Letzter Sonntag nach Epiphanias / 4. Sonntag im Jahreskreis (02.02.20)

Letzter Sonntag nach Epiphanias / 4. Sonntag im Jahreskreis


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Offb 1,9-18 Zef 2, 3; 3, 12-13 1 Kor 1, 26-31 Mt 5, 1-12a

Vorbemerkung

Mit der apokalyptischen Literatur teilt sich die Offenbarung des Johannes eine duale und weitestgehend deterministische Weltsicht: dieses „böse“ Zeitalter muss vergehen, damit ein neues, „gutes“ Zeitalter anbrechen kann, in dem Gott „alles neu“ macht (Offb 21,5). Der Autor richtet sich dabei an eine bedrĂ€ngte Christenheit, greift die Ängste seiner Hörerschaft auf und stellt den realen Schreckensszenarien mit Bezug auf den auferstandenen Christus heilsame Bilder der Rettung gegenĂŒber. 

Im Predigttext (Offb 1,9-18) wird die ergreifende Begegnung des Autors mit dem auferstanden Christus bildreich beschrieben. Diese Begegnung ist der Grund der AutoritĂ€t des Autors und seines Schreibens und somit die Grundlage einerseits fĂŒr die folgenden Ermahnungen an die BedrĂ€ngten und andererseits fĂŒr alle ihnen angebotenen Rettungsbilder. Es wird klar, dass es angesichts der erlebten Bedrohung und der damit verbundenen Ängste innerhalb der Hörerschaft eines ebenso macht- und kraftvollen Bildes der Rettung bzw. des Retters bedarf.  
    

Bezug zu Nachhaltigkeit

WĂ€hrend die Bedrohung der jungen Christenheit in den ersten beiden Jahrhunderten wesentlich durch soziale Ausgrenzung und politische Verfolgung gekennzeichnet war, mangelt es heute nicht an Schreckensszenarien, die den Kollaps unseres Ökosystems und damit eine existentielle Bedrohung der gesamten Menschheit skizzieren: die planetarischen Grenzen sind in mehrfacher Hinsicht ausgereizt oder bereits deutlich ĂŒberschritten und politisch-soziale Verwerfungen spiegeln sich u.a. sowohl in der großen Zahl von FlĂŒchtlingen als auch in einer skandalös ungerechten Verteilung des Weltvermögens.

Angesichts dieser Szenarien stellt sich die reale Frage, ob – um die Sprache der Apokalypse zu bedienen – auch dieses Zeitalter „vergehen“ muss, damit etwas ganz Neues entstehen kann, oder ob ein Übergang in ein neues „Zeitalter“ ohne die ganz große Katastrophe möglich ist.

Hier kann der Blick auf den christlichen Hintergrund der Apokalypse hilfreich sein: der Retter, der Auferstandene, der „in alle Ewigkeit lebt“, hat zu Lebzeiten das Reich Gottes verkĂŒndet: dieses ist im Irdischen niemals vollkommen, aber bereits dort erfahrbar, wo Menschen sich dem Geist Gottes öffnen und aus Liebe und Verantwortung mit und fĂŒr einander ihr Leben gestalten. Das Reich Gottes beinhaltet eine wertschĂ€tzende Perspektive fĂŒr das Bestehende, verbunden mit der Offenheit, das zu verĂ€ndern, was dem Leben entgegensteht. Die derzeitigen ZusammenhĂ€nge sind komplex, die Herausforderungen enorm und die VerĂ€nderungen mĂŒssen tiefgreifend sein. Das Bild von der Begegnung des Johannes mit dem auferstandenen Christus kann hilfreich sein, den Mut nicht sinken zu lassen: „Als ich ihn sah, fiel ich wie tot vor seinen FĂŒĂŸen nieder. Er aber legte seine rechte Hand auf mich und sagte: FĂŒrchte dich nicht!“ (1,18)

Die drei biblischen Lesungstexte des 4. Sonntags im Jahreskreis lassen sich gut unter der Perspektive von Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit aufgreifen und miteinander verbinden.

Mt 5,1-12a: Bezug zur Nachhaltigkeit

Die sogenannten Seligpreisungen in der Bergpredigt des MatthĂ€usevangeliums bieten eine Steilvorlage fĂŒr „nachhaltiges Predigen“: die Aspekte sozialer Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit können nahezu in allen einzelnen Preisungen aufgespĂŒrt und konkretisiert werden. Besonders bemerkenswert ist der Zusammenhang zwischen SanftmĂŒtigkeit und dem „Besitzen“ des Erdreichs/der Erde. Eigentlich – wie die anderen Verse auch – ein Widerspruch: etwas zu besitzen, etwas sein Eigentum zu nennen oder sich etwas zu eigen zu machen, scheint wenig mit Sanftmut zu tun zu haben. Aber was bedeutet besitzen eigentlich, wenn selbst materielle Dingen eine gewisse Pflege und einen sorgfĂ€ltigen Umgang benötigen, damit sie ihren Wert er- und behalten? Wenn ich mit „meinem“ Besitz in BerĂŒhrung kommen und seinen Gehalt erschließen will, ist ein „sanftmĂŒtiger“ Umgang unerlĂ€sslich. Gewaltsames Aneignen zerstört unter UmstĂ€nden den Besitz. Das gilt umso mehr fĂŒr lebende Dinge (die Erde/Erdreich): sie geben ihren Wert nicht preis, wenn ich keinen sanftmĂŒtigen Umgang pflege und ich kann sie nicht wirklich besitzen, ohne mich ihnen zu öffnen und mit Respekt zu begegnen.
Mögliche Predigtgeschichte als ErgÀnzung
Plastisch schildert die griechische Sage von König Midas das habgierige Besitzergreifen und dessen Folgen: Der König hatte den Wunsch, dass alles, was er berĂŒhrte, zu Gold wĂŒrde. Der Wunsch ging in ErfĂŒllung, wurde ihm aber nach kurzer Begeisterung zum Fluch: er konnte die Dinge nicht mehr „sanft“ berĂŒhren: unter seinem Zugriff wurde alles – auch sein Essen und Trinken – zu Metall und verlor dadurch seinen eigenen und eigentlichen Wert.

Zef 2, 3; 3,12-13: Bezug zur Nachhaltigkeit

Der Prophet Zefanja mahnt seine Leser*innen zur Suche nach Gerechtigkeit und Demut. Beides sind im Blick auf Nachhaltigkeit zwei unerlĂ€ssliche Tugenden, die in einer Kultur der scheinbar unbegrenzten Machbarkeit und Null-Fehler-Toleranz ein dringend gebotenes Korrektiv darstellen. Demut ermöglicht einerseits das EingestĂ€ndnis eigenen Fehlverhaltens und anerkennt andererseits die Begrenzung der eigenen Möglichkeiten. Bei der offensichtlich engen VerschrĂ€nkung sozialer (Un-)Gerechtigkeit und fortschreitendem Klimawandel kommen wir nicht daran vorbei uns einzugestehen, dass die Menschen in den LĂ€ndern des SĂŒdens erheblich schwerer an den Folgen kapitalistischen Raubbaus tragen, als wir Menschen in den (zumeist) reichen Industriestaaten auf der Nordhalbkugel, die in kollektiver Verantwortung zu den Verursachern des Klimawandels gehören. Somit bedeutet der Einsatz, sich fĂŒr einen verantwortungsvollen Umgang mit den endlichen Ressourcen dieses Planten einzusetzen, gleichzeitig, „Gerechtigkeit zu suchen“. Auf der persönlichen Ebene ist dafĂŒr Verzicht und eine Anpassung des Lebensstils im Sinn einer SelbstbeschrĂ€nkung notwendig – ggf. auch gegen gesellschaftliche Erwartungen. Gesellschaftspolitisch muss die Idee der (unbeschrĂ€nkten) Machbarkeit (Stichwort: Geoengineering) als auch die Struktur eines im Wachstumszwang verfangenen Kapitalismus radikal und „demĂŒtig“ hinterfragt werden.

1 Kor 1, 26-31: Bezug zur Nachhaltigkeit

Einem Ă€hnlichen Duktus folgt auch die Passage aus dem ersten Brief an die Korinther, in dem das Schwache, Törichte und Geringe dem Starken, Klugen und Erhabenen als letztlich ĂŒberlegen vorgestellt wird. Als Predigtanregung – sicherlich etwas plakativ – sind dabei plastische GegenĂŒberstellungen denkbar: extensive („schwach“/„töricht“) und intensive („stark/erhaben“) Formen der Landwirtschaft; kleine und Kleinstlebewesen („gering“) gegenĂŒber großrĂ€umigem und maschinellen Eingriffen in die Natur („stark/erhaben“); Formen gemeinschaftlichen Tauschens und Teilens („töricht“) gegenĂŒber profitorientiertem („klugen“) Wirtschaften. Die Frage bei diesen GegenĂŒberstellungen ist letztlich, welcher Weg langfristig der zukunftsfĂ€higere Weg ist. Im Angesicht irreparabler Zerstörung kann sich das vermeintlich „Kluge“, „Starke“ und „Erhabene“ dieses Wirtschaftssystems sicher nicht rĂŒhmen. Umgekehrt ist auch hier generell Demut geboten: aufgrund der KomplexitĂ€t derzeitiger Herausforderungen kann sich niemand darauf berufen, DIE Lösung gefunden zu haben oder mit grĂŒngewaschener Weste dazustehen. „Wer sich rĂŒhmt, rĂŒhme sich des Herrn“ – des Schöpfers und Erhalters dieser Welt.

Nico Körber, Speyer