Letzter Sonntag im Kirchenjahr / Christkönigssonntag
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Jes 65, 17-19 (20-22) 23-25 / Rev. 2014: Offb 21, 1-7 |
Dan 7, 2a.13b-14 | Offb 1, 5b-8 | Joh 18, 33b-37 |
Jesaja 65,17-25
Der Text aus Jesaja 65 beschreibt eine der großen alttestamentlichen Visionen eines neuen Himmels und einer neuen Erde. Diese Vision wird auch im Neuen Testament aufgegriffen wird- wenn auch in deutlich spiritualisierter Form (s. Offenbarung 21,1-7).
Von der neuen Erde heißt es zwar, dass sie völlig anders sei als die alte Erde. Aber sie trägt doch deutlich irdisch-menschliche Züge: es gibt in ihr Kinder und Alte, Häuser und Weinberge, Saat und Ernte, sogar von Arbeit und einem Tod nach einem langen Leben ist die Rede. Jedoch ist diese so scheinbar ganz diesseitige Erde doch eine ganz andere, die im scharfen Kontrast zur Lebenswirklichkeit auf unserer Erde steht: Kinder sterben keines frühen Todes, Alte können ein langes erfülltes Leben genießen. Menschen bauen Häuser, aus denen sie nicht vertrieben werden. Sie pflanzen Weinberge, von denen sie leben können. Niemand bereichert sich auf Kosten des anderen, jeder kann die Früchte seiner Arbeit genießen. Klage und Weinen sind verstummt.
Mit diesen Bildern wird eine Vision von gelingendem Leben und einem gerechten und friedlichen Zusammenleben entwickelt. Diese Vision ist nicht nur eine Jenseitshoffnung, sondern die hältder Gegenwart einen kritischen Spiegel vor und will sie verändern. Interessanterweise kann man in diesen Visionen vieles von dem wiederfinden, worum es auch den Nachhaltigkeitszielen geht, die 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurden: Abschaffung von Armut und Hunger, gute Gesundheitsversorgung, gerechte und nachhaltige Landnutzung, Leben in Frieden und Sicherheit, sinnvolle Arbeit. Daran sieht man nicht nur, wie visionär die Nachhaltigkeitsziele sind, sondern auch, dass es starke Bilder von gelingendem Leben braucht, um tatsächlich etwas zu verändern. Starke Bilder vom gelingendem Leben braucht es auch, um das eigene vergängliche Leben dankbar auf alles zu betrachten, was gelungen ist, es als vergängliches Leben anzunehmen und es am Ende getrost in Gottes Hände zurückgeben zu können.
Christen sind aufgefordert, solche starken Bilder gegen alle Ängste, Resignation und die vielen gegenwärtigen Formen eines zynischen Egoismus zu setzen und sich von ihnen inspirieren zu lassen, gemeinsam mit anderen für ein Zusammenleben in Gerechtigkeit und Frieden einzutreten. Sie werden ermutigt durch die Zusage des Jesaja, dass Gott diese neue Erde schaffen will- schon jetzt und dereinst.
Offenbarung 21,1-7
Im letzten Buch der Bibel wird die Vision des Jesajatextes aufgenommen und deutlich spiritualisiert und transzendiert. Nicht nur Schmerzen und Tränen, sondern auch der Tod werden ganz verschwinden. Gott wird alles in allem sein.
Aber auch dieser Text kommt nicht ohne Bilder aus. Diesmal ist es nicht so sehr die ländliche Idylle von den Früchten des Weinstocks, die die Hoffnungsbilder prägt, sondern das Bild von der Stadt Gottes, dem himmlischen Jerusalem. In dieser Stadt wohnt Gott mitten unter den Menschen und deshalb wird Frieden sein.
Dieser Text wird oft bei Beerdigungen ausgelegt und enthält ohne Zweifel eine tröstliche Botschaft im Angesicht des Todes. Er kann aber auch als eine kräftige Vision für ein gelingendes Zusammenleben in einer Stadt dienen, in denen keine Tränen der Einsamkeit geweint werden, in dem es keine Bettler und Drogenabhängige gibt, sondern in der jeder und jede gut leben kann.
Der Verweis auf die Vergänglichkeit des Menschen und unserer Erde ist zugleich eine Mahnung, die schöpfungsgemäßen Grenzen menschlichen Lebens als notwendig und heilsam anzunehmen. Gott, der Schöpfer, ist allein der Ewige und wir sind seine Geschöpfe, die in zeitlichen und räumlichen Grenzen leben. Diese Grenzen in Demut zu akzeptieren und die Gaben der Schöpfung dankbar anzunehmen ist die Grundhaltung, aus der Christen nicht über ihre Verhältnisse leben, sondern ein nachhaltiges Leben führen können.
Daniel 7,2a.13-14 und Offenbarung 1,5b-8
In beiden Texten findet sich die Vision von dem Menschensohn, der auf einer Wolke erscheint und die Erde regieren wird. Der Menschensohn ist der, der nicht durch Allmacht herrscht, sondern die Menschen durch Liebe erlöst und befreit.
Ihm gehören Anbetung und Verehrung. Im Danieltext werden zuvor furchterregende Visionen von schrecklichen gewalttätigen Tieren geschildert, die alles vernichten. Der Menschensohn auf der Wolke dagegen will Erlösung bringen. Die Sendung dieses kommenden Menschensohnes ist eine friedvolle und heilsame, die man nicht fürchten muss.
Johannes 18,33b-37
Dieser Gedanke von einer friedlichen und heilsamen Herrschaft des Menschensohnes wird auch in diesem Johannestext aufgenommen und auf Jesus bezogen. Jesus steht vor Pilatus und wird von ihm befragt, ob er der König der Juden sei. Jesus antwortet darauf indirekt mit dem Hinweis, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist. Wäre es von dieser Welt, so würden er und seine Jünger um die Herrschaft kämpfen. Da sein Reich aber ein anderes ist, besteht seine Herrschaft darin, dass er Leid und Tod freiwillig erduldet, aber gerade so überwindet.
Hier wird noch einmal in christologischer Konzentration deutlich, dass das Reich Gottes zwar ein anderes und jenseitiges ist, welches aber gerade in seiner Andersheit die gewaltsamen und ungerechten Herrschaftssysteme unserer Welt in Frage stellt. So wird der Glaube an dieses so ganz andere Reich Gottes zu einer subversiven Kraft, die Gegenwart zu verändern. In der Nachfolge Jesu jedoch nur mit Mitteln, die irritierend friedlich sind und deshalb durchaus möglicherweise nicht immer erfolgreich und zugleich auch riskant. Aber nur so wird der Kreislauf der Gewalt durchbrochen und Neues geschaffen.
Dr. Ruth Gütter, Kassel