Laetare / 4. Fastensonntag (27.03.22)

Laetare / 4. Fastensonntag

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
2 Kor 1,3-7 Jos 5, 9a.10-12 2 Kor 5, 17-21 Lk 15, 1-3.11-32

 

Stellung im Kirchenjahr

Der nach dem Eingangspsalm Jes 66,10f benannte Laetare-Sonntag nimmt in seiner hoffungsvollen Grundperspektive die Stellung eines kleinen Vorosterns ein, was anglikanische und römisch-katholische Liturgie in der Farbe Rosa zum Ausdruck bringen. Unter anderem in England auch als Muttersonntag (mothering Sunday) gefeiert, lädt er dazu ein, die Hauptkirche oder Kathedrale der Region zu besuchen oder auch die Kirche, in der man das Sakrament der Taufe empfangen hat.

Am vorausgehenden Freitag, dem 25. März, jährt sich zum 65. Mal der Abschluss der Römischen Verträge, entscheidender Meilenstein eines gemeinschaftlichen und nachhaltigen Wiederaufbaus in Europa. Am Montag, dem 28. März, wird seit 2003 der Tag des Unkrauts begangen, der daran erinnert, dass nicht jedes Unkraut im Garten automatisch unnütz oder ein Schädling ist, das mit Stumpf und Stiel vernichtet werden muss, sondern durchaus seinen – vielleicht erst auf den zweiten Blick erkennbaren – Sinn und Zweck hat.

Exegetische Anmerkungen und Bezüge zur Nachhaltigkeit

2 Kor 1,3-7

Als Teil des Briefeingangs von 2 Kor erinnert Paulus die Gemeinde daran, dass sie Teil eines größeren Ganzen ist und auf diese Gemeinschaft angewiesen bleibt, und ruft sie zum Dank für das Empfangene auf. Der Begriff des Trostes, der von den 18 Vorkommen bei Paulus allein 11 Mal in 2 Kor begegnet, enthält ein starkes aktives Element, in dem es Paulus um die Weitergabe der göttlichen Stärkung als Ermutigung (V. 4) und bei der Gemeinde um die Entwicklung von Geduld geht (V. 6). So erwächst aus Erinnerung Mahnung zur Dankbarkeit und Ansporn zum Einsatz für andere, für das Ganze.

Jos 5,9a.10-12

In Gilgal, dem ersten Lagerort westlich des Jordans, den das Volk erreicht, lokalisiert Jos zwei bedeutende Ereignisse. Dabei korreliert die Entfernung der Vorhäute durch Abwälzung zur Überwindung der „ägyptischen Schande“, d.h. der spöttischen Unterstellung der Ägypter, Gott habe sein Volk in die Wüste geführt, um es dort umkommen zu lassen (Ez 32,12; Num 14,13-16; Dtn 9,28). Denn es ist ihm tatsächlich gelungen, sein Volk durch die Wüste ins Land zu bringen. Und genau dieser Übergang ist Anlass zur Feier des Pessach, in der sich das Volk den für seine Entstehung konstitutiven Übergang von der Knechtschaft in die von Gott geschenkte Freiheit vergegenwärtigt, um daraus eine dauernde Ausrichtung für die Gestaltung des Lebens zu gewinnen.

2 Kor 5,17-21

Der Abschnitt fokussiert den Dienst der Versöhnung, dem Paulus in 5,11-6,10 mehrere Argumentationsgänge widmet, als zentrale christliche und apostolische Aufgabe. Sie rührt vom Kernanliegen Gottes her, der allein Neuwerdung ermöglicht, Mensch und Schöpfung insgesamt mit sich versöhnen und heilen will. Die Einheitsübersetzung von 2016 entscheidet sich für die Formulierung, dass Christus das Wort von der Versöhnung „aufgerichtet“ hat. Damit geht sie über das Anvertrauen der Aufgabe hinaus, hin zu einer Parallelität zum Aufrichten des Kreuzes, als zentrales Ereignis und zentrale Einsetzung der Heilsgeschichte.

Lk 15,1-3.11-32

Jesu Option für die Armen zeigt sich in Lk 15 darin, dass sie nicht mit warmen Worten abgespeist, sondern ganz und gar an-, auf- und hineingenommen werden in die Mahlgemeinschaft mit Jesus. So steht im Zentrum des Christentums das Mahl, an dem gerade auch die – im wörtlichen und im übertragenen Sinn – Beladenenen und Belasteten teilhaben. Gott setzt dem Gefühl, wertlos zu sein (das bei beiden Söhnen aufkommt), Mahlgemeinschaft und Mitleiden (Compassion) entgegen.

Dabei ist das Mahl kein Snack oder schnelles Take-Away, sondern ein Ereignis des ganzheitlichen Feierns, ein Fest, in dem unsere Dankbarkeit in Musik und Tanz ihren Ausdruck findet, und auf diese Weise verdeutlicht, dass auch, wenn die Sünde uns in den Tod treibt („dein Bruder war tot“), Gott ent-schuldigt/ent-schuldet und auf diese Weise von Grund auf neu beleben will und kann.

Predigtskizze

So wie der Sonntag in Text und Liturgie schon nach vorne ausgreift, bietet sich als Ausgangspunkt der Predigt Gottes Perspektive des Festmahls an, das alle und jeden/jede ganz umfasst, und damit im wahrsten Sinn des Wortes umfassend ist. Gott hat dabei vor allem die am Rand Stehenden im Blick, umso dankbarer dürfen wir selber als nicht oder nur wenig Marginalisierte sein, dass auch wir teilnehmen dürfen, uns Entlastung und Entschuldigung zu Teil wird.

Damit verbunden ist der Auftrag, diese Gnade nicht anderen vorzuenthalten, sondern unsere Herzen immer noch ein Stück offener, unsere Hände immer noch ein Stück bereiter, unsere Gemeinschaft immer noch ein Stück weiter zu halten, vielleicht genau um das Stück, das wir uns nicht ohne weiteres, ohne Gottes Ermutigung und Ansporn trauen.

Dadurch sollen Vergebung, Entschuldigung keine leeren Worte bleiben, sondern immer neu ihren konkreten Ausdruck finden und den Menschen ganzheitlich, an Leib und Seele erlösen.

Beispiele zur Umsetzung und weitere Kontexte

1. Entschuldigung/Entschuldung (Jos, 2 Kor 5)

Im April 2021 weist das römisch-katholische Hilfswerk Adveniat darauf hin, dass in Brasilien in rund 60% der Haushalte nicht gewährleistet sei, dass die Familien ihre Ernährung bis zum Monatsende sicherstellen können, und in Argentinien inzwischen mehr als die Hälfte der Menschen unter der Armutsgrenze lebe. In Mittelamerika steige die Zahl der Migranten in Richtung USA wieder stark an, weil die Corona-Krise und zwei verheerende Wirbelstürme im Herbst die Wirtschaft zerstört haben.

Adveniat schließt sich einem Appell von Papst Franziskus an, der bei einem Frühjahrstreffen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds einen Schuldenerlass für die ärmsten Länder gefordert hat. Dies sei ein Gebot globaler Solidarität, sagte Papst Franziskus. Weiter schlug das Kirchenoberhaupt eine Erhebung der „ökologischen Schulden“ der Industriestaaten vor. Diese seien durch die Kostenübernahme für nachhaltige Entwicklung im globalen Süden zu begleichen.

https://weltkirche.katholisch.de/Aktuelles/20210419_Adveniat_fordert_Schuldenerlass_fuer_Lateinamerika

2. Dienst der Versöhnung (Jos, 2 Kor 5, Lk)

Das 2019 im englischen Conventry gegründete Anglican Peacemaking Institute geht auf eine ähnliche Einrichtung an einer mennonitischen Universität in den USA zurück, wo seit rund 25 Jahren engagierte Christen aus aller Welt zusammenkommen, besonders aus Regionen, in denen harte soziale Konflikte herrschen (zum Ganzen: www.reconciliation-initiatives.org/).

Ziel der Peacemaking Institute ist es, Interessierte geistlich, theologisch und methodisch zu einem konkreten Dienst der Versöhnung auszurüsten, um sich vor Ort unter dem Dach und mit Hilfe der Strukturen der Kirche für Mediation, Interessensausgleich und Versöhnung zwischen den Konfliktgruppen einzusetzen.

3. Gegen das Gefühl der Wertlosigkeit (2 Kor 1, Lk)

Das Sozialdorf Manas im Kirgistan ist eine Einrichtung für Jugendliche und Erwachsene, die sich der aus der sowjetischen Zeit stammenden und teilweise noch im Regierungsapparat der zentralasiatischen Republik begegnenden Einstellung entgegenstellt, das Behinderte wertlos bzw. lebensunwert seien. Unter anderem in Haus-und Landwirtschaft sollen Menschen in geschütztem Rahmen sich als sinnvoll und produktiv Tätige erfahren und sich als wertvolles Glied einer Gemeinschaft erfahren, zu der sie eigenständig beitragen und von der sie umgekehrt getragen werden. Ein Förderverein (www.sozialdorf.org) stellt sich der Aufgabe, das Projekt finanziell und strukturell zu unterstützen.

Joachim Feldes, Dannstadt-Schauernheim

Literatur

Ederer, Matthias (2017): Das Buch Josua = Neuer Stuttgarter Kommentar / Altes Testament 5,1.

Ruwe, Andreas (2008): Beschneidung als interkultureller Brauch und Friedenszeichen Israels: religionsgeschichtliche Überlegungen zu Genesis 17, Genesis 34, Exodus 4 und Josua 5, in: Theologische Zeitschrift 64, 309-342.

Schmeller, Thomas (2010): Der zweite Brief an die Korinther 1 (2 Kor 1,1-7,4) = Evangelisch-Katholischer Kommentar 8/1.