Judika / 5. Fastensonntag (22.03.15)

KaeserHungertuch2013Misereor360 c010954ec2
VorschlÀge der Perikopenrevision (EKD/VELKD/UEK): Lk 22,54-62; Hebr 13,12-14; Hiob 19,21-27; Mk 10,35-45;
Hebr 5,(1-6)7-9(10); 1 Mose 22,1-14(15-19) [www.stichwortp.de]

 

Judika / 5. Fastensonntag

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Mk 10, 35-45 Jer 31, 31-34 Hebr 5, 7-9 Joh 12, 20-33


KaeserHungertuch2013Misereor360 c010954ec2Die Autorin bearbeitet alle Texte des 5. Fastensonntags. Es geht um das Aufdecken von ungerechten MachtverhĂ€ltnissen und um ein Leben als „familia dei“, das zukunftsfĂ€hige VerĂ€nderungen möglich macht.
Misereor-Hungertuch 2013: "Wie viele Brote habt ih?" (KĂŒnstlerin Ejti Stih aus Bolivien)

Stellung im Kirchenjahr:

Nach der frĂŒheren Ordnung begann die eigentliche Passionszeit mit dem Sonntag Judika (Schaffe mir Recht, Gott, Ps. 43,1). Ab dem 11. Jh. wurde der Blick auf den Altar durch Hunger- bzw. FastentĂŒcher versperrt, spĂ€ter das Altarkreuz und –bilder mit TĂŒchern verhĂ€ngt (zur Tradition der HungertĂŒcher s. www.misereor.de).

Markus 10, 35 - 45

Exegetische Hinweise:

Der Weg Jesu nach Jerusalem ist eine Zeit der Unterweisungen (8,27-10,52). Markus verteidigt im Konzept der familia dei (3,34f) und in der Nachfolge des Dienens (10,42-45) eine egalitĂ€re Gemeinde-form gegen Tendenzen hierarchischer MachtausĂŒbung. Es geht um diakonein als Prinzip des Christseins. „Bei euch aber soll es nicht so sein“ wie es bei den Herrschenden zugeht. Auch ein MĂ€rtyrertod, wie ihn die Söhne des ZebedĂ€us erlitten haben (10,30), hebt nicht ĂŒber Andere hinaus.

Literatur: Kompendium Feministische Bibelauslegung (KFB) 2. Auflage, Monika Fander, Das Evangelium nach Markus, S. 499 ff)

Predigtimpulse:

Es ist mir wichtig, mit dem Kernsatz des Textes, „Bei euch soll es aber nicht so sein“, aktuelle Situationen von „Herrschen und Dienen“ zu beleuchten und Mut zu machen fĂŒr bewusste Entscheidungen.

Bezug zur Nachhaltigkeit:

Die derzeitigen Krisen (Umwelt-, Finanz-, Demokratie-, MilitÀr-, Wirtschafts-, Pflege- und andere Krisen) hÀngen zusammen. Allen liegt die Tendenz zugrunde, wer das Geld hat, hat die Macht.
Die Grundfrage lautet: „Welches Wachstum brauchen wir?“ Es gibt AnsĂ€tze fĂŒr eine Ethik des GENUG. Mir geht es darum, die Ängste der Menschen vor VerĂ€nderungen ernst zu nehmen.
Deshalb braucht nicht Verzicht, sondern können befreiende Chancen des Loslassens gelebt werden. Mit-Leiden mit allen und allem was unterdrĂŒckt wird ist das Eine. Eine Passion, eine Leidenschaft, fĂŒr die Umkehr zum Leben, also das diakonein zu entwickeln und einzufordern das Andere.

Jer 31, 31 - 34

Exegetische Hinweise:

Im Buch Jeremia werden MachtverhÀltnisse deutlich. JHWH beansprucht die alleinige Herrschaft.
Die bevorstehende Invasion, Zerstörung und Exil werden als Strafe gedeutet. Jeremias Sprachbilder sind drastisch. Die Zerstörung wird in weiblicher Gestalt geschildert: eine Frau, entblĂ¶ĂŸt und vergewaltigt mit Zustimmung, ja Beteiligung JHWH‘s (Jer. 13,20-27). Solche MĂ€nnermacht ĂŒber Frauen entwĂŒrdigt und schĂ€ndet, ganz real und symbolisch. Dieser vernichtenden Situation wird in dem „TrostbĂŒchlein“ Jer. 30-31 neue Hoffnung auf Zukunft entgegengestellt.

Predigtimpulse:

Als Gemeinde sollten wir uns immer wieder fragen wo wir uns gerade befinden und wie wir weitergehen „auf dem Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens“ zu dem die ÖRK-Vollversammlung in Busan 2013 aufgerufen hat. Eine Pilgerreise basiert auf einem bewussten Ent-schluss und ist eine langsame Bewegung. Sie lehrt wahrzunehmen wer mit uns lebt und was um uns herum geschieht. Ein Aspekt eines solchen Weges kann sein achtsamer zu werden, ungerechte und zerstörerische MachtverhĂ€ltnisse aufzudecken und sie zu verĂ€ndern. Ein solcher Weg ist kein Spaziergang. Ängste und Zweifel bleiben nicht aus. Doch es ist ein Hoffnungsweg, denn wir leben bereits aus dem neuen Bund Gottes.

Bezug zur Nachhaltigkeit:

Eine „Ökonomie des Lebens“, die nachhaltig angelegt ist, ist Ausgangspunkt dieses Pilgerweges. Hier ein Auszug aus dem Abschnitt „Geistliche BekrĂ€ftigung des Lebens“: „Christliche und viele andere Ausdrucksformen der SpiritualitĂ€t lehren uns, dass das ‚gute Leben‘ nicht im konkurrierenden Streben nach Besitz, in der AnhĂ€ufung von Reichtum, in Festungen und Waffenarsenalen liegt,
noch im Einsatz unserer eigenen Macht gegenĂŒber den anderen (Jak. 3,13-18). Wir bekrĂ€ftigen das ‚gute Leben‘
in Gestalt der Gemeinschaft der Dreieinigkeit in Gegenseitigkeit, geteilter Partnerschaft, Wechselseitigkeit, Gerechtigkeit und liebender GĂŒte“.

(Aus: Reader zur Ökumenischen Versammlung in Mainz, Mai 2014, www.oev2014.de).

Hebr 5, 7 - 9

Exegetische Hinweise:

Der Hebr. bezeichnet sich als „Mahnrede“ (13, 22). Wenn man von einer Dreiteilung ausgeht gehört die Perikope zum ersten Teil. Hebr 1, 1-5,10 ist eine christologische Grundlegung: Christus ist der Hohe-priester, der durch sein einmaliges Opfer den Zugang zum himmlischen Heiligtum eröffnet hat. Dieses Mysterium wird in einem christologischen Modell der Erniedrigung und Erhöhung des Sohnes ausgefĂŒhrt. Feministisch wird daran die Androzentrik kritisiert. Luise Schottroff betont jedoch positiv die in der Menschwerdung Christi liegende Solidarisierung Gottes und sagt, die Vorstellung von einem Gott, der zum Sklaven wird, mache die Umkehrung gesellschaftlicher Hierarchien vorstellbar.

Literatur: KFB, 2. Auflage, Ulrike Wagener, Der Brief an die HebrÀerInnen,, S. 683ff)

Predigtimpulse:

Ich möchte den Gedanken aufgreifen, dass dem „christologischen Mysterium“ eine Nachfolge-gemeinschaft entspricht, die sich nicht im Glauben wie auf eine Insel zurĂŒckzieht, sondern sich den Herausforderungen stellt, sich gegenseitig Mut macht, stĂ€rkt und gemeinsam „auf der Wanderschaft ist zur himmlischen Vollendung“ (ebd S. 685).

Bezug zur Nachhaltigkeit:

Jesus, der Sohn, der Hohepriester, leidet und stirbt an den HerrschaftsverhÀltnissen unserer Welt.
Seine Lebenszeit fĂŒhrt ihn in tiefste menschliche AbgrĂŒnde. So ist er Mensch geworden. Er kehrt das androzentrische und herrschaftliche Denken und Handeln um.
In ihrer Predigt bei der Ökumenischen Versammlung in Mainz 2014 sagte Bischöfin i.R. BĂ€rbel Wartenberg-Potter: Anthropozentrismus hat zu dem Tatbestand gefĂŒhrt „Bedrohte bisher die Natur den Menschen, so ist jetzt das Gegenteil der Fall. Der Mensch bedroht die Natur.“[1] 
ZurĂŒckzulassen wĂ€re auch die Herrschaftssprache, dieses StĂŒck theologischer Hardware. Sie verfestigte eine Metapher patriarchalen Denkens in unserer Frömmigkeit, die das „Beherrschen“ als höchstes Ziel menschlicher Daseinverwirklichung festschreibt – und dies oft noch im Auftrag Gottes.“

Joh 12, 20 - 33

Exegetische Hinweise:

Das Joh.-Ev. wurde geschrieben, als sich die Gemeinden in außerordentlicher BedrĂ€ngnis und Verunsicherung befanden. Eine Abfallbewegung hatte eingesetzt. Die Jesusnachfolgenden werden aufgefordert zu „bleiben“ (15, 4) und ihm zu dienen (12, 26). Das Joh.-Ev. handelt von Frauen und MĂ€nnern, die sich gemeinsam auf den Weg machen, „um das Reich Gottes in ihren Beziehungen, in ihrem Alltag, in ihren Gruppenstrukturen und in ihrer politischen Praxis aufzubauen“.

Literatur: KFB, 2. Auflage, Ruth Habermann, Das Evangelium nach Johannes, S. 527.

Predigtimpulse:

„Die Zeit ist gekommen“ (12, 23) das Leben aus der Sicht des Weizenkorns zu leben, d.h. aus der Erwartung des Neuen (12, 32). Christ_innen sind gefragt, zu dem hinzufĂŒhren (12, 20-22), der den Glanz Gottes aufstrahlen lĂ€sst jetzt und inmitten dieser Welt. Die johannĂ€ischen Gemeinden machen Jesu Botschaft trotz ihrer Verunsicherung und vieler Ängste weiterhin öffentlich. Dies verstehe ich als Ansporn und Herausforderung fĂŒr uns heute.

Bezug zur Nachhaltigkeit:

Nach den Macht- und Finanzregeln „dieser Welt“ leben (12,25) bedeutet das Leben verlieren.
Gegen den Mainstream angehen ist nicht einfach. Ein Beispiel sind die Geheimverhandlungen ĂŒber das TTIP-Abkommen (Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft) zwischen EU und USA und ĂŒber die TISA-Vereinbarung (Traide Service Agreement). Dabei profitieren Konzerne und Menschen verlieren. Außerdem steht das bisherige DemokratieverstĂ€ndnis auf dem PrĂŒfstand solange solche Verhandlungen geheim gefĂŒhrt werden. Diese MĂ€chte sind nicht mehr (12,31) - und dĂŒrfen nicht mehr - die Beherrschenden sein, fĂŒr Menschen, die sich auf Jesu Lebensregeln einlassen.

Susanne KĂ€ser, Landau


[1] Ingeborg Gabriel, „Die Faszination von Herrschaft
“ in Geiko MĂŒller Fahrenholz, Friede mit der Erde, Frankfurt 2010, 84