedenken? Welche Kriterien rücken bei neuen Freihandelsabkommen in den Vordergrund? Was braucht es noch? Welche Verantwortung kann oder muss jede und jeder Einzelne wahrnehmen? Hierüber muss wohl noch mehr nachgedacht werden, auch aus einer christlichen Perspektive, bei der spirituelle Impulse eine wichtige Rolle spielen. Deswegen begrüße ich das Jahresthema »frei – fair – handeln« sehr und hoffe, dass im Zuge dessen auch neue, nützliche Erkenntnisse gewonnen werden können.

 

Rolf Lohmann ist Weihbischof im Bistum Münster und Vorsitzender der Arbeitsgruppe für ökologische Fragen der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz (»Umweltbischof«).