Invokavit / 1. Fastensonntag (18.02.24)

Invokavit / 1. Fastensonntag

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Mt 4,1-11 Gen 9, 8-15 1 Petr 3, 18-22 Mk 1, 12-15

Verortung im Kirchenjahr

Mit dem Sonntag Invokavit beginnt die siebenwöchige Passionszeit, die im katholischen Bereich auch explizit als Fastenzeit benannt wird. Die Aktion „Sieben Wochen ohne“ hat sich seit Jahren aber auch im evangelischen Bereich etabliert als ein Zeitraum, in dem die Frage nach dem Lebensstil gestellt wird: Was brauchen wir für ein gutes Leben, was brauchen wir nicht, worauf können wir verzichten, was gewinnen wir im Verzicht?

Evangelischer Text

Mt 4,1-11

Der mit „Jesu Versuchung“ überschriebene Textabschnitt Mt 4,1-11 schließt sich an die Geburtsgeschichte Mt 1 und 2 und das Auftreten Johannes des Täufers, der Jesus tauft (Mt 3,13-17), an.

Jesus wird vom Geist in die Wüste geführt, „damit er von dem Teufel versucht würde“ (V1b). Nach 40 Tagen des Fastens tritt der Versucher Jesus gegenüber. Jesus soll die Steine der Wüste zu Brot machen und sich von den Zinnen des Tempels stürzen als Beweis, dass er Gottes Sohn ist. Und der Versucher bietet ihm die Herrschaft über alle Reiche der Welt an, wenn er ihn anbetet.

Jedes Mal widersteht Jesus der Versuchung, weist sie zurück und antwortet mit einem Bibelzitat, alle aus dem 5. Buch Mose.

Es sind drei große Versuchungen:

  • den Hunger in der Welt zu stillen,
  • unverletzbar – vielleicht auch unangreifbar - zu sein,
  • Macht in dieser Welt zu haben.

In dieser Pointierung haben diese Versuchungen eine hohe Aktualität – gerade auch für Menschen, die nach einem guten Leben für alle suchen und sich dafür einsetzen: Wer wollte nicht …

  • … den Hunger in der Welt stillen, nicht nur den Hunger nach Brot, sondern nach all dem, was es zu einem guten und menschenwürdigen Leben braucht.
  • … unverletzbar sein, keine Angst haben müssen, in all den Gefahren und Risiken der Welt unterzugehen, ja auch bewusst Gefahren und Risiken eingehen können, die ein Engagement für eine bessere Welt mit sich bringen kann.
  • … Macht haben, den Lauf der Welt zu ändern, schlimme Entwicklungen zu stoppen, Widersachern in ihre Schranken zu verweisen, Schuldige zur Rechenschaft zu ziehen.

Es liegt auf der Hand, wie nah diese Versuchungen im Bemühen um Frieden, Gerechtigkeit, Klimaschutz, Nachhaltigkeit sind – angesichts von so viel Trägheit, Halbherzigkeit, Verlogenheit und partikularen Interessen.

Aber dem Angebot des Versuchers zu folgen, hieße sich der Macht des Bösen zu verschreiben, imperialer Macht mehr zuzutrauen als Gott.

  • Wer Steine zu Brot machen kann, braucht niemanden, ist auf keinen anderen Menschen angewiesen, um überleben zu können.
  • Wer unverletzbar ist, lässt sich von nichts anrühren, kann sich in keine Angst oder Sorge einfühlen.
  • Wer alle Macht hat, entscheidet allein, lässt sich von niemandem beeinflussen, korrigieren oder in Frage stellen.

Jesus widersteht dem, setzt sein Vertrauen allein in Gott und überlässt die Welt damit nicht den Machenschaften und der Logik des Versuchers.

Unsere Aufgabe heute ist es, ebenfalls der Logik und den Machenschaften imperialer Macht zu widerstehen, sie als solche zu benennen und uns ihrer Anziehungskraft zu verweigern.

Unser Widerspruch ist gefordert, wo z.B. Klimaschützern solche imperiale Macht unterstellt und zugeschrieben wird, wenn sie als Klimaterroristen tituliert werden, oder wo Klimapolitik als Klimadiktatur denunziert wird.

Unsere Aufgabe heute ist es aber auch, denen zu widerstehen, die sich nach starken Männern und autoritärer Herrschaft sehnen und meinen, dass dadurch die Probleme schneller und effektiver gelöst werden können.

(Vgl. zu diesen Gedanken auch den Beitrag von Katharina Scholl in „Denkskizzen 6. Zu den Predigttexten der sechs Perikopenreihen“, Hg. Johann Hinrich Claussen, Stuttgart 2023, S. 101-104, der mich inspiriert hat.)

Katholische Texte

Gen 9, 8-15 

Der Textabschnitt Gen 9,8-15 ist der Abschluss der Sintflutgeschichte. Gott setzt den Regenbogen ein als Zeichen seiner Treue, dass es keine solche Flut mehr geben soll. Heute, Anfang September 2023, berichten die Nachrichten von nie dagewesenen Fluten in Griechenland – nach wochenlangen Waldbränden.

Hat Gott sein Versprechen zurückgenommen? Haben wir seine Treue verspielt? Ist Gott ohnmächtig gegenüber unserem Raubbau an seiner Schöpfung? Hat das Böse die Weltherrschaft denn schon übernommen? Fragen, die sich angesichts solchen Infernos (ein Plural dieses Wortes gibt es gar nicht!) durchaus stellen.

Ich möchte den Regenbogen als Symbol der Treue Gottes stark machen. Er hat über den Kontext der Sintflutgeschichte hinaus eine so große Verbreitung, auch in anderen Religionen, dass er zum völkerverbindenden Symbol für Frieden (Pace-Fahne), für ein geschwisterliches Zusammenleben in Diversität (Zeichen der queeren Community), der Hoffnung auf den Anbruch einer neuen Zeit (Thomas Müntzer) dienen kann. (vgl. auch https://www.katholisch.de/artikel/30358-der-regenbogen-zeichen-fuer-diversitaet-mit-religioeser-symbolik abgerufen am 6.9.2023)

Mk 1,12-15

Dieser Abschnitt greift auch die Versuchung Jesu in der Wüste auf, legt den Fokus aber auf den Aufruf zur Buße. Angesichts des Zustandes der Welt kann dieser klassische Invokavit-Text in vielfältiger Weise aktuell ausgelegt werden. Innehalten, Umdenken, Buße tun lässt sich an den verschiedensten Themen durchdeklinieren: Ressourcenverbrauch, Mobilität, Ernährung, Welthandel ...

Barbara Kohlstruck, Ludwigshafen

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