Letzter Sonntag im Kirchenjahr / Christkönigssonntag (22.11.20)

Letzter Sonntag im Kirchenjahr / Christkönigssonntag


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
letzter Sonntag: Offb 21, 1-7
Totensonntag: 1 Kor 15,35-38.42-44a
Ez 34, 11-12.15-17 1 Kor 15, 20-26.28 Mt 25, 31-46

Der letzte Sonntag des Kirchenjahres nimmt die Vergänglichkeit des Lebens (Totensonntag) eindrücklich in den Blick. Das Gedenken der Verstorbenen führt die Zerbrechlichkeit des Lebens und den Schmerz und die Trauer über den Verlust von nahestehenden Menschen vor Augen. Die Sterblichkeit ist Teil der Natur und ihrer Abläufe. Ein Ziel von Nachhaltigkeitsstrategien besteht auch darin die vorzeitige Sterblichkeit zu reduzieren (z.B. von Kindern und Müttern).

Gleichzeitig richtet sich der Blick Richtung Ewigkeit (Ewigkeitssonntag): Das Ende aller Zeiten wird in verschiedenen Bildern entfaltet: Die Vision einer neuen Erde und eines neuen Himmels, der Anbruch des Friedenreichs und die Vorstellung der Rückkehr in den paradiesischen Garten sind damit verbunden. In der Ewigkeit wird das fragile Gleichgewicht der Kräfte aufgehoben und in eine stabile Nachhaltigkeit in der unmittelbaren Gegenwart Gottes überführt werden.

Ergänzt wird diese Perspektive um das Christkönigsfest in der katholischen Tradition: Unser politisches und soziales Eingebunden sein wird durch die Königsherrschaft Christi auf der einen Seite relativiert und zum anderen von dort aus mit neuem Mut ausgestattet. Das letzte Wort hat nicht das herrschende System und die sündhaften Strukturen, sondern es liegt bei Jesus Christus, der diese Welt überwunden und uns von Sünde befreit hat. Seine Regentschaft …


Offb 21

In Offb 21 wird eines der gewaltigsten und anrührensten Bilder entworfen was uns dermaleinst erwarten wird. Ein neuer Himmel und eine neue Erde werden den ersten Himmel und die erste Erde ablösen. Dort wird Gott unter den Menschen einziehen (V.3) und alles neu machen (V.5). In dieser neuen Zeitrechnung wird das, was uns heute das Leben schwer macht und verletzt (Tod, Leid, Geschrei und Schmerz), keine Relevanz mehr haben. Es wird Vergangenheit sein. Die Fragen der Nachhaltigkeit werden dort keine Aufgabe mehr sein. Die Tränen (und vielleicht auch der Schweiß des Engagements) werden getrocknet.

Mit dieser Zukunftsvorstellung vor Augen können wir unsere eigene Gegenwart kritisch betrachten und das Negative benennen. Diese Zukunftsmusik erquickt und ermutigt uns schon jetzt, auch dort wo wir unter Tod, Leid, Geschrei und Schmerz leiden und dagegen ankämpfen, mit dem lebendigen Wasser umsonst.


1 Kor 15, 35 ff.

Paulus greift in seiner Argumentation ein Bild der Biologie auf, um die Auferstehung zu verdeutlichen: Das Samenkorn verändert sich und verliert seinen Charakter als Korn, d.h. es stirbt, damit aus ihm ein neues Lebewesen erwächst. Dieses Wirken Gottes im Samenkorn wird zum Gleichnis für den menschlichen Körper. Der Körper ist vergänglich und schwach und doch wird ihm die Auferstehung zu gesagt: Er wird zum Samenkorn eines besonderen Körpers, den Gott will. Denn Gott will das Leben und erschafft es, weil er das Leben liebt. In dem Bild des Samenkorns, das vergeht und Grundlage des neuen Lebens bildet, wird die Prozesshaftigkeit deutlich: Die Verletzlichkeit wird transformiert zur Herrlichkeit. Die Schwachen sind nicht verdammt ewig zu leiden, sondern ihnen wird Kraft, die dynamis Gottes, in Aussicht gestellt. Die Neuschöpfung ereignet sich in Zukunft und Gegenwart. Der geistliche Körper vollzieht sich schon im Leib Christi, d.h. in der Gemeinschaft der Glaubenden!


Ez 34, 11-13.15-17

Ezechiel kündigt in diesem Text die Umkehrung der Verhältnisse an: Da die Herrschenden ihrer Aufgaben als Hirten ihres Volkes nicht nachkommen, greift Gott selbst ein und kümmert sich um die Herde. Er führt wieder zusammen, was zerstreut ist, und weidet die Seinen in ihrem Land. Gott sucht das Verlorene, Vertriebene, Verletzte und Kranke auf, um es zurückzubringen, zu verbinden und zu kräftigen. Wie auch in 1 Kor 15 und in Mt 25 werden die Schwachen und Geringen in den Blick genommen. Sie erfahren Gutes. Besonders hervorzuheben ist hier, dass Gott durch Rechtsentscheid weidet: Gerechtigkeit und Recht gehen über das einmalige Helfen hinaus. Die Tora als Geländer um das gute Leben wird hier aufgegriffen. Die Fürsorglichkeit Gottes mündet in lebenserhaltenden Strukturen, die nachhaltig sind. Gott kümmert sich um seine Herde und sorgt für Recht unter ihnen.


Mt 25

Jesus stellt in Mt 25,31-46 zwei Gerichtsdialoge des Endgerichts dar. Über das Hirten- und Königsmotiv ist dieser Text mit Ez 34 verknüpft. Dabei wird zum einen ein universaler Horizont (Völker) aufgeworfen der gleichzeitig das Richten über einzelne Menschen enthält. Der Text ist über die Zeiten hinweg ein Grundtext der Diakonie. Heute wird er oft als Garant für ein undogmatisches und praktisches Christentum, das am Einsatz für die Schwachen gemessen werden soll, genutzt. In der Befreiungstheologie wird die Option für die Armen mit der Ebenbildlichkeit Christi, die im Geringsten sichtbar wird, betont. Unter den heutigen Herausforderungen sind die sieben Werke der Barmherzigkeit weiter zu denken: Wer sind die geringsten Brüder und Schwestern? Dabei kommen die zukünftigen Generationen in den Blick, für die wir die Verantwortung für die Schöpfung Gottes übernehmen. Ebenso ist aber auch der Blick auf die Menschen, die schon jetzt unter unseren Lebensverhältnissen und den Folgen des Klimawandels besonders im globalen Süden leben, zu richten. Diese Entwicklung ist eine, die Menschen dazu führt ihre Heimat zu verlassen und fremd zu sein. Ihnen zu begegnen und ihnen mit Essen und Trinken, Kleidung und Unterkunft auszuhelfen bringt uns auf die Spur Christi.


1 Kor 15,20-26.28

In der Auferweckung Christi beginnt das Leben für die Gestorbenen. Die Macht des Todes ist im Messias gebrochen: Dabei wird ein weiter Todesbegriff verwendet, der sowohl das physische Ableben als auch die Mächte des Todes als Sündenmacht umfasst. Der kollektiven menschlichen Sterblichkeit wird die Lebendigmachung aller durch den Messias gegenübergestellt. Dabei wird die menschliche Seite des Messias betont. Darin wird ein Spannungsbogen von der Schöpfung zur vom Tode bedrohten Gegenwart in die kommende Zukunft aufgebaut, um darin ganz den Bezug zum gegenwärtigen Gott („Jetzt“ V.20) festzuhalten. Die Zeit des Heils ist in der Auferweckung des Messias angebrochen. Sie ist eine klare Kampfansage an die lebensfeindlichen Mächte, deren Ende angekündigt und ersehnt wird. Als Teil des Leibs Christi kämpft auch die Gemeinde gegen diese bedrohlichen Mächte – damals und heute. Gottes lebensjahende Macht ist im auferstanden Messias gegenwärtig (V. 23 parousia).

Anne Heckel, Dortmund