Spr 8,22-36;
Joh 15,1-8; Apg 17,22-34;
1 Mose 1,1-4a(4b-25)26-28(29-30)31a(31b);2,1-4a [www.stichwortp.de]
Jubilate / 4. Sonntag der Osterzeit
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Joh 15, 1-8 | Apg 4, 8-12 | 1 Joh 3, 1-2 | Joh 10, 11-18 |
Zur Stellung im Kirchenjahr:
Dieser nachösterliche Sonntag ist geprägt vom Gedanken an die „neue Schöpfung“.
Evangelischerseits fordert schon der Name des Sonntags, „Jubilate“ (hergeleitet vom Wochenpsalm 66 „Jauchzet Gott, alle Lande“), dies fröhlich zu feiern. Ebenso klingt das Thema im Wochenspruch an: „Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist“ (1 Kor 5, 17). Die AT-Lesung erinnert an die erste Schöpfung (Gen 1, 1-4a.26-31a; 2,1.4a); die Epistel feiert, dass der Glaube „die Welt überwunden hat“ (1 Joh 5, 1-4); eines der agendarischen Tagesgebete blickt auf die wiedererwachende Natur im Frühling: „Du Schöpfer aller Dinge, wie du die Natur zu neuem Leben erweckst, so willst du auch uns Menschen erneuern und einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen…“.
Katholischerseits wird der „Sonntag vom Guten Hirten“ – in der evang. Kirche schon eine Woche zuvor gefeiert – quasi nachgeholt.
Homiletische Impulse:
Sieben „Ich-bin-Worte“ sind eine Besonderheit des Johannesevangeliums – und je eines davon ist an diesem Sonntag Evangelium im evangelischen und katholischen Gottesdienst. Sie alle betonen den Glauben als ein Erkennen, Sehen und Annehmen Jesu durch seine Selbstoffenbarung „Ich bin“.
Kath. Evangelium Joh 10, 11-18 (19-21): Jesus – der Gute Hirte
Das Motiv des guten Hirten des kath. Evangelientextes greift ein zentrales Bild des Alten Testaments auf: Gott ist der gute Hirte, der seine Herde – das Gottesvolk – sammelt und führt. Das Bild begegnet uns z.B. in Psalm 23 „Der Herr ist mein Hirte“, bei Jesaja „Wie ein Hirt führt er seine Herde zur Weide, er sammelt sie mit starker Hand“ (Jes 40, 11) oder bei Ezechiel „Jetzt will ich meine Schafe selber suchen und mich selbst um sie kümmern ... ich will ihr Hirt sein und für sie sorgen, wie es recht ist“ (Ez 34, 11.16).
Hirten und Schafe im Naturschutz heute
Dieses Bild vom Hirt mit seiner Herde ist uns heute eher nicht mehr so präsent. Nur in wenigen Regionen erleben wir frei laufende Schafherden: auf den Deichen an der See oder an großen Flüssen, auf denen die Schafe das Gras; in der Lüneburger Heide, in der die Heidschnucken die typische Heidelandschaft erhalten; in der Rhön, wo Rhönschafe mit ihren schwarzen Köpfen auch schwer zugängliche Felsmatten mähen; oder in der Fränkischen Schweiz, wo kleine Herden die Karstlandschaft vor Verbuschung schützen.
Vertrauen und Vertraut-Sein
In solch kargen, mitunter gefährlichen Landschaften mit Schafen Tag und Nacht als Hirt unterwegs zu sein – das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die hohen persönlichen Einsatz fordert. Sätze wie „ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich“, „sie werden auf meine Stimme hören“ oder „ich gebe mein Leben“ kennzeichnen eine tiefe, innige Beziehung, die dabei entsteht. „Sich-Kennen“ – dahinter steht ein inneres Annehmen, ein sich „zu eigen“ sein, ein Vertrautsein, wie nur mit jemandem, der einem sehr nahe steht. Diese Art von Intimität bildet die Grundlage einer jeden Gottesbeziehung: Der Hirt liebt seine Herde. Die Schafe sind sein Ein und Alles, er geht ihnen nach und sucht sie, auch wenn sie verloren sind; für sie gibt er alles, sogar sein Leben. Und die Schafe hören auf die Stimme des Schäfers, vertrauen ihm und folgen ihm nach.
Der Stimme Jesu folgen
Tatsächlich hören und erkennen Schafe „ihren“ Hirten an der Stimme! Wenn Gott, wenn Jesus unser guter Hirte ist: Was ist dann das Besondere an der Stimme Jesu? Warum fasziniert sie uns bis heute? Eine mögliche Antwort gibt Joh 10,10: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben in Fülle haben.“ Die „Sache Jesu“ ist dabei unlösbar mit seiner Person und seiner Botschaft verbunden. In seiner Nachfolge können wir vertrauen und erwarten: Er führt uns zum wahren Leben, zu den wahren Weiden des Lebens.
Als Hirtin in der Nachfolge Jesu
Für mich als „Hirtin“ in seiner Nachfolge geht es dann darum, bei meinem Engagement für dieses „Leben in Fülle“ als Person erlebbar, sichtbar zu sein: Man soll spüren, dass es mir nicht nur um die Sache geht, sondern um die Menschen, die damit verbunden sind. Das „personale Angebot“ ist wichtiger als das Sachangebot.
Der Auftrag umfasst Führen und Leiten ebenso wie Beschützen und Pflegen, Verweilen und Aufbrechen ebenso wie Sammeln und Begrenzen, Unterwegssein ebenso wie Ruhen. Ein wilder Aktionismus ist nicht angesagt.
Gute Hirtinnen und Hirten können wir überall brauchen – in Kirche und Gesellschaft, in Schulen und Betrieben. Möge es uns immer neu gelingen, einander in diesem Sinne zu guten Hirtinnen und Hirten zu werden.
Ev. Evangelium Joh 15, 1-8: Die Fülle des Lebens – zum Staunen
Ein weiteres „Ich-bin“-Wort. Wir wachsen vom Zentrum unseres Glaubens, von Jesus Christus, her – die Früchte unseres Tuns (gefeiert mit Brot und Wein) geben einen Vorgeschmack auf die Neue Schöpfung.
Fülle des Lebens rund um einen Weinstock
Als Ökologin spricht mich das Bild vom Weinstock an: Ich staune, welche Fülle des Lebens z.B. aus einem einzelnen wilden Wein er-wachsen kann, dessen Reben die Fassade eines kargen Beton-Kirchenbaus der 1960er Jahre hinaufranken: Ihre Blätter begrünen und beschatten kühlend die Außenwände und schützen sie vor Schlagregen. Jedes Frühjahr setzen sie Tausende von unscheinbaren Blüten an; jeden Herbst reifen Hunderte neue Früchte – man kann vielleicht sogar eigenen Kirchenwein daraus keltern.
Ein ganzes Ökosystem entwickelt sich um diesen Weinstock: Vögel nisten in den Ranken. Unzählige Insekten leben auf und unter der Rinde, im Holz, im abgefallenen Laub und im Boden darunter – es wimmelt von Ameisen, Käfern, Schmetterlingen, Fliegen, Springschwänzen, Würmern; dazu findet man jede Menge Pilze, Algen, Flechten, Bakterien, die man oft nur unter dem Mikroskop erkennt. Sie lockern den Boden, produzieren Humus, setzen Nährstoffe frei, so dass weitere Pflanzen wachsen und gedeihen können. Ein einziger Weinstock bringt eine unermessliche Vielfalt und Fülle des Lebens hervor – ein faszinierendes Wunder der Schöpfung!
Wo bei uns zu Hause, in der Gemeinde, an unserer Arbeitsstelle, entdecken und genießen wir diese Vielfalt und Fülle des Lebens? Wo fördern wir es, sie wachsen und gedeihen zu lassen?
Apg 4,8-12: Leben in Fülle, Heilung und Rettung durch Christus
„Er (Jesus) ist der Stein, der von euch Bauleuten verworfen wurde, der aber zum Eckstein geworden ist“ (Apg 4, 11) – die Erzählung von Petrus und Johannes vor dem Hohen Rat greift hier zurück auf ein Bild des AT (Ps 118 ,22; Lk 20, 17par; 1 Petr 2, 4-7). Es interpretiert Jesus Christus als den Eckstein (besser: „Schlussstein“), an dem das Reich Gottes auf dieser Welt auf- und anbaut.
Die Formel „im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, den ihr gekreuzigt habt und den Gott von den Toten auferweckt hat“ besitzt den Charakter eines Bekenntnisses: „Erfüllt vom Heiligen Geist“ lässt sich Petrus von seiner Glaubensgewissheit nicht abbringen – auch nicht, als er sich deshalb vor Gericht verantworten muss. Es geht weniger um die Heilung des gelähmten Mannes, als um die Bedeutung Jesu Christi für das Heil der Menschen – trotz menschlichen Fehlverhaltens. Der Name Jesus (aram. ישוע Jeschua oder Jeschu`, graecisiert Ἰησοῦς) erinnert uns: Jahwe ist Heil. Diese Erinnerung brauchten und brauchen Christen damals wie heute.
Für unser Engagement Zentrum des Glaubens im Blick behalten
Für unser Engagement heißt das: Wir können uns in vielen Zusammenhängen engagieren für Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung. Die Herausforderung ist, dabei das Zentrum unseres Glaubens im Blick zu behalten: Leben in Fülle, Heilung und Rettung finden wir durch und in Jesus Christus. Nur mit ihm gibt es Auferstehung und eine Neue Schöpfung. Wir sind gefordert, diese Triebfeder unseres Tuns auch öffentlich zu nennen. Lukas erhebt dabei in dezidierter Weise Anspruch auf die Wahrheit. Das steht auch heute noch in Spannung, ja, Konflikt mit einer Gesellschaft, die – zurecht – Respekt gegenüber anderen Religionen einfordert .
1 Joh 3, 1-2: Liebes-Brief an die Gemeinden
Dieses „Hohelied der Christusliebe“ ist ein „Liebes-Brief“ an die Gemeinden, die von Spaltung bedroht sind. Man kann es auch als eine Gottesbeweis lesen: Wenn wir einander lieben, dann ist Gott in uns am Werk; Liebe kennzeichnet die wahre Nachfolge Jesu. Wer die Liebesgemeinschaft zerstört, handelt nicht im Sinne Jesu.
Siebenmal „Liebe“ und „lieben“ in wenigen Zeilen entfalten drei Dimensionen dieser Liebe: 1. die Liebe Gottes, die sich darin zeigt, dass er seinen Sohn als Retter in die Welt gesandt hat; 2. die Vor-Liebe, mit der uns Gott zuerst liebt – bedingungslos, ohne Vorleistungen unsererseits: Gottes Liebe als Geschenk, als Gabe des Geistes an uns; 3. die geschwisterliche, menschliche Liebe: Weil Gott uns liebt, können wir einander lieben; wer die Liebe Gottes erkennt und im Glauben annimmt, macht diess durch die Praxis der Liebe in seinem Leben deutlich.
Im Alltag schöpfungsfreundlich handeln
Für unser Engagement heißt das: Im Blick auf Jesus begegnen wir unseren Mitmenschen, unserer Mitschöpfung liebevoll: pfleglich, behutsam und verantwortungsbewusst – mit Konsequenzen für das Gemeinde- wie für unser Privatleben: Wenn wir das ernst meinen, können wir eigentlich nicht am Sonntag aus der Kirche gehen und am Montag gedankenlos im Supermarkt die billigsten Weintrauben, das billigste Frühstücksei, die billigste Hose einkaufen. Billigtrauben wachsen meist unter hohem Pestizideinsatz – zum Schaden für die Umwelt und für unsere Gesundheit, wenn wir sie essen. Billig-Eier beim Discounter kommen von Tieren, die ein von Antibiotikagaben und Normfutter diktiertes Leben in der gedrängten Enge einer Tierfabrik fristen. Und unter welchen Bedingungen unsere Billig-Klamotten immer noch entstehen, klagen bis heute Angehörige der Hunderten von Näherinnen an, die in den vergangenen Jahren bei Fabrikbränden z.B. in Bangladesch zu Tode kamen… Menschenfreundlich, schöpfungsfreundlich ist das nicht!
Auf dem Weg zu einer schöpfungsfreundlichen Kirche
Wir können uns die vielen guten Gaben Gottes bewusst machen, mit denen wir oft ebenso selbstverständlich wie unachtsam umgehen. Auf dem Weg zu mehr „Schalom“ haben inzwischen über 1.000 Kirchengemeinden und Einrichtungen in Deutschland ein kirchliches Umweltmanagement eingeführt. Mit ihrem Zertifikat „Grüner Gockel“, „Grüner Hahn“ oder EMAS zeigen sie auch öffentlich: Wir nehmen unsere Verantwortung für unsere Mit-Schöpfung ernst. Bei uns bricht sich die Neue Schöpfung schon ein wenig die Bahn!
Christina Mertens