Letzter Sonntag nach Epiphanias / 3. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Mt 17, 1-9 | Jona 3, 1 - 5.10 | 1 Kor 7, 29-31 | Mk 1, 14-20 |
Der Autor betrachtet den Predigttext der EKD-Reihe sowie den Text der katholischen 2. Lesung. Die Anknüpfungspunkte - unter dem Stichwort „nachhaltig“- sind : Die Erfahrung des göttlichen Lichtes sowie die Verkündigung des Anbruchs eines messianischen Gottesreiches befähigen Menschen zur tätigen Nachfolge - auch in dieser Welt. Sie sehen / hören ahnend eine Kraft. Und die Vision einer neuen Denk- und Lebensweise (mehr Sein als Haben) kann die Welt verändern: viele kleine Schritte an vielen kleinen Orten!
Stellung im Kirchenjahr
Der 3. Sonntag im Jahreskreis ist in diesem Jahr zugleich der letzte Sonntag nach Epiphanias, in den ev. Kirchen gefeiert als Fest der Verklärung Christi, als Fest der Offenbarung der Göttlichkeit Jesu. Die liturgische Farbe weiß beschließt den Weihnachtsfestkreis : Licht soll aus aller Finsternis hervorleuchten.
Das katholische Evangelium verkündet den Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu und die Berufung der ersten Jünger: „Die Zeit ist da, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“. Und so richten beide Botschaften unsere Blicke – bevor die lange Wanderung durch die Passionszeit beginnt – auf Ostern.
Mt 17, 1-9
Exegetische Hinweise
Unter den biblischen Berggeschichten (Ararat, Morija, Sinai, Nebo und Karmel) hat die vom Berge Tabor theologisch die größte Bedeutung. Die etwa um das Jahr 80 n.Chr. verfasste Perikope muss im Kontext gesehen werden mit Mt 16, 13-23. Vom Messiasbekenntnis des Petrus und Jesu Antwort darauf („sagt noch niemandem, dass ich der Messias bin!“) sind die Jünger begeistert, werden aber durch die erste Leidensankündigung geschockt. Den drei wichtigsten Jüngern schenkt Jesus daraufhin die „umwerfende“ Licht- und Wort-Erfahrung: ER ist der von Gott bezeugte Sohn Gottes.
Die Form der „Verklärungsgeschichte“ (mhd eigentlich von „erklerung“, dh. Erläuterung, Erhellung) ist verwoben mit den Tauf- und Versuchungsberichten (Kap. 3+4) sowie mit der Geschichte von Gethsemane - und der Auferstehung (Kap 26 ff). Den Jüngern – nachösterlich gesehen – wird auf dem Berg Tabor die entscheidende Kraft zuteil, das Leiden Jesu zu verstehen und so zum Auferstehungs- und Sendungsglauben zu kommen.
Predigtimpulse und Bezüge zur Nachhaltigkeit
Das Licht als Naturereignis der Schöpfung,- sein Erscheinen wie sein Fehlen, in außergewöhnlichen Formen wie auch in Trugwahrnehmungen, wird als Faszination wie auch als Erschrecken erlebt.
Lichterfahrungen und Entrückungserzählungen – sowohl in der profanen wie in der religiösen Tradition - gibt es von der Antike an bis heute. Die Bibel spricht etwa 120 mal von Licht, Erleuchtung, Verklärung, und auch hier mit faszinierenden wie erschreckenden Auswirkungen: Mose wird von Gottes Herrlichkeit geblendet, Elia fährt mit feurigem Wagen gen Himmel, die Jünger auf Berg Tabor möchten Hütten bauen und erschrecken gleichzeitig sehr, die Gestalt des Engels am Grabe Jesu leuchtet wie ein Blitz, Paulus stürzt vor Damaskus vom Pferd, die Hl. Hildegard von Bingen schreibt, was „ihr Licht“ ihr aufträgt. Unzählige Erscheinungen,- von Jesus, der Gottesmutter, Engeln und Heiligen – wurden zu Wallfahrtsorten.
Und immer führt das Licht zu entscheidenden Veränderungen im Leben der Betroffenen. Menschen mit Nahtoder -fahrungen berichten von einem Licht, und dass sie nachher bewusster lebten. Der Franzose Blaise Pascal, Mathematiker, Physiker und Literat, wurde zu einem asketisch lebenden großen christlichen Philosophen. Als er 1662 in Paris starb, fand man – in seine Rocktasche eingenäht – ein Schriftstück, in dem er von einer Lichterfahrung berichtet: “1654, eine Stunde nach Mitternacht : Feuer, Gewissheit, Gewissheit, es ist Gott Jesus Christus. Dankbarkeit, ewig Freude für einen Tag der Plage auf Erden. Ich will nie deine Worte vergessen!“
Es waren ja auch auf Tabor die entscheidenden Worte: „Dies ist mein geliebter Sohn“, die zusammen mit dem Licht, den Jüngern die entscheidende Kraft gab, das Leiden Jesu zu verstehen und damit zum Glauben an die Auferstehung, ihre Erlösung und Sendung zu kommen.
Der Evangelische Kirchentag 2015 ruft zu nachhaltigem Denken und klugem Wirtschaften auf. Nachhaltigkeit heißt auch Zukunftsfähigkeit. Als Christen leben wir von starken biblischen Hoffnungsbildern. Petrus, der ja dabei war, bezeugt uns: „Wir sind nicht klug ausgedachten Geschichten gefolgt, sondern wir waren Augenzeugen“ ( 2 Petr 1, 16 ). Alle uns überlieferten Glaubensgewissheiten wollen zu unserer Kraft werden. Aber auch die kleinen und größeren Lichtblicke, Glücks- und Schreckenserfahrungen in unserem eigenen Leben können zu unserem Berg Tabor werden. „Lehre uns das bedenken, auf dass wir klug werden!“ (Ps 90, 12)
1 Kor 7, 29-31
Exegetische Hinweise
Paulus schrieb den Brief an die Korinther zwischen 53 und 55 n.Chr. Den Anlass bildeten Fragen der von ihm gegründeten jungen Christengemeinde. Aus der Antwort des Apostels – wie in keinem seiner anderen Schreiben - wird eindrücklich sichtbar, was er für den Glauben und das Leben der Christen für entscheidend hält: die Ordnung und Spiritualität des Einzelnen und der Gemeinde, beides letztlich von Christus dem Gekreuzigten (1,18–2,5) und Auferstandenen (15,1-28) her bestimmt . Die angegebene Textstelle entwirft eine Theologie des „haben, als hätte man nicht“!
Predigtimpulse
Drei biblische Verse, die stutzig machen, auf den ersten Blick voller Widersprüche sind: „Wer eine Frau hat, soll sich in Zukunft so verhalten, als habe er keine, wer weint, als weine er nicht, wer kauft, als wäre er nicht Eigentümer, wer sich die Welt zunutze macht, als nutze er sie nicht ?“
Sieht so ein gelingendes christliches Leben aus, mit einer derart „gespaltenen“ Persönlichkeit? Können diese Ratschläge eine Motivation sein für einen verantwortlichen Umgang mit dem Ehepartner, mit der eigenen Psyche, mit der eigenen Arbeit, mit der gottgewollten Gestaltung der Erde?
Es sieht so aus, als ob dem Text die Vorstellung der unmittelbar bevorstehenden Wiederkunft des Herrn zu Grunde liegt („Die Zeit ist kurz“ und „die Gestalt dieser Welt vergeht!“). Weltflucht also? Oder gar „auf dem Vulkan tanzen“? Beide Deutungen scheinen auf den ersten Blick möglich, - wären aber damit vollends unbrauchbar für ein „nachhaltiges predigen“!?
Paulus sagt in Wirklichkeit etwas anderes, der Gesamtzusammenhang des Korintherbriefes zeigt es auf: „Jeder soll so leben, wie Gott es ihm zugemessen hat“ (7,17). „Macht euch aber nicht zu Sklaven von Menschen, denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden (7,23 f.). Und: „wir haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott stammt, damit wir das erkennen, was uns von Gott geschenkt ist“ (2,12). “Davon reden wir, nicht mit Worten, wie menschliche Weisheit sie lehrt, sondern wie der Geist sie lehrt, indem wir den Geisterfüllten das Wirken des Geistes deuten“ (2,13).
„Zeit“ (gr. Kairòs) meint hier keine Zeitspanne, sondern die mit Jesus Christus angebrochene „Zeit der Gnade“ (vgl. 2 Kor 6,2 und das Evangelium Mk 1,14-20). Diese bedeutet keinen Ausstieg aus der Welt, sondern ein neues Denken und eine neue Lebenseinstellung aus dem Geist des Auferstandenen und in seiner Nachfolge:
Es ist – entgegen aller Auffassung der Welt - die Haltung des „HABEN, ALS HÄTTE MAN NICHT“, das innere Loslassenkönnen, das nicht um jeden Preis herrschen wollen, besitzen wollen, glücklich sein wollen, Trauer, Leid und Tod verdrängen wollen. Das will heißen: „In der Welt leben und nicht von dieser Welt sein“ (Joh 17,1/ Röm 12,2). „Mehr Sein, als Haben !“ (Erich Fromm). Und dieser Weg zur „Freiheit des Christen“ (Röm 7,5-6) ist eine Chance zu „nachhaltigeren“ Beziehungen unter den Menschen und damit zu mehr Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Viele kleine Schritte an vielen kleinen Orten . . .
Bezug zur Nachhaltigkeit:
1 Kor 7, 29-31 ist ein Text gegen das Besitzdenken, das Herrschaftsgebaren, alle Ausbeutung, alle Gewalt, gegen ideologischen wie religiösen Fundamentalismus, aber auch gegen übermäßige Sorgen und Ängste.
Eine Ehe führen in diesem Sinne heißt, den Partner nicht besitzen und beherrschen zu wollen. Haben als hätte man nicht, will sagen: Besitz ist kein Selbstzweck, darf nicht abhängig machen. Geld darf nicht die Welt regieren. Weiter bedeutet es: nicht um jeden Preis nach Glück jagen, in der Freude nicht übermütig werden, im Trauern nicht den Boden unter den Füßen verlieren, Leben weitergeben und schützen, die Schöpfung bewahren.
So kann (christliches) Leben nachhaltig werden, für jeden ganz persönlich, aber auch im Weitergeben an andere, im mutigen Einsatz für alles Leben, für ein Bewahren der Schöpfung und für eine gerechtere Welt, von der Armutsbekämpfung bis zum Freihandelsabkommen mit den USA.
Paulus geht es um die Vision einer inneren Veränderung des Menschen, zu einer Weisheit nicht von dieser Welt. Diese kann zu Gelassenheit führen und zu mutigem Tätigwerden. Denn alles vergeht, Christus jedoch ist Zukunft und Hoffnung.
Hans Jürgen Birringer, Marienstatt