Jubilate / 4. Sonntag der Osterzeit (08.05.22)

Jubilate / 4. Sonntag der Osterzeit

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
1. Mose 1,1-4a(4b-25)26-28(29-30)31a(31b); 2,1-4a Apg 13, 14.43b-52 Offb 7, 9.14b-17 Joh 10, 27-30


1 Mose 1

Exegetisches

Der Text beschäftigt sich mit der Schöpfung innerhalb von sechs Tagen. Beschrieben wird der Ursprünglicher Schöpfungsakt des Universums, der materiellen Himmel und seiner Bewohner. Es beginnt in einem chaotischen Anfang. Vers 2 stellt Chaos dar und kann als Folge des Bösen verstanden werden, das die ganze Erde in Mitleidenschaft zog. Hier ist nur von der Erde, nicht mehr von den Himmeln die Rede. Gott aber gibt die Erde nicht auf; daher beschäftigt sich der Geist Gottes mit dem Erschaffenen, um es wieder neu in einen Zustand der Ordnung zu bringen.

Gott spricht und schöpft. Die gesamte Welt wird als ein wohlgeordnetes Ganzes geschildert. Als Gott am Ende sein Werk im gesamten anschaut, beurteilt er es als „sehr gut“.

Gedankenanstösse

Der Schöpfungsbericht in 1 Mose 1 regt an, über die Bewahrung der Schöpfung nachzudenken. Was bedeutet es für mich persönlich, dass «Gott Himmel und Erde erschuf» (1 Mose 1,1). Verändert sich dadurch mein Umgang mit den Ressourcen der Natur?

Was bedeutet für mich «wüst», «wirr» und «Finsternis» als Gegensatz zu «Licht» (1 Mose 1,2). Diese Begriffe können in Beziehung gesetzt werden mit den Folgen des Klimawandels: Überschwemmungen und Dürren, Felsstürze und Küstenschwund, steigender Meeresspiegel und schmelzende Gletscher. Was bedeutet dann «Es werde Licht»? – Klimajugend, Klimastreik, Ausstieg aus der Atomindustrie, CO2-Reduktion, Verzicht auf Flugreisen, reduzierte Mobilität …

Menschen sind Ebenbilder Gottes! (1 Mose 1,26) Bewahrung der Schöpfung, Gerechtigkeit und Frieden beginnt da, wo ich meine Mitmenschen und mich unabhängig als Bild Gottes und betrachte ihnen auch so begegne. Wir alle sind Gottes geliebte Töchter und Söhne ohne Ansehen unseres gesellschaftlichen Standes, unseres Geschlechts, unserer Hautfarbe … Gott hat ALLE gesegnet (1 Mose1,28).

Gott erteilt den Menschen einen Auftrag (1 Mose 1,26): sie sollen walten (Einheitsübersetzung) bzw. herrschen (Lutherbibel, Zürcher Bibel) über die Mitgeschöpfe. Was bedeutet das für mich? Wenn ich Ebenbild Gottes bin, ihr ähnlich, verhalte ich mich so, wie sie. Und was bedeutet dann «walten» bzw. «herrschen»? Würde Gott seine Schöpfung ausbeutet, unterdrücken, vernichten? Vgl. auch 1 Mose 2,15

Ich erlebe die Natur nicht ausschliesslich in ihrer «Gutheit». Es gibt Dinge, bei denen die Aussage, dass alles, was Gott gemacht hat, sehr gut ist, auf Widerspruch stösst, z.B. aufgrund der Tatsache, dass Leben auf dieser Erde nur möglich ist, indem anderes Leben zerstört wird. Das gilt in der Betrachtungsweise der «Ehrfurcht vor dem Leben» nach Albert Schweizer nicht nur für diejenigen Lebewesen, die sich tierisch ernähren (Raubtiere, Raubfische, Menschen). Wie gehe ich mit diesem Widerspruch um?

Der «siebte» Tage ist geheiligt (2 Mose 1,3). Was bedeutet das für mich? Geht es hier um Arbeitsfreiheit, bewusste Erinnerung an das Göttliche, zur Ruhe kommen …?

Apg 13, 14.43b-52

Exegetisches

Das 13. Kapitel der Apostelgeschichte erzählt, wie Barnabas und Paulus nach Antiochien in Pisidien kommen. Der Lesungsabschnitt ist der zweite Teil des Auftrittes von Barnabas und Paulus in der Synagoge von Antiochia. Im ersten Teil (Apg 13,16-41) fokussiert Paulus auf die Verheissungen rund um David und seine Geschichte. Dann wird Jesus als der verheissene Retter präsentiert.

Trotz der Zustimmung durch einen Teil der Zuhörer*innen entsteht gleichzeitig ein Konflikt mit jüdischen Kreisen. Dadurch wendet sich Paulus den «Heiden» zu. Allen Konflikten zum Trotz –oder vielleicht gerade deswegen –überwindet die Frohe Botschaft nationale und ethnische Grenzen.

Gedankenanstösse

Paulus und die anderen wandern von einem Ort zum nächsten. Wie ist das bei mir? Welche Art der Fortbewegung wähle ich, wenn ich von einem Ort zum nächsten Unterwegs bin? Wie gestalte ich meine Entscheidung, welches Fortbewegungsmedium ich wähle (Schnelligkeit, Bequemlichkeit, Nachhaltigkeit, Gesundheit)?

In den Diskussionen, wie wir als Gesellschaft mit dem Klimawandel, dem Ressourcenverbrauch, dem Tierschutz, den Menschenrechten usw. umgehen sollen, machen sich immer wieder eine Art und Weise der Be- und Verurteilung Andersdenkender breit, die an die Situation von Paulus in Antiochia erinnert: da ist von Eifersucht, von Lästerungen die Rede und das führt zu Hetze und Verfolgung. Wie gehe ich mit Andersdenkenden um? Bin ich bereit, meine eigene Meinung und meine eigenen Werte in Frage stellen zu lassen?

Offb 7, 9.14b-17

Exegetisches

In der Lesung aus der Offenbarung des Johannes begegnen uns verstörende, intensive und manchmal bizarre Bilder. Den Zugang zum Text erleichtert, wenn man bedenkt, dass die Offenbarung des Johannes sich zweier Bezugspunkte bedient. Da ist einerseits das Erste Testament, die Heilige Schrift Israels. Der andere Bezugspunkt ist das Leben in Kleinasien gegen Ende des 1. Jahrhunderts n.Chr. im römischen Kaiserreich. Denken wir an das vorherrschende, ausbeuterische Wirtschaftssystem, eine Staatsideologie mit einem Kaiserkult usw. Viele Bilder aus der Offenbarung des Johannes werden verständlich, wenn sie auf ihre Bezüge zum Ersten Testament und zur Lebenssituation der Gemeinden hin befragt werden.

Beschrieben wird im Textabschnitt eine Vision des Johannes, in der er einen Blick in den Thronsaal Gottes werfen kann. Zu Gesicht bekommt er Menschen, die nach der grossen Drangsal mit neuem, glücklichem Leben getröstet werden und sich auf ein glückliches Leben freuen können. Das ist gleichzeitig Hoffnung für uns und kann ein Anstoss sein, dass wir einander das Leben nicht gegenseitig «zur Hölle machen».

Gedankenanstösse

Beschrieben wird ein neues Leben, in dem es keinen Hunger und keinen Durst mehr gibt: Weltweit hungern etwa 821 Millionen Menschen. Das sind 11 Prozent der Weltbevölkerung. Etwa 2 Milliarden Menschen leiden weltweit an Mangelernährung. Jeder 9. Mensch hat nicht die minimal erforderliche Nahrungsmenge zur Verfügung. Jeder zwölfte Mensch ist ein mangelernährter Mann oder Junge, jeder fünfte Mensch weltweit ist eine mangelernährte Frau oder ein Mädchen.

Sengende Hitze und Sonnenglut wird es in dieser neuen Welt nicht mehr geben: der Klimawandel verursacht jedes Jahr mehr Dürren und damit verbunden Ernteausfälle, was wiederum den Hunger verstärkt.

Am Ende des Textes ist die Rede vom Weiden an Quellen, aus denen das Wasser des Lebens strömt. Was sind für uns «Wasser des Lebens» in einer Weltgegend in der (normalerweise) genügend und sauberes Wasser aus jedem Wasserhahn strömt? Wo können wir beitragen, dass auch andere «Wasser des Lebens» erhalten, und ihre Tränen abgewischt werden können?

Thomas Münch, Zürich