Letzter Sonntag im Kirchenjahr / Christkönigssonntag (22.11.15)

Vorschläge der Perikopenrevision (EKD/VELKD/UEK) - Ewigkeitssonntag: 2Petr 3,(3-7)8- 13; Mk 13,28-37; Mt 25,1-13; Offb 21,1-7; Jes 65,17-19 (20-22) 23-25; Psalm 126
Totensonntag: Joh 6,37-40; Ps 90,1-14 (15-17); Dan 12,1b-3; Joh 5,24-29; 1Kor 15,35- 38.42-44a; Hos 6,1-3 [www.stichwortp.de]

 

Letzter Sonntag im Kirchenjahr / Christkönigssonntag

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Mt 25, 1-13 /
Totensonntag: Joh 5, 24-29
Dan 7, 2a.13b-14 Offb 1, 5b-8 Joh 18, 33b-37

Stellung im Kirchenjahr

Der letzte Sonntag im Kirchenjahr ist in der Evangelischen Kirche dem Gedenken der Verstorbenen gewidmet. Im Volksmund ist er bekannt als Totensonntag, in kirchlichen Kreisen sprechen wir lieber vom Ewigkeitssonntag. Wir denken an Verganges und die Vergänglichkeit alles Irdischen. Dieser Sonntag ist für mich aber auch der Tag mit den weiten Ausblicken, der Tag, der uns weit in die Zukunft sehen lässt, der alle Grenzen und Horizonte sprengen will, denn wir denken an Bilder der Bibel, die uns zeigen wollen, welche Pläne Gott mit uns Menschen hat, die über unser begrenztes Wissen hinaus gehen.

Mt 25, 1-13

Exegetische Überlegungen

Die Hochzeit soll ein Bild sein für Gottes neue Welt, für die Gemeinschaft mit Gott, die allen Menschen offen steht. Wie passt denn aber in unser Bild vom liebenden verzeihenden Gott, dass die fünf Mädchen, die nicht so vorausschauend geplant haben, ganz und gar abgewiesen werden? Der merkwürdige Umschwung von der Einladung zum Drohwort lässt sich logisch erklären durch die Situation der christlichen Gemeinden zur Entstehungszeit des Matthäusevangeliums. Sie wurden verfolgt und viele erlitten den Märtyrertod in den großen Verfolgungen der jungen christlichen Gemeinden durch den römischen Staat. Ihre Hoffnung, dass Gottes Reich ganz schnell errichtet würde, erfüllte sich nicht. Sie versuchten immer wieder neuen Mut zu gewinnen, immer wieder neue Kraft zum Durchhalten zu bekommen. Deshalb schrieben sie zum Beispiel das ursprüngliche Gleichnis für ihre Zeit weiter. Die Menschen brauchten Geduld und einen langen Atem, um nicht zu verzweifeln. Um in den Worten unseres Bildes zu sprechen: es war nötig, einen guten Vorrat an Öl anzulegen, damit das Feuer am Brennen blieb.

Predigtimpulse

Nicht von heute auf morgen kommt der auferstandene Christus zurück auf die Erde.
Nicht von heute auf morgen wird der Tod überwunden. Nicht von heute auf morgen wischt Gott alle Tränen ab und nicht sofort werden wir Gott von Angesicht zu Angesicht schauen.
Für uns ist es mindestens genauso schwer, dieses Warten auf Gott und auf Gottes Reich.

Wie ohnmächtig fühlen wir uns oft in unseren zaghaften Versuchen gegen Todesmächte anzukämpfen, gegen den Hunger in der Welt, gegen Umweltzerstörung, gegen Kriegstreiberei, gegen Vorurteile und Hass.
Wie oft scheitern wir an uns selbst, an unseren verschlossenen Herzen und Händen, an unserer Mutlosigkeit und Angst
Und dabei könnten wir doch Vertrauen haben, weil es doch noch nicht zu spät ist. Die Tür ist noch nicht verschlossen. Wir haben immer noch die Chance, die Einladung zu Gottes großem Fest anzunehmen.

Bezug zur Nachhaltigkeit

Es kommt auch auf den richtigen Zeit­punkt an. Es kann also auch ein Zuspät geben.

Es könnte einen Zeitpunkt geben, an dem fahrlässig Versäumtes nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Wir sollten auch an die vielen kleinen und größeren Tode denken, die unsere Mitwelt täglich stirbt, an all die Pflanzen und Tiere, die schon ausgestorben sind und für die es kein Zurück­holen mehr gibt.
Es gibt ein Zuspät, an dem Umkehr nur noch schwer möglich ist. Diese Geschichte will den Wunsch in uns wecken, zu den klugen Mädchen zu gehören, die genug Öl dabei haben. Es geht darum, die Augen offen zu halten, damit wir sehen, worauf es ankommt. Wir müssen sehen können, wo unser Handeln erforderlich ist. Und es geht um die Einsicht, dass ein langer Atem vonnöten ist.

Genug Öl bereit zu halten und zu warten, das heißt doch, bereit sein für Gott und gleichzeitig auch Ausdauer zu haben. Es heißt auch, klug hauszuhalten und sparsam umzugehen mit dem Ölvorrat. Blinder Aktionismus, der unnötige Kräfte vergeudet, hilft der Welt letztendlich auch nicht weiter.
Unser Öl ist die Hoffnung, dass Gott bei uns ist und dass Gottes Liebe uns trägt und das Vertrauen darauf, dass Gott doch noch alles zu einem guten Ende bringen wird.
Deshalb können wir unbeirrt und mutig unseren Weg weiter gehen und uns für alles einsetzen, was dem Leben dient. Dabei gilt es wach zu bleiben für die Gefährdung des Lebens um uns herum, um nicht den entscheidenden Moment zu verschlafen.

Joh 5, 24-29

Exegetische Überlegungen

Es geht hier (wie auch im Kontext der Perikope) um Jesu Vollmacht. Die in den Versen vorher aufgeworfene Legitimationsfrage Jesu wird weiter geführt und noch stärker verdeutlicht.
Es geht hier um die Grundfrage nach Leben und Tod. Der von Gott mit Vollmacht ausgestattete Gottessohn wird über alle Gericht halten, die Lebenden und die Toten. Der Glaube an Jesus und seine Vollmacht macht den Unterschied über Leben und Tod aus.

Predigtimpulse

Es muss doch mehr als alles geben! Dieses Leben hier ist nicht alles – unsere Hoffnung geht über den von erlebten Tod hinaus. Wir vertrauen darauf, dass unsere Verstorbenen, an die wir nicht nur heute am Totensonntag denken und die uns schrecklich fehlen, bei Gott aufgehoben sind. Dass sie teil haben am Leben, das stärker ist als alles andere. Wir hoffen und vertrauen, dass wir selbst dieses Leben wieder spüren können. Dass wir trotz aller Trauer und aller Verzweiflung zurück finden ins volle Leben, so wie Jesus es uns verspricht und Gott es für uns bereit hält.

Bezug zur Nachhaltigkeit

Wenn wir nicht auf die Stimme Jesu hören und uns endlich mit aller Kraft für das Leben stark machen, dann werden wir die Konsequenzen zu tragen haben. Dann werden wir uns selbst richten. Wer auf die Stimme des Lebens hört, muss unweigerlich den Mächten des Todes entgegen treten.

Dan 7, 2a.13b-14

Exegetische Überlegungen

Im zweiten Teil des Danielbuches werden fantasievolle Visionen der Kunstfigur Daniel erzählt. Mit diesem literarischen Kunstgriff verschlüsselt ein unbekannter Autor die Beschreibung seiner Gegenwart, vermutlich die Makkabäerzeit im 2. Jahrhundert vor Christus. Die apokalyptischen Visionen drücken die Hoffnung aus, dass Gott den ungerechten, menschenverachtenden politischen Systemen ein Ende bereiten wird.

Daniel sieht hier vier große Tiere aus dem Meer steigen, eins fürchterlicher als das andere. Das erste sieht aus wie ein Löwe mit Flügeln. Es bekommt ein menschliches Herz. Das zweite gleicht einem Bären, das dritte ähnelt einem Panther mit vier Köpfen und vier Flügeln. Am schrecklichsten ist das vierte Tier, das mit seinen eisernen Zähnen alles zermalmt. Auf einem feurigen Thron sitzt eine uralte Gestalt, die das Geschehen beherrscht. Hinzu kommt der Menschensohn mit den Wolken.

Die vier fürchterlichen Bestien stehen für die bekannten Weltreiche, die sich gegenseitig vernichten bis dann an ihre Stelle ein ewiges Gottesreich treten wird. Die geheimnisvolle Gestalt des Menschensohns ist an der Befreiung beteiligt und bekommt vom großen König alle Macht zugesprochen.

Predigtimpulse

Immer noch bekämpfen sich verschiedene "Weltreiche" untereinander. Laut UNHCR gibt es im Jahr 2014 weltweit so viele Flüchtlinge wie seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr. Bürgerkriege z.B. in Syrien, in der Ukraine und im Irak halten die Weltgemeinschaft in Atem. Überall protestieren Menschen gegen ungerechte Strukturen, sogar im Zusammenhang mit der Fußball-WM in Brasilien.
Der Traum von einem Retter, der kommt und allem Leid und Elend ein Ende macht, ist aktueller denn je zuvor.
Wir glauben, dass in Jesus Christus dieser König gekommen ist, der die ganze Schöpfung befreien will und allen Menschen das Heil bringt.

Bezug zur Nachhaltigkeit

Wenn wir daran glauben, dass Gott Gerechtigkeit für alle will und das in der Person von Jesus Christus lebendig und sichtbar geworden ist, dann haben wir den Auftrag, daran zu arbeiten, dass Menschen menschenwürdig leben können. Wir brauchen kraftvolle Visionen wie die des Daniel. Visionen, die uns Mut machen, trotz allem Elend, trotz Leid und Gewalt. Visonen von einer globalen nachhaltigen Gesellschaft, in der alle leben können und ihr Auskommen haben.

Joh 18, 33b-37

Exegetische Überlegungen

Die Johannespassion setzt ganz eigene Schwerpunkte. Anders als in den synoptischen Evangelien wird Jesus hier immer als der Überlegene, der etwas über der Sache Stehende dar gestellt. Das Johannesevangelium denkt dualistisch, setzt grundsätzlich zwei Wirklichkeiten gegeneinander. Dahinter steht die doppelte Bedrohungssituation, im eigene Volk ausgegrenzt zu sein und mit dem Volk von Rom unterdrückt. Dieses duale Denken wurde von vielen Exegeten als ein Rückzug aus der Realität interpretiert, so als ob die johanneischen Gemeinden sich dem Himmel mehr verbunden fühlten als der Erde.

Unsere Perikope bedeutet jedoch weder eine Loyalitätserklärung für den Kaiser noch ein Aufruf zum stillen Erdulden der herrschenden Gewalt. Sie enthält vielmehr einen deutlichen politischen Anspruch. Jesus beansprucht für sich, der wahre König zu sein, der anders herrscht als die gewöhnlichen Könige. Die johanneischen Gemeinden versuchten wohl eine neue Art der Gemeinschaft wirklich zu leben, mit gleichberechtigten Menschen ohne hierarchische Strukturen.

Predigtimpulse

Jesus mutet den Menschen immer wieder seine eigene Wahrheit zu und stellt damit gleichzeitig andere Wahrheiten in Frage. Dieser König ist völlig anders als andere Könige. Er ist auch ganz anders als viele von uns es erwarten würden. Er ist nicht gekommen, um Bedürfnisse welcher Art auch immer zu bedienen, sondern um selbst zu dienen. Und er erwartet, dass die Menschen ihm folgen in diesem Dienen. Das heißt, dass jemand bereit ist, seine eigenen Interessen auch einmal hinten anzustellen und sich um andere Menschen zu bemühen. Das kann auch bedeuten, dass wir dabei Schweres durchmachen müssen. Jesus selbst ist einen schweren Weg gegangen. Dieser König, einer besseren Welt ist an der Bosheit und Trägheit der Menschen gescheitert. Und doch hat seine Idee von der Königsherrschaft Gottes überlebt und gibt uns die Richtung vor.

Bezug zur Nachhaltigkeit

Mit diesem außergewöhnlichen "König" vor Augen werden wir eine andere Art von Leben anstreben. Ein Leben, in dem Menschen miteinander gleichberechtigt für ein besseres Leben für alle kämpfen. Eine Gemeinschaft, in der wir uns gegenseitig dienen und uns nicht beirren lassen von allen möglichen Widerständen und Verlockungen, die uns von unserem Weg abbringen könnten. Versuchungen, die unser heutiges Leben mit sich bringt. Zum Beispiel sich aus der Solidargemeinschaft verabschieden. Oder unkritisch konsumieren. Weil alle es so machen. Weil es doch so bequem ist.

Martina Horak-Werz, Gommersheim