Laetare / 4. Fastensonntag
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Lk 22,54-62 | 2 Chr 36, 14-16.19-23 | Eph 2, 4-10 | Joh 3, 14-21 |
Die Bibel ist eher eine Bibliothek als ein einzelnes Buch. Sie besteht aus vielen verschiedenen Büchern, die jeweils zu unterschiedlichen Zeiten und von unterschiedlichen Personen in unterschiedlichen Stilrichtungen geschrieben wurde. Alle diese Bücher sind jedoch durch einen goldenen Faden, den sogenannten Heilsplan Gottes, perfekt miteinander verbunden. Das bedeutet, dass alle Bücher der Bibel auf unterschiedliche Weise das göttliche Eingreifen in die Menschheitsgeschichte unverkennbar zum Ausdruck bringen. Daher soll keiner der einzelnen Texte der Bibel aus diesem umfassenden Kontext herausgelöst und gesondert interpretiert werden. Heute haben wir drei solcher Texte gehört. Einen aus der Chronik, einen aus dem Brief des Paulus an die Epheser und schließlich einen aus dem Johannesevangelium. Diese drei Texte bezeugen feierlich die Liebe, mit der Gott sich um diese. unsere Welt und insbesondere um sein auserwähltes Volk kümmert.
Wir haben einen liebenden Gott, der alles erschaffen und sich an seinen Geschöpfen erfreut hat. Er fand alles gut und wollte, dass es auch immer so bleibe. Aber die menschlichen Entscheidungen und Taten machten alles kompliziert. Durch seine Eifersucht und Gier machte er, der Mensch, diese Welt für alle ihre Bewohner unheimlich. Daher ist jedes Eingreifen Gottes in die Geschichte der Menschheit auch ein Eingreifen zur Erlösung der Weltordnung.
In der ersten Lesung hörten wir den wundersamen Plan Gottes, sein Volk aus der Gefangenschaft zu befreien. Bei der hier erwähnten Gefangenschaft handelt es sich um die babylonische Gefangenschaft, die die Juden in Babylonien erlitten, nachdem sie 587 v. Chr. den Krieg gegen den babylonischen Kriegsherrn Nebukadnezar verloren hatten. Das zwei Jahrhunderte lange Exil hat fast alle kulturellen und religiösen Merkmale der Juden entwurzelt. Dennoch rettet Gott sie aus diesem erbärmlichen Zustand und erweckt sie wieder zum Leben. Das bedeutet, dass sie ihre monotheistische Religion nicht ohne weiteres in einem polytheistischen Land ausüben konnten. Das Schrecklichste an diesem Exil war, dass die Juden gezwungen waren, das Land und die Umgebung, in der sie geboren und aufgewachsen waren, zu verlassen und sich in einem fremden Land anzupassen. Daher setzt das göttliche Eingreifen auch hier eine Rückführung voraus. Die göttliche Barmherzigkeit drückt sich darin aus, sie in das Land zurückzubringen, von dem sie immer nostalgisch geträumt haben. Psalm 137 erzählt diese Nostalgie dramatisch:
„An den Flüssen Babylons saßen wir und weinten
als wir uns an Zion erinnerten.
Dort auf den Pappeln
wir haben unsere Harfen aufgehängt,
denn dort baten uns unsere Häscher um Lieder,
unsere Peiniger forderten Freudenlieder;
Sie sagten: „Singt uns eines der Lieder Zions!“
Wie können wir die Lieder des Herrn singen?
während in einem fremden Land?
Wenn ich dich vergesse, Jerusalem,
Möge meine rechte Hand ihr Können vergessen“.
Auch im Brief an die Epheser haben wir die paulinische Erzählung über die Barmherzigkeit Gottes gehört. Zurück zum Johannesevangelium: Wir haben hier eine der besten Erzählungen über die Beziehung, die Gott je zu den Menschen und der Welt hatte.
Ein Gott, der den Menschen nach seinem Ebenbild erschaffen hat, will ihn nie missen. Ein Gott, der diese Welt so sorgfältig und so zielgerichtet erschaffen hat, wird sie auch nicht aufgeben. Deshalb lesen wir im Johannesevangelium, dass Gott die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn in diese Welt gesandt hat. Seine Liebe zur Menschheit veranlasste ihn, alles zu versuchen, um ihn zu retten. Dieses Heilsprojekt besteht darin, Israel die Patriarchen, die Richter, die Propheten und die Weisheitsbücher zu geben.
Der berühmte Psychologe und Philosoph Erich Fromm hat in seinem bekannten Buch „Die Kunst des Liebens“ enorm viel über diese göttliche Liebe geschrieben. Unser Gott ist ein Gott, der sich in sein eigenes Geschöpf, in den Menschen, verliebt hat. In der griechischen Mythologie gibt es einen Bildhauer namens Pygmalion. Einmal fertigte er, Pygmalion, die Skulptur einer schönen Frau mit dem Namen Galatia. Er liebte diese Skulptur so sehr, dass sie später zum Leben erweckt wurde und Pygmalion sie sogar heiratete. Dies ist eine Geschichte, die bedeutet, dass die Liebe zu seinem Geschöpf es dem Schöpfer ermöglichen würde, alles für das Geschöpf zu tun.
So vertrauen wir hoffentlich auf unseren Gott, der alles versucht, um uns zusammen mit der schönen Welt, in der wir leben, zu retten. Gleichzeitig haben wir aber auch die Pflicht, unseren Nachkommen eine lebenswertere Welt zu hinterlassen. Papst Franziskus nennt diese Verantwortung „transgenerationale Gerechtigkeit“. Seien wir auch gegenüber unseren künftigen Generationen gerecht.
Dr Mathew Pittappillil, Bistum Mainz