Laetare / 4. Fastensonntag
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Phil 1, 15-21 | 2 Chr 36, 14-16.19-23 | Eph 2, 4-10 | Joh 3, 14-21 |
Kurze inhaltliche Zusammenfassung zu Phil 1,15-21
Aus dem Gefängnis richtet Paulus seine Worte an die Gemeinde in Philippi, er geht auf die unterschiedlichen Beweggründe ein, weswegen Menschen Christus als den Auferstandenen verkünden. Egal ob aus Ehrgeiz, Neid oder aus Liebe, es ist wichtig, dass Christus bekannt gemacht wird. Diese Bewegung in der Verkündigung erfüllt ihn trotz Kerkerhaft mit Freude, und er bleibt zuversichtlich, Jesus Christus, egal ob im Leben oder erst im Tod, ganz und gar zu begegnen.
Kurze inhaltliche Zusammenfassung 2Chronik 36, 14-16.19-23
Es handelt sich um das letzte Kapitel des Buches der Chronik des Volkes Israel und beschreibt den Untergang des letzten Königs von Juda, Zidkija, und die Zerstörung Jerusalems sowie die Verbannung des jüdischen Volkes ins Exil nach Babel.
Doch nach 70 Jahren bewirkt Gott in der Gesinnung des babylonischen Königs Kyrus von Persien einen Wandel, so dass das Volk zurückkehren darf nach Jerusalem, um dort den Tempel wieder zu erbauen.
Kurze inhaltliche Zusammenfassung Eph 2,4-10
Paulus sagt den Christ_innen in Ephesus zu, dass sie durch die Gnade gerettet sind, da Gottes Liebe alle Übertretungen und Verfehlungen aufhebt. Es gibt das Heil nur aus dieser Gnade heraus und nicht durch Selbsterlösung. Der Ursprung in Gott und durch die Zugehörigkeit zum Auferstandenen befähigt zu guten Taten und befähigt jeden und jede, alte Lebensmuster zu verlassen.
Kurze inhaltliche Zusammenfassung Johannes 3,14-21
Dieser Textausschnitt gehört zu dem Nachtgespräch zwischen Jesus und Nikodemus, einem Mann aus der Gruppe der Pharisäer, der Schriftgelehrten.
Mit dem Hinweis auf Moses, der zum Schutz vor den Gefahren der Wüste die Schlange hochgehalten hat, setzt sich Jesus als das neue „Heilsmittel“ gleich, das am Kreuzesstamm erhöht, Leben rettet.
Durch ihn wird die Liebe Gottes greifbar, spürbar und sichtbar im ganz konkreten Menschenleben. Im Hinschauen auf diesen menschgewordenen Gottessohn lässt sich erkennen, wie Leben gelingen kann. Dies erfordert die Bereitschaft jedes einzelnen, sich darauf einzulassen, sich berühren zu lassen.
Der 4.Fastensonntag gilt als Tag der Freude, Laetare übersetzt: Freut euch, d.h. wir sind im Zyklus der Fastenzeit überm Berg, die Halbzeit ist erreicht und Ostern rückt in greifbare Nähe. Zu diesem Anlass wechselt das liturgische Gewand im katholischen Ritus die Farbe vom Violett des Fastens zum Rosa der Freude.
Im Blick auf die Lesungstexte dieses Tages lassen sich in allen Texten Übergangssituationen, Durchgangsmomente, Augenblicke des Noch-nicht-und-doch-schon erkennen
_Sei es aus der Knechtschaft des babylonischen Exils mit der Hoffnung auf die Rückkehr in die Heimat und dem Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem,
_sei es aus dem Gefängnis, in dem Paulus den Schwebezustand erlebt zwischen drohender Hinrichtung und Befreiung,
_sei es im Brief an die Gemeinde in Ephesus, wo deutlich wird, dass Gott durch die Verfehlungen hindurch seine Liebe wirken lässt, und die Kraft gibt, alte Lebensmuster zu verlassen.
_Oder sei es im Evangelium des Johannes, in dem die nächtliche Gesprächssituation bereits durch seinen Zeitpunkt auf einen Übergang hindeutet. Die Nacht als Zwischenzeit zum beginnenden neuen Tag.
Überall gibt es diese Hinweise auf eine Veränderung, die spürbar nahe rückt, aber noch nicht greifbar, nicht sichtbar ist.
Einige hilfreiche Fragen im Sinne der Nachhaltigkeit für den ganz persönlichen Lebensweg könnten sein
Wie gehe ich angemessen mit dem Dunklen um, das ich in meiner direkten Lebenswelt sehe und in den Entwicklungen und Verwirrungen der aktuellen Menschheitsgeschichte?
Wo ist mein Lebensfluss gehemmt? Was hindert mich zu tun, was ich eigentlich will? Was hindert meine Lebensfreude, was hindert mich daran, das Leben ganz zu leben?
Passionszeit als Aufbruchszeit, in der Altes stirbt und die Frage sich stellt, was brauche ich wirklich zum Leben?
Die Texte laden ein zu einer Kultur der Unterbrechung, des Innehaltens, um sich der Realität des Übergangs bewusst zu werden, und daraus Kraft und Motivation zu nehmen statt Lethargie und Teilnahmslosigkeit.
So sehe ich einen Aspekt von Nachhaltigkeit im Johannestext, den ich als Aufforderung zur Zivilcourage deuten möchte
Die Verführbarkeit ist groß, sich der eigenen Wirklichkeit zu entziehen, es scheint so viel einfacher, nicht genau hinzuschauen, zu Verdunkeln und unter Verschluss zu halten, was nicht bekannt werden soll, was geheim bleiben soll. Taktieren, Intrigieren Verschleiern und Blenden sind die diplomatischen Winkelzüge der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Handlungen. Direkt und klar benennen, was Missstand ist, Dinge ans Licht bringen, offenlegen, auspacken, whistleblower sein à la wikileaks wird heute mehr denn je lebensnotwendig.
Ein weiterer Aspekt der Nachhaltigkeit findet sich in dem Bild der Schlange, die Moses hochhält
Die Schlange gilt in der Wüste als große Bedrohung. Wie schnell kann sie unter einem Stein aufgescheucht ihre tödlichen Bisse einsetzen. Von daher handelt Moses weise, in dem er das,was bedrohlich ist, nicht versteckt oder kleinredet oder ignoriert. Vielmehr zwingt er die verängstigten Israeliten, die noch nicht wirklich wüstentauglich sind, genau hinzusehen, sich die Gefahr anzuschauen. Und so heilt denn auch der Blick zur Schlange beim Schlangenbiss.
Die Homöopathie geht ähnlich vor: Gleiches wird mit Gleichem behandelt, allerdings in einer energetisch angereicherten Form, so dass eine ursprünglich giftige Substanz zum Heilmittel wird.
Wenn Jesus zu unserem Heilmittel geworden ist, dann würde analog zum homöopathischen Verständnis der Mensch an sich die gefährliche Substanz sein. Der Mensch als die schlimmste Bedrohung des Menschen – energetisch aufbereitet, oder im Theologendeutsch „der Auferstandene – der Christus“ wird zum rettenden Ereignis für alle, die sich nach ihm ausrichten, die auf ihn schauen und sich von seiner absoluten Zuwendung zu den Menschen begeistern lassen.
In der Homöopathie, die im Vergleich zur Allopathie die kostengünstigste Form der Pharmaprodukte darstellt, vollzieht sich der Heilungsweg ganz individuell je nach der Symptomatik des erkrankten Menschen. Und so erlaube ich mir die Analogie, dass auch der Weg mit Jesus Christus bei jedem Menschen seine ganz eigene Form annimmt.
Nachhaltigkeit entdecken in der Unterbrechung
Hierzu verweise ich auf eine besondere Form der Unterbrechung in der Fastenzeit im Sinne des Atem-holens für die Zielgerade und des Teilens- von-Lebensfreude:
Im benachbarten Frankreich gibt es die Tradition des Mi-Carême, ein besonderes Fest, das die Fastenzeit an eben diesem Wochenende in der Mitte der vierzig Tage unterbricht – zu einer Pause einlädt, um sich bereits eine Ahnung der österlichen Freude zu erlauben.Eine liturgisch erlaubte Auszeit als Moment der Vergewisserung und Neuausrichtung – evtl. auch als probates „Mittel“ für Veränderungsprozesse(Fusionen von Wirtschaftsunternehmen, Umstellung auf erneuerbare Energien ohne Verlust von Arbeitsplätzen, diplomatische Verhandlungen in den Krisenherden unserer Erde,…), die einer Entschleunigung bedürfen, damit Menschen nicht unter die Räder kommen.
Nachhaltigkeit zeigt sich „im-Noch-nicht-und-doch-schon“
Wir leben in einer Zeit großer Umbruchsituationen l(Klimawandel und seine Auswirkungen, politische Landschaft wandelt sich von demokratischen Systemen zur Errichtung von Diktaturen, (siehe Türkei, Ungarn, Russland…) demografischer Wandel in Europa hin zur Überalterung im Vergleich zu einem immer jünger werdenden Asien, Afrika oder Südamerika…)
Hierbei können uns diese Sonntagstexte Mut machen, nicht im Lamentieren zu verharren, sondern genauer hinsehen zu lernen, offener zu werden für die kleinen Zeichen der Hoffnung, des Lebens, der Auferstehung, die Gott überall in allen Ländern dieser Erde und in allen Religionen aufblühen lässt.
Sehr eindrückliche Hinweise zeigt der Film „Tomorrow“ – die Welt ist voller Lösungen vonCYRIL DION und MÉLANIE LAURENT aus dem Jahr 2015
Er nimmt die Zuschauenden mit auf eine Reise zu auf den ersten Blick unscheinbaren Orten dieser Erde, die sich beim zweiten Sehen zu kleinen Paradiesen entpuppen. Das Filmteam sucht gezielt Menschen auf, die Projekte und Initiativen ins Leben gerufen haben, weil sie sich mit der Unwirtlichkeit ihrer realen Lebenswirklichkeit nicht abfinden wollten, die ganz klein angefangen haben und eine enorme Anziehungskraft ausüben auf Tausende von begeisterten Menschen.
Karin Müller-Bauer, Trier