Laetare / 4. Fastensonntag (15.03.15)

Vorschläge der Perikopenrevision (EKD/VELKD/UEK): Joh 6,47-51; Jes 66,10-14; Joh 12,20-24; 2 Kor 1,3-7; Jes 54,7-10; Joh 18,28-19,5 [www.stichwortp.de]

 

Laetare / 4. Fastensonntag

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Joh 12, 20-26 2 Chr 36, 14-16.19-23 Eph 2, 4-10 Joh 3, 14-21

Bezug zum Kirchenjahr

Der Sonntag „Lätare“ nimmt eine Sonderstellung unter den Passionssonntagen ein: Es geht zwar auch hier um das große Thema des Leidens und Sterbens Jesu sowie um den Buß- und Umkehrruf an die Gemeinde, aber darüber scheinen ganz deutlich die Hoffnung und das feste Vertrauen auf eine gute Zukunft, auf das, was kommt, auf das Reich Gottes auf.
Diese Hoffnung kann als Grundlage allen christlichen Bemühens um Nachhaltigkeit verstanden werden, besonders dann, wenn sie eng mit dem Bemühen um gelingende Gemeinschaft verbunden ist. Besonders deutlich zeigen das die ersten beiden betrachteten Texte aus dem Johannesevangelium und dem zweiten Buch der Chronik. Allen Betrachtungen liegt der entsprechende Bibeltext in der Übersetzung „Hoffnung für alle“ zugrunde.

Joh 12, 20-26: Ein mutiges „ja“ zu Begegnung und Gemeinschaft

Ohne den Blick auf Menschen anderer Kulturen kommen wir heute nicht mehr aus. Die Griechen, die zum Passahfest ziehen, haben das schon zur Zeit Jesu begriffen: Sie blicken über ihren Tellerrand, wollen Jesus kennenlernen, hoffen womöglich, dass sich ihnen in der Begegnung mit einer neuen, fremden Weltsicht neue Horizonte erschließen. Den Jüngern Philippus und Andreas macht die Anfrage der Griechen zunächst Angst. Sie beraten sich untereinander und schließlich mit Jesus selbst, ob sie den beiden Fremden einen Einblick in ihre Lebens- und Glaubensgemeinschaft gewähren sollen.
Es fällt es ihnen nicht leicht, sie für Menschen anderer Kulturen zu öffnen. Die Antwort, die Jesus ihnen gibt, das Gleichnis vom Weizenkorn, macht den Jüngern mit klaren Worten Mut zu Begegnung und Gemeinschaft: So, wie das einzelne Korn nur in der Hingabe an das Gottesreich Frucht bringen kann, so wird Gott selbst nur in Gemeinschaft und Hingabe wahrhaftig geehrt. Etwas muss sterben in Menschen, damit Neues wachsen kann. Vielleicht ist es manchmal das, was in uns sterben muss: die Angst vor dem Fremden, die verkrampfte Sorge um das Wohlergehen der eigenen Gemeinschaft und das damit einhergehende Sich-Abkapseln in Gruppen und Kreisen, in Kirchengemeinden und Nachbarschaften, in Städten und Nationen.
Wer das Reich Gottes, das erfüllte Leben für die weltumfassende Gemeinschaft der Menschen, der Kulturen und der Generationen im Blick behält, der kann seine eigenen Ängste lassen, der kann sich selbst verlieren und Vertrauen ins Unbekannte wagen. Wo Interesse und Bereitschaft zum Kennenlernen des Fremden bestehen, da erschließt sich auch der eigene Glaube, die eigene Identität neu und wir bauen mit am Reich Gottes, an einer Welt der Hoffnung für alle.

2 Chronik 36, 14-16.19-23: Zerstörte Identität führt zum Inferno – Respekt und Toleranz lassen neue Hoffnung wachsen

Scheinbar als Gegenpart zu Joh 12 liest sich dieser Text: Unheil ist über das Volk Israel hereingebrochen, und der Geschichtsschreiber begründet dies unter anderem damit, dass die Menschen unüberlegt und gedankenlos fremde Riten und Bräuche übernommen haben. So werden die eigenen Wurzeln abgeschnitten, die Verbindung zu Gott gelockert, die eigene Identität gerät aus dem Blickfeld.
Diese Art von Kontakt mit anderen Kulturen führt nicht zum Heil, sie stiftet kein Leben, keine gemeinsame Zukunftshoffnung, sondern sie endet in einem Inferno von Selbst- und Fremdzerstörung, in einem Leben als Unterdrückte oder Unterdrücker oder eben auch im Tod. Dabei hätte die Rettung im System selbst gelegen: Immer wieder haben die eigenen Propheten zur Umkehr gerufen, zum achtsamen Umgang mit sich und den eigenen Wurzeln, zur Besinnung auf das, was die Glaubensgemeinschaft trägt. Die Propheten haben vergeblich versucht, den Blick der Menschen in die Zukunft zu lenken und die langfristigen Folgen ihrer Lebensweise zu bedenken. Doch für solche Gedanken der Nachhaltigkeit wollte sich niemand öffnen.
Erst die eintretende Katastrophe bewirkt den Umschwung. Erst das verwüstete Land wird in Ruhe gelassen. Diese Erfahrung gibt es auch heute immer wieder sowohl im persönlichen als auch im politischen Bereich: Erst eine Katastrophe oder eine Wüstenzeit, ein Kollaps des äußeren oder inneren Systems zwingen zum Nachdenken, zur Umkehr und zum besonneneren Handeln. Oft werden dabei im Vorfeld systemimmanente Lösungen übersehen oder sogar als nicht wirtschaftlich, nicht praktikabel verspottet. Im Bibeltext entsteht die neue Hoffnung schließlich durch einen neuen Machthaber, eine neue Politik, den Perserkönig Kyrus. Ausgerechnet dieser Fremde spricht dem Volk Israel den Segen ihres eigenen Gottes neu zu, ausgerechnet durch den Fremden, Andersgläubigen kann sich Identität neu aufbauen, es kann Heilung geschehen. Eine neue Hoffnung und mit ihr neue Lebendigkeit für das eigene Volk kann wachsen.
Auch hier sind es letztlich der achtsame Umgang der Kulturen miteinander (des König Kyrus mit dem Volk Israel), der Respekt vor der fremden, wenn auch angeschlagenen Identität, sowie der verantwortungsvolle Umgang mit Macht, die eine friedliche Zukunft, neues Leben und neue Hoffnung ermöglichen. In dieser jahrtausende alten Erfahrung stecken wertvolle Impulse für ein nachhaltiges und friedvolles Miteinander heute.

Eph 2, 4-10: Aus geschenkter Hoffnung heraus Leben verantwortlich gestalten

Neue Hoffnung und neues Leben stehen auch im Mittelpunkt dieses Textes. Besonders betont wird, dass es sich bei beiden um ein Geschenk handelt, das Gott uns Menschen in Jesus macht und das durch eigene Leistung nicht erwirkt werden kann. Dennoch will Gottes Geschenk mit Ehrfurcht und Behutsamkeit behandelt werden: Wir Menschen werden so umgestaltet, dass wir an Gottes neuer Welt mitwirken können! Wie trüb und tot unsere Vergangenheit oder die Gegenwart auch aussehen mögen – Gott hat Besseres für uns im Sinn! Diese Zukunftshoffnung ermuntert zu einem verantwortungsvollen Umgang mit sich selbst, mit den anderen und mit der Welt. Da der Bibeltext sehr allgemein gehalten ist, bietet es sich an, einen Bereich aus dem Alltag der HörerInnen als Beispiel heranzuziehen. Bei seiner näheren Betrachtung sollte aufgezeigt werden, wie hier eine nachhaltige, christusbestimmte Lebensweise aussehen kann.

Joh 3, 14-22: Sein Leben nach dem Licht ausrichten

Menschen brauchen etwas, auf das sie schauen und an dem sie sich ausrichten können in ihrem Leben, Denken und Handeln. Es muss etwas sein, das über dem normalen Alltags- und Weltchaos steht, damit der Blick darauf nicht verloren geht in bewegten Zeiten. Als Symbol dafür hielt Mose zur Zeit des Alten Testaments die bronzene Schlange hoch, und ähnlich kann man es auch verstehen, wenn von der Erhöhung des Menschensohnes gesprochen wird: Wer aus dem, was die Umwelt manchmal an Tod, Not und Verzweiflung bereithält, den Blick auf Jesus erhebt, der entdeckt neue Wege des Lebens für sich und andere.
Er kann erkennen, dass letztenendes nicht alles umsonst ist, um das wir uns bemühen. Und so vollzieht sich das Urteil über die Menschen nicht als Spruch eines strengen Richters, sondern vielmehr als eine Konsequenz der Blickrichtung: Wer sich einrichtet in seinem Dunkel von Bequemlichkeit, von Gewohnheit, von Bösem, der bleibt in der Dunkelheit. Wer es aber wagt, ans Licht zu gehen, das Dunkle aufzudecken und ehrlich anzuschauen, an dem und durch den kann Veränderung geschehen. Der Text ermutigt, sich diesem Licht auszusetzen. Es geht nicht darum, dass wir schon ganz im Licht sind, sondern dass wir wagen, unsere Dunkelheit und die Dunkelheit unserer Umwelt dem Licht Gottes auszusetzen. Dann kann Gott selber durch uns handeln, so verspricht es der Text. Er kann daher als Ermutigung ausgelegt werden, immer wieder aktiv gegen das anzugehen, was wir als dunkel, falsch und böse erkennen – und zwar in uns selbst und um uns herum. Es ist ein Text gegen die Resignation und Verzweiflung: „Das bringt doch sowieso alles nichts.“ Diese Resignation kann sich im Einsatz für mehr Nachhaltigkeit einstellen. Dann kann es trösten, nicht nur auf den eigenen Erfolg zu schauen, sondern sich immer neu dem Licht Gottes auszusetzen und ihn durch uns handeln, unser Handeln von ihm bestimmen lassen. Dieser Weg durch mutigen Einsatz, Scheiter oder nachlassendem Engagement, Resignation und hoffnungsvollem Neubeginn kann an einem konkreten Projekt zur Nachhaltigkeit aufgezeigt werden.

Juliane Opiolla, Bous