Letzter Sonntag nach Epiphanias / 4. Sonntag im Jahreskreis (29.01.23)

Letzter Sonntag nach Epiphanias / 4. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Mt 17, 1-9 Zef 2, 3; 3, 12-13 1 Kor 1, 26-31 Mt 5, 1-12a

Stellung im Kirchenjahr:

Die Schriftlesungen der Sonntage nach Epiphanias / zu Beginn der Zeit im Jahreskreis beleuchten erste öffentliche Auftritte Jesu in ihrer meist programmatischen Bedeutung. Auf den 29. Januar, den letzten Sonntag im Januar, fallen 2023 der Welt-Lepratag sowie der Tag des Blindenhundes, der auf die Gründung eines entsprechenden Hundeschule 1929 in den USA zurückgeht. Der nachfolgende Montag, 75. Todestag von Mahatma Gandhi ist zugleich der Welttag gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten (Word NTD Day).

Exegetische Anmerkungen

 

Mt 17,1-9: Die Erzählung von der Verklärung Jesu stellt eine Art vorgezogenes Ostern dar und eröffnet damit den Jüngern einen Blick auf die Zeit nach dem Leiden und Sterben Jesu, in die Zeit der Kirche. Gerade Petrus, Jakobus und Johannes werden die sein, die im Garten Getsemani in den Schlaf fallen, weil sie nicht einmal eine Stunde mit Jesus wachen und beten können. Jetzt auf dem Berg würden sie gern alles festhalten, hätten gern dass alles so bleibt, aber Jesus erlaubt keine Comfort-Zone. Was als Komfort bleibt, ist seine unverbrüchliche Zusage, dass nicht das Leid, der Tod, das Scheitern das letzte Wort haben, sondern die allumfassende Perspektive der Auferstehung und Herrlichkeit, für die Jünger und die Welt, in die zu wirken die Kirche berufen ist.

 

Zef 2,3; 3,12-13: Zefanja tritt in der Zeit zwischen 630 und 620 v. Chr. auf, als Kritiker des Unrechts und der Rücksichtlosigkeit der politischen, wirtschaftlichen und klerikalen Oberschicht. Er unterstreicht, dass Gott als Schutzgott der Gedemütigten Entrechtung und Vernichtung von Armen, Schwachen und Benachteiligten nicht hinnimmt.

 

1 Kor 1,26-31: Die Botschaft des parteiergreifenden Gottes stieß und stößt nicht nur auf Zustimmung, schon gar nicht bei denen, selbstzufrieden als fein, gebildet und intellektuell überlegen halten. Gottes Weisheit weist immer über unseren persönlichen Horizont hinaus, stellt ihn in Frage und durchbricht ihn. Sie lenkt unseren Blick auf das Wesentliche und das ist eben oft das, was sonst wenig oder nichts, als ärmlich und armselig gilt, marginalisiert wird. Die Zusage an eine Gemeinde wie damals in Korinth, die sich gerade nicht aus Weisen, Vornehmen und Mächtigen zusammensetzt, ist da kritisches und wohltuendes Korrektiv, das zugleich ermutigt und motiviert.

 

Mt 5,1-12a: Die Seligpreisungen am Beginn der sogenannten Bergpredigt (Mt 5-7), lokalisiert - wie die Verklärungserzählung - auf einem Berg, lassen sich verstehen als Aktualisierung und Radikalisierung des am Sinai verkündeten Dekalogs. Ähnlich wie Zef und 1 Kor preist Jesus die Demütigen und Armen selig, ohne dass er Mangelsituationen in irgendeiner Weise idealisiert oder gar verklärt. Er stellt sich eindeutig auf die Seite derer, die sich mit Mangel nicht abfinden, sondern sich für Gerechtigkeit, Frieden und Leben einsetzen, gerade wenn sie sich als arm verstehen, das heißt ihre Motivation aus Gottes unwiderruflicher Zusage beziehen, die Erfüllung unserer Sehnsucht nach gutem Leben für alle herbeizuführen.

 

Predigtskizze:

 

Die Predigt könnte ansetzen bei der „Parteilichkeit Gottes", der sich mit sozialen und politischen Schieflagen nicht abfindet, sondern zum Einsatz dagegen bestärkt und bewegt (Zefanja, Paulus, Jesus). Gott eröffnet und garantiert eine Perspektive, die Entrechtung und Marginalisierung als falsch und vorläufig brandmarkt, weil sie seinem Bild vom Menschen und seinem Bild einer intakten Schöpfung widerspricht und überwunden wird.

In diesem Kontext von Gottes Heilsplan wäre das Thema von Armut zu entfalten, einerseits im Sinn von konkreter, materieller Armut, die nicht tolerierbar und deshalb zu überwinden ist, andererseits als geistlicher Armut auf Seiten der an Gott Glaubenden, die ganz auf Gott vertrauen und gerade deshalb nicht die Hände in den Schoß legen. Hilfreich wäre, zur Veranschaulichung und Begründung der Sitz im Leben von Zef, 1 Kor und Mt 5 zu benennen, hinsichtlich der politischen und sozialen Gegebenheiten im damaligen Israel bzw. in Korinth und sowie des unmittelbaren Adressatenkreises, also etwa der Menschen, an denen Jesus seine Seligpreisungen auf dem Berg richtet.
Dies würde erlauben, Brücken zu aktuellen Krisen zu schlagen, etwa zu Zuständen in Diktaturen oder Versuchen, Justizsysteme zu untergraben, um Menschenrechte (weiter) einzuschränken, aber auch zum Zusammenhang zwischen Klimakatastrophe und wachsender Armut.

 

Bezüge zur Nachhaltigkeit und weitere Kontexte

 

1. Mit Gott im Rücken das je Mögliche tun (Zef, 1 Kor)

Jeden Tag aufstehen,
auf eigenen Beinen stehen.
Jeden Tag im Leben stehen,
das Alte neu bestehen.
Jeden Tag andere ausstehen
und zu sich selbst stehen.
Jeden Tag verstehen,
dass Gott hinter allem steht.
Jeden Tag aufstehen
zu neuem Leben.
Jeden Tag
neu.

Petrus Ceelen, in: Jeden Tag neu. Anstöße zum Aufstehen. Schwabenverlag 1999

 

2. Parteilich sein (Zef, 1 Kor, Mt 5)

Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut,
in der wir untergegangen sind,
gedenkt,
wenn ihr von unseren Schwächen sprecht,
auch der finsteren Zeit,
der ihr entronnen seid.
Dabei wissen wir doch:
Auch der Hass gegen die Niedrigkeit
verzerrt die Züge.
Auch der Zorn über das Unrecht
macht die Stimme heiser.
Ach, wir, die wir den Boden bereiten wollten
für Freundlichkeit,
konnten selber nicht freundlich sein.
Ihr aber, wenn es soweit sein wird,
dass der Mensch dem Menschen ein Helfer ist,
gedenkt unsrer mit Nachsicht.

Bertolt Brecht: Gesammelte Werke, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 1967

3. Sanftmut und Frieden (Zef, Mt 5)

»Der Friede braucht das Wort, das Fleisch wird in mir. Mit „Wort" meine ich schon Gottes Wort, schon jenes Wort des Evangeliums, das heute gar nicht so selten mehr wie vielleicht noch vor ein paar Jahren auch in der Öffentlichkeit, auch in politischen Zusammenhängen zitiert wird. Aber dieses Wort ist nicht ein Knüppel, den ich anderen um die Ohren schlagen kann, nicht ein Deckmantel, hinter dem ich mich mit meiner Theorie schadlos halten kann. Es ist ein Anruf zum Leben, ein Anruf an mich. Und ich kann mir nicht da einige Worte heraussuchen und andere auf der Seite lassen. Das Wort Gottes ist unteilbar und mein Leben ist unteilbar. Mich ganz dem ganzen Wort ausliefern – das freilich macht demütig. Denn ich stoße da an meine Grenzen, ich werde da nachdenklich. Die verkehrteste Konsequenz wäre, mich zurückzuziehen, einfach aufzugeben. Doch wenn ich selber, immer neu angewiesen auf Gottes Erbarmen, Schritt um Schritt Gottes Wort mein Leben werden lasse, dann werde ich mit Forderungen an andere behutsamer, verliere nichts an Elan, aber gewinne an Weite, an Verstehen. Ich nenne nochmals das Wort Demut. Kaum eine andere Tugend ist wichtiger, damit Frieden werden kann. Demut aber heißt: nicht Gottes Größe für die eigene Größe halten, aber auch nicht die eigene Ohnmacht für Gottes Ohnmacht halten. Ich kann nicht selbstherrlich mit Gottes Radikalität umspringen, kann mich aber auch nicht von ihr dispensieren. Nur er in mir, nur er in uns kann sein Wort Fleisch werden lassen. Doch gerade so werden die realistischen, die möglichen, die tragfähigen Schritte zum Frieden in mir, in uns, zwischen uns wachsen.«

Hemmerle, Klaus: Geistliches Wort und Fürbitten, in: Kehrt um und glaubt – erneuert die Welt. 87. Deutscher Katholikentag vom 1. September bis 5. September 1982 in Düsseldorf, hg. vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken, Paderborn 1982, 115-17

»Meinst du, der Frieden sei eine Tat nicht und aller Taten Tat? Tag um Tag mußt du ihn reißen aus dem Maule der Lügner und aus dem Herzen der Menschen; als einer mußt du stehen gegen sie alle, denn immer ist das Lärmen bei den vielen und die Worte bei der Lüge. Stark müssen die Sanftmütigen sein, und die den Frieden wollen, stehen im ewigen Streit. Oh, ich weiß, daß ich in Fluch gehe und sie Tod wider mich werfen, aber ich fürchte mich nicht, denn Gottestat muß ich tun, und wer Gottestat will, darf nicht ängstig sein vor der Menschen Haß.«

Stefan Zweig: Jeremias. Eine dramatische Dichtung in neun Bildern. Insel-Verlag, Leipzig 1918.

Dr. Joachim Feldes, Dannstadt-Schauernheim