Karfreitag (18.04.14)

Karfreitag

 

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung
Jes (52, 13-15) 53, 1-12 Jes 52, 13 - 53, 12 Hebr 4, 14-16; 5, 7-9

 

Karfreitag, der Tag der Kreuzigung Jesu Christi, ist einer der höchsten Feiertage im Kirchenjahr. Der Gottesdienst ist von diesem Kasus her deutlich geprägt. Im Zentrum steht das Nachdenken über die Verurteilung und grausame Hinrichtung von Jesus Christus. Dabei richtet sich der Fokus zum einen auf die Richter und Henker, ihr Schuldigwerden an der Verurteilung eines Unschuldigen und den Versuchen, die Schuld abzuweisen, zu negieren und zu verdrängen. Zum anderen richtet sich der Blick auf Jesus Christus, den unschuldig Verurteilten, der am Kreuz fremde Schuld auf sich nimmt und darin die Liebe Gottes offenbart. So wird am Kreuz Christi beides offenbar: Das Schuldverhaftetsein des Menschen und die Liebe Gottes.

 

Jesaja 52, 13-53,12

Im Blick auf Nachhaltigkeit sind in diesem Text zwei Aspekte hervorzuheben.

a) Leiden und Martyrium – das unschuldige Leiden des Gerechten

Insbesondere als der unschuldig Verurteilte, als das Schaf, das zur Schlachtbank geführt wird (Jes 53,7), ist der Gekreuzigte Identifikationsfigur und Hoffnungsträger für Menschen, die ihr Schicksal in ähnlicher Weise als die „Gekreuzigten der Geschichte“ erleben. (Vgl. Jon Sobrino: Der Auferstandene ist der Gekreuzigte. Die Auferstehung von den Gekreuzigten der Welt aus gesehen, 1990). Aus ihrer Perspektive erscheint das eine Kreuz Christi als ein Kreuz neben anderen, die wie er gekreuzigt, ermordet, gefoltert, „verschwunden“ sind, angeblich um der Gerechtigkeit willen. Insbesondere die Befreiungstheologie hat auf die politische Dimension des Kreuzes aufmerksam gemacht und darin die tiefe Solidarität und Verbundenheit Gottes mit den unschuldig Leidenden festgemacht. Bei allem Realismus und allem Schrecken geht vom Kreuz aber auch die befreiende und ermutigende Botschaft aus, dass Gott in aller Ohnmacht den Leidenden nahesteht und am Ende Gerechtigkeit und Erlösung den Sieg haben werden. Der Punkt, der allem Anschein nach von Tod, Verlust und Niederlage gezeichnet ist, wird bei Gott zum Ansatzpunkt für einen neuen Anfang mit dieser Welt. Diese Erfahrung kann ein Nährgrund für Hoffnung und Ausdauer aller sein, die sich für Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit einsetzen, die immer wieder Scheitern erleben und von der Hoffnung getragen werden, dass Gott auch aus dem scheinbar Ausweglosen noch einen neuen Anfang stiften kann. Der leidende Gottesknecht wird am Ende erhöht, sein Lebenseinsatz für Frieden und Heilung (Jes 53,5) kommt durch Gottes Gnadenrecht zum erhofften Ziel.

b) Stellvertretung

Hauptmotiv in Jes 52/53 ist das stellvertretene Leiden des Gottesknechts. Sein hingebungsvolles Eintreten für andere rechnet ihm Gott zur Gerechtigkeit an und er sühnt dadurch „unser“ Verhalten (Rede in 1. Pers. Plural), die wir umherirren und den eigenen (Vorteils-)Weg suchen (Jes 53,6). Bonhoeffer führt aus, dass alles Leben Stellvertretung ist. Menschliches Leben ist immer Leben in Beziehung zueinander und in verantwortlicher Gestaltung des Miteinanders. Wo Menschen Verantwortung übernehmen, treten sie real an die Stelle anderer Menschen. Eltern treten an die Stelle für ihre Kinder, wenn sie sie in Schutz nehmen oder für sie sorgen. (Dietrich Bonhoeffer, Ethik, München 1985, 239). Beruflich übernehmen wir Verantwortung für andere, beispielsweise der Ingenieur, der eine Brücke so stabil und sicher baut, dass sie bedenkenlos genutzt werden kann. Der Aspekt der Stellvertretung betrifft den Aspekt der Nachhaltigkeit wenn es darum geht, verantwortlich zu handeln und einzutreten für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft (Generationen) und der Umwelt. 

 

Hebräer 4,14-16. 5,7-9

Der Hebräerbrief fokussiert Jesus Christus als den Hohepriester, dem menschliche Schwäche und Unterlegenheit nicht fremd ist und der sich selbst zugleich als das makellose Opfertier dargebracht hat. Durch seinen hohepriesterlichen Dienst durch Leiden und Opfer hat er, der „die Himmel durchschritten hat“ (Hebr 4,14), Gnade und ewiges Heil erwirkt. Im Blick auf die Frage der Nachhaltigkeit gibt es in diesem Text als Anknüpfungspunkt den bewussten Weg durch das Leiden im Gehorsam gegenüber Gott. Viele Menschen, die sich unter Inkaufnahme von Benachteiligung und möglicherweise sogar Gewalt für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung engagieren, handeln unter dem Bekenntnis der Nachfolge Christi. Vielleicht erleben auch sie sich als „Opfer für die Wahrheit“. Dagegen muss mit Jürgen Moltmann daran erinnert werden, dass im Leiden selbst noch keine erlösende Qualität liegt, sondern in der Überwindung, die das Kreuz Jesu gebracht hat.“Durch seine eigene Gottverlassenheit bringt der Gekreuzigte Gott zu den Gottverlassenen. Durch seine Leiden bringt er das Heil zu den Leidenden. Durch seinen Tod bringt er ewiges Leben zu den Sterbenden.“ (Jürgen Moltmann, Der gekreuzigte Gott, München 1972, 48ff.). Nicht Selbstaufopferung folgt aus der Betrachtung des Opfers Christi sondern Kraftschöpfen und Empfangen: „Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.“ (Hebr. 4,16)

 

Dr. Heike Ernsting