Invokavit / 1. Fastensonntag (18.2.18)

Invokavit / 1. Fastensonntag [1]

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
2 Kor 6, 1-10 Gen 9, 8-15 1 Petr 3, 18-22 Mk 1, 12-15

Zur Einstimmung

Nachhaltigkeit kann beschrieben werden als Entwicklung auf Zukunft hin. Eine Entwicklung, die möglichst vielen Menschen Teilhabe ermöglicht (vgl. die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele) und so zu einem gerechteren Miteinander fĂŒhrt. Nur in Verbindung mit Nachhaltigkeit kann ZukunftsfĂ€higkeit[2] entstehen – und vielleicht braucht das Engagement fĂŒr Nachhaltigkeit zu allererst auch den Glauben an eine lebenswerte und mit Gott verbundene Zukunft.

Was macht uns zukunftsfÀhig? Welche Gaben und Aufgaben muss es in einer auf Zukunft ausgerichteten Christenheit geben? Was motiviert uns, an ZukunftsfÀhigkeit und Nachhaltigkeit zu arbeiten?

Aspekte dieser Fragen entdecke ich in den vorliegenden Texten zum 1. Sonntag in der Fastenzeit.

2. Kor. 6,1-10

Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth, die Gemeinde, der gegenĂŒber er sich immer wieder erklĂ€ren und beweisen muss. Es geht darum, jetzt zu handeln – und in den Dienst Gottes zu treten. Paulus hat dabei die ZukunftsfĂ€higkeit der Gemeinde im Blick: wer jetzt die Chance ergreift, wird sich auch langfristig als Gottes Diener erweisen. Paulus malt deutlich aus, was der Gemeinde und den einzelnen Mitgliedern widerfahren kann, wenn sie sich in den Dienst Gottes begeben. Und wie sich diese Dienerschaft auswirkt, in Geduld, in Nöten, in Ängsten.. aber auch in der Kraft Gottes, mit den Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken. Letztlich, darauf weist Paulus mit diesen Versen hin, geht es darum, auf die Vollendung von Gottes Gerechtigkeit zuzugehen, die schon vollzogen, aber noch nicht umgesetzt ist. In diese Spannung des „schon jetzt“ und „noch nicht“ hinein formuliert Paulus die Begriffspaare der GegensĂ€tzlichkeit in der letzten Passage des ausgewĂ€hlten TextstĂŒckes: „ 
als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben und doch alles haben.“

Leben auf Verheißung hin und sich in solchem Leben unter dem Dienst Gottes zu stellen und sich darin zu bewĂ€hren – das bedeutet zukunftsfĂ€higes, nachhaltiges Leben, in dem die Spannungen der Jetztzeit aufgehoben sind.

Gen. 9, 8-15

In der Geschichte von Noah wird eindrucksvoll die Zukunft dargestellt, die Gott den Menschen mit seinem Bund verspricht. Eben noch war alles Leben bedroht und den Fluten ausgeliefert, da lĂ€sst sich Gott anrĂŒhren von Noah und seiner Familie: „ Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (Gen. 8,22). In diesen Kreislauf des Werdens und Vergehens, des Wachsens und Erntens hinein spricht Gott seinen Bund zu Noah und seinen Söhnenaus. Gott richtet seinen Blick in die Zukunft, macht Noah und seine Nachkommen zukunftsfĂ€hig – hinfort, wie Luther diesen Blick nach vorne ĂŒbersetzt, soll nicht mehr alles Fleisch ausgerottet werden und keine Sintflut mehr kommen. Die Schöpfung selbst soll die Menschen nicht bedrohen. Was bedeutet diese Verheißung jedoch angesichts der Zerstörungen, die die Menschheit selbst vornimmt und die in immer stĂ€rkerer Weise spĂŒrbar und sichtbar werden, auch wenn nicht alle Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft diese Gefahr sehen wollen?

Die Folgen von langfristigen und generationenĂŒbergreifenden VerĂ€nderungen im System der Natur, die durch den Menschen ausgelöst werden, stehen aus meiner Sicht nicht unter dieser Verheißung, sondern gehören in den Verantwortungsbereich des Auftrags, den Gott gegeben hat: „Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.“ (Gen. 2, 15). Diesen Auftrag zu erfĂŒllen, trotz des menschlichen Scheiterns, das nach der Logik der Schöpfungsgeschichte auch zur Sintflut gefĂŒhrt hatte, bleibt auch durch den Bund mit Gott unberĂŒhrt.

So erinnert der Regenbogen an den Bund mit Gott und steht als Verheißung zwischen Himmel und Erde. Er verbindet als deutlich sichtbares Zeichen der Natur die Zusage Gottes auf Zukunftmit der Verantwortung, die die Menschen haben, um zukunftsfĂ€hig zu bleiben.

Mk 1, 12-15

Dieser Text, der ĂŒber den Beginn des Wirkens Jesu erzĂ€hlt, fĂŒhrt uns in die existentiellen Aussagen seiner Predigt. Nach seiner Taufe durch Johannes, so wird es uns ĂŒberliefert, wird Jesus zunĂ€chst vierzig Tage in der WĂŒste „versucht“. Was mag in dieser Zeit in ihm und mit ihm passiert sein? Sicher war es eine Zeit der Entbehrung und Anfechtung, eine Fastenzeit, eine Zeit, in der Jesus sich auf das Wesentliche besinnen musste. Markus fĂŒgt hinzu: „
und war bei den Tieren, und die Engel dienten ihm.“ Vielleicht dĂŒrfen wir daraus auch den Einklang mit der Natur vermuten, den Jesus in dieser Zeit erlebte.

Sein Auftritt beginnt dann mit einer Zeitansage: „ Die Zeit ist erfĂŒllt, und das Reich Gottes ist nahe herbei gekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“

Im Blick auf unsere ZukunftsfĂ€higkeit können wir diese Ansage auch in unserer Zeit durchaus als Aufforderung zur Umkehr verstehen – jedes „weiter so!“ verschlimmert unsere soziale und ökologische Situation. Die schon genannten 17 Nachhaltigkeitsziele der UN[3]sind nur durch eine weltweite Änderung des Bewusstseins und des Verhaltens, vor allem der Industrienationen, zu erreichen.

Jesus stellt das Reich Gottes vor Augen. Es ist nahe, aber noch nicht gegenwĂ€rtig
 Sein Angebot fĂŒr diese „Übergangszeit“ ist das Evangelium, auch hier wieder die gute Nachricht von Gottes Zusage auf Zukunft. Und an das Evangelium zu glauben, heißt schließlich in der Konsequenz: sich fĂŒr Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung einzusetzen.

Barbara Deml, Berlin



[1]Den Überlegungen zu liegt LutherĂŒbersetzung 2017 zugrunde.

[2]Hans Jonas beschreibt ZukunftsfĂ€higkeit in seiner ‚Ethik der Verantwortung‘ so: „Handle so, dass die Wirkungen deines Handelns vertrĂ€glich sind mit echter Permanenz menschlichen Lebens auf Erden.“ (Hans Jonas, Das Prinzip der Verantwortung. Versuch einer Ethik fĂŒr die technologische Zivilisation, 1984).