Jubilate / 4. Sonntag der Osterzeit
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Apg 17, 22-28a (28b-34) | Apg 2, 14a.36-41 | 1 Petr 2, 20b-25 | Joh 10, 1-10 |
Apg 17, 22-28a (28b-34)
Christentum und Zeitgeist begegnen sich auf dem Areopag. So sollte Kirche sein: offen und einladend. Auf dem Marktplatz der Meinungen und Weltanschauungen ein toleranter Gesprächspartner.
Kirchentag 2013 in Hamburg.
Gleich am ersten der Tag der Weg in die etwas abseits gelegene Erlöserkirche im Osten Hamburgs. Interreligiöses Bibelteilen. Ein Islamwissenschaftler und ein Theologe stehen als Gesprächspartner zur Verfügung. Nach Begrüßung und liturgischen Beginn ist die einzige Vorgabe der Bibeltext. Nach der Methode gibt es keine Auslegung. Die Besucher sind die Subjekte der Auslegung. Auch wenn nur wenige Muslime und Menschen andere Nationalitäten gekommen sind entspinnt sich in Gruppen ein lebhaftes Gespräch. Die Gruppen arbeiten die beiden Seiten des Textes heraus: auf der einen Seite, zu Beginn des Textes, die Anknüpfung bei den Menschen, Geschöpflichkeit (V.24f.) – auf der anderen Seite, am Ende des Textes, die paulinische Positionierung: ich sage euch, was ihr (als Unwissende) glaubt... tut Buße! Am Ende entspinnt sich eine lebhafte Diskussion über das Verhältnis zwischen der Offenheit anderer Religiosität gegenüber und eigenem unaufgebbarem Standpunkt.
Christentum und Zeitgeist begegnen sich. Was ist die angemessene Haltung des Predigers? Anknüpfung oder Widerspruch? Tolerantes Gespräch oder pointierter Standpunkt. Der alte Streit zwischen Emil Brunner und Karl Barth mitten in Kirchenkampf.
Brunner behaupte im Gegensatz zu Karl Barth, dass Gott auch jetzt noch in seinem Schöpfungswerk offenbar sei, und dass jede Predigt an den Zeitgeist (das Vorverständnis des Menschen) anknüpfen könne. Barth dagegen hielt allen religiösen Vorgaben sein schroffes ‚NEIN!’ der Offenbarung entgegen. Anknüpfung an den ‚unbekannten Gott’, an die Sehnsüchte und Hoffnungen der Menschen – oder das unverfälschte Evangelium.
Die vorgeschlagene Abgrenzung der Perikope für den Sonntag Jubilate nimmt Position für das jedem Menschen innewohnende religiöse Apriori (T. Gundlach, PSt, VI/1, 2007, 258). Paulus wird am Ende seiner Rede jedoch deutlicher. Gott habe über die Unwissenheit hinweg gesehen, nun aber predigt er Buße, denn der Tag des Gerichts sei nahe. Dieser sei orientiert an der Gerechtigkeit jenes Mannes, der von den Toten auferstanden sei.
Wo stehen sie heute die Altäre für den unbekannten Gott? Der freie Markt ist 'die alles bestimmenden Wirklichkeit'. Konsumismus als anthropologische Konstante – ich shoppe, also bin ich. Dazu erstaunlich ungebrochene Machbarkeitsfantasien angesichts erkennbarer Brüche und Gefährdungen – seines es die Volkswirtschaften im Süden Europas mit mehr als 50% Jugendarbeitslosigkeit, sei es das Weiter-So angesichts der Dramatik des Klimawandels. Dazu nicht erst seit gestern: Fittness, Wellness und der Traum der ewigen Jugend – Erfolg, Geld und dazu die spirituelle Selbstverwirklichung.
Einen Schritt zurück. Wie leicht ist es doch über diese Altäre den theologischen Stab zu brechen. Was sind die Motive dahinter? Was treibt die Menschen um? ...und: was ist mir ‚heilig’? Lebe ich aus der Unverfügbarkeit der Gnade Adonais oder stehe auch ich immer wieder in der Gefahr, neue Altäre bauen zu wollen?
1 Petrus 2, 20b-25
Auch hier verwundert die Abgrenzung der Perikope sehr! Ohne die dazugehörigen Verse 18-10 wird der Kontext und damit die Adressaten weggeschnitten: Die Sklaven und deren Situation. Übrig bleibt die aus der Tradition übernommene Christologie des stellvertretenden Leidens und die Mahnung, Leid geduldig anzunehmen.
Aber auch wenn man den Kontext hinzuzieht bleibt es für heutige Ohren anstößig: Christus wird als Vorbild / Beispiel für die Sklaven hingestellt. Da die Sklaven nun keine umherirrenden Schafe mehr sind, sondern bekehrt / aufgehoben (V25) bei Christus sind, können (sollen?) sie sich in ihre Lebensbedingungen schicken.
Unrecht wird zwar beim Namen genannt (V19). Aber Aufbegehren und Widerstand stehen nicht zur Disposition. Für den Verfasser gilt der status quo. So wie sich die Sklaven unterordnen sollen (V18) so sollen sich Frauen den Männern (3,1.5), junge Männer den älteren Männern (5,5), ja jeder Christ sich grundsätzlich jeder Institution unterordnen (2,13-15).
Schickt euch in die gegebene Situation ist die Botschaft an die Sklaven. Begründet wird die Aufforderung, wie an anderer Stelle des Briefes (1,18-31; 3, 18-22) durch ein Zitat aus der Tradition, das Jes 53 aufnimmt. So wie Christus sollen die Sklaven ihr Lied geduldig ertragen. Dies weil sie durch Christus nicht mehr wie Schafe umheriiren, sondern zu dem Hirten bekehrt sind.
Wie kann man diesen Text predigen? M.E. ist -wie so oft- der Kontext der Schlüssel. Deshalb schlage ich vor die Verse 18-25 als Grundlage zu nehmen. Die Situation der Sklaven in der damaligen Gesellschaft könnte am Anfang stehen.
„Sklaverei erlangt in der Blütezeit des Römischen Reiches eine besonders grausame Gestalt und betrifft Menschen anders als vorher massenhaft. Sklaven und Sklavinnen gelten rechtlich als res und nicht als Person.... Sie Sklaverei in hellenistisch-römischen Gesellschaften ist durch die Totalität des Zugriffs auf einen Menschen, d.h. auf seinen Körper definiert....Alle Formen der Gewalt sind üblich und weitgehend legal: Geschlagenwerden, sexuelle Gewalt, Folter, Ermordung.“ (Art. Sklaverei in: Sozialgeschichtliches Wörterbuch zur Bibel, S. 524ff.)
Welcherart Widerstand war damals möglich? Zumal angesichts der Erwartung des unmittelbar bevorstehenden Endes und des Anbruchs des Reiches Gottes („eine kleine Zeit“ 5,10).
So erschließt sich die Differenz zum heutigen Kontext unmittelbar. Und warum sollte in der Predigt nicht auch die hermeneutische Frage verhandelt werden, wie die Übertragung dieses Bibeltextes in den heutigen Kontext übertragen werden sollte angesichts der Tatsache, dass die Sklavenmahnungen der späten Briefliteratur (Kol 3,22-4,1; Eph 6,5-9; 1 Tim 6,1f.; Tit 2,9f.)über Jahrhunderte als Legitimation von Sklaverei gelesen wurden.
Welches Leid gilt es anzunehmen? Und an welcher Stelle ist mir Jesus, wie er in den Evangelium gezeichnet ist, Vorbild, um gegen Leid zu protestieren und mich zu wehren?
H. Törner-Roos