Miserikordias Domini / 3. Sonntag der Osterzeit
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Hebr 13, 20-21 | Apg 2, 14.22-33 | 1 Petr 1, 17-21 | Lk 24, 13-35 (s. 24.3.) od. Joh 21, 1-14 |
Stellung im Kirchenjahr:
Wir feiern Gottesdienst am 2. Sonntag nach Ostern. Der Name des Sonntags leitet sich ab von Psalm 33, 5 (misericordias domini plena est terra). Entsprechend ist das durchgängige Leitbild des Sonntags das, des guten Hirten. Dies beginnt beim Wochenspruch (Johannes 10, 11.27.28), geht weiter über den Wochenpsalm 23 bis hin zum Wochenlied EG 274 (Der Herr ist mein getreuer Hirt). Die liturgische Farbe ist weiß.
Zu Hebräer 13, 20 – 21
Zum Schluss der Segen. Hören wir stellenweise im Hebräerbrief ganz andere, drohende Töne, so wird nun am Ende des Briefs der Gnade Gottes Raum gegeben. „Nicht als Bedrohte, sondern als Gesegnete verlassen die Glaubenden den Leseraum des Briefes, um im Lebensraum des Alltags Seinen Willen zu tun.“ (Backhaus, S. 487)
An diesen Ausführungen wird deutlich, wie das Bild des „großen Hirten“ zu verstehen ist. Eine Identifikation mit dem „guten Hirten“ ist nicht selbstverständlich, könnte das Bild doch auch im Sinne einer, den Abstand zwischen Hirten und Herde betonenden Metapher, zu verstehen sein. Dies könnte man aus der Verbindung des Hirtenbildes mit dem Kyrios-Titel schließen, die im antiken Sprachgebrauch der Herrschaftsmetaphorik durchaus bekannt und verbreitet war. (vgl. Backhaus, S. 484)
Dagegen ist die Bezeichnung Jesu als dem großen Hirten mit Begriffen wie Führung, Verantwortung, Schutz und Fürsorge zu verbinden. Also den Assoziationen, die wohl den meisten Gemeindegliedern einfallen, wenn sie mit dieser Begrifflichkeit konfrontiert werden. Der „große Hirte“ ist demnach mit dem „guten Hirten“ gleichzusetzen.
In Jesus als „großem/ gutem Hirten“ hat Gott das entscheidende für uns Menschen getan: Er hat Erlösung gebracht. Wichtig ist. Gott allein ist in Jesus Christus der handelnde. Ziel und Motivation seines Handelns ist dabei der göttliche Frieden (Gott des Friedens), der weit mehr als nur die Abwesenheit oder Lösung innerweltlicher Konflikte bedeutet, sondern im ursprünglich jüdischen Sinn als ganzheitlicher, umfassender Friede (Schalom) zu verstehen ist.
Nachdem Gott sich um die letzten Dinge (Ewigkeit) gekümmert hat, ist die Gemeinde nun aufgerufen, den ihr geebneten Weg zu gehen und Antworten der Tat (tüchtig sein in allem Guten, zu tun seinen Willen) zu finden.
Zur Predigt:
Man könnte das Bild Jesu als gutem Hirten für uns aufgreifen und dem Gedanken nachgehen, wo und in welchen Situationen wir als Einzelne oder als Gemeinde das erfahren haben: Dass wir Führung, Verantwortung, Schutz und Fürsorge erfahren haben. Daraus ließen sich dann auch Handlungsoptionen für das eigne Tun ableiten und entwickeln.
Ich würde einen Schritt weiter gehen. In Verbindung mit 1. Mose 1, 28 und 1. Mose 2, 15 möchte ich postulieren: Weil wir einen guten Hirten haben, weil für uns das Entscheidende getan ist, können wir unser Hirtenamt (so möchte ich es einmal nennen) im Rahmen von Gottes Schöpfung wahrnehmen. Können bebauen und bewahren, können im Sinn Gottes seine Schöpfung verwalten: Ihm zur Ehre.
Ich stelle mir vor, dass man mit einem Gemeindekreis (Junge Erwachsene, Konfirmanden, Umweltkreis) negative (wo verfehlen wir unser Hirtenamt, indem wir zur Gefährdung der Schöpfung beitragen) wie positive (wo tragen wir dazu bei, Leben aller Art zu schützen und zu fördern) Beispiele zu erarbeiten und zu visualisieren (Plakatwand, Bilder per Beamer usw, der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt).
Die Predigt sollte dazu ermutigen, dass es bei den negativen Beispielen nicht bleiben muss, sondern dass Umkehr möglich ist. Dazu könnte die Überlegung kommen, ob man im Rahmen des Gottesdienstes ein konkretes Projekt anstoßen und in die Gemeinde hineintragen könnte. Ein Beispiel hierfür wäre die Frage: Wie gehen wir als Gemeinde mit unseren Gebäuden und Grundstücken um? Sind wir gastfreundlich nicht nur gegenüber Menschen, sondern auch den Geschöpfen, die mit uns und neben uns leben und die oft genug „Wohnungsprobleme“ haben. Haben wir auch sie im Blick und nutzen unsere Ressourcen im umfassenden Sinn gastfreundlich zu sein? Überlegungen, wie ganz konkret vor Ort Möglichkeiten (mit durchaus überschaubaren Mitteln!) geschaffen werden können die Vielfalt des Lebens zu fördern, könnten in einem ersten Schritt im Gottesdienst konkret werden. Sei es indem man heimische Pflanzen setzt (die Jahreszeit sollte das noch hergeben), die Insekten als Nahrung dienen oder „Wohnungen“ für Vögel, Fledermäuse, Insekten…. an geeigneten Stellen anbringen. Hierbei können auch Kinder sehr gut einbezogen werden. Konkrete Beratung kann man ganz sicher bei örtlichen Umweltverbänden erhalten.
Ein praktisches Beispiel zum Schluss: In unsrem Kirchturm in Albersweiler hatten sich schon lange Dohlen eingenistet. Tolle Vögel und schon mehrfach Gegenstand von Predigten. Leider veriirten sich immer wieder Tiere im Dachstuhl und verendeten. Allein aus Tierschutzgründen ein unhaltbarer Zustand. Aber sie trugen auch immer wieder trocken Äste als Nistmaterial an Stellen des Turms, an denen sie die Ketten der Glockenmotoren blockierten. Zwei heißgelaufene Motoren waren die Folge. Also wurden die Schallläden in Höhe der Glocken als Einflug gesperrt und in der Turmspitze (hier bestehen zwei Einfluglöcher) ein Holzboden eingebaut. Nun nisten die Dohlen oben in der Kirchturmspitze, erfreuen die Menschen im Dorf und richten keinen Schaden mehr an. So einfach kann es sein, Tieren ein Zuhause zu geben und dem uns aufgegebenen Hirtenamt konkret gerecht zu werden. Dazu ein Buchtipp: Rudolf Schreiber (Hrsg.) Tiere auf Wohnungssuche – Ein Ratgeber für mehr Natur am Haus.
Apostelgeschichte 2, 14. 22 – 33
Diesen Text empfehle ich als Lesung zu belassen.
Zu 1. Petrus 1, 17 – 21
Folgt man der in der Forschung vertretenen Hypothese, 1. Petr. 1, 3 – 4, 11 sein eine Ansprache an Neugetaufte im Rahmen einer Tauffeier (Vielhauer, S. 584), kommt der Aspekt des Wandels woher ein Mensch seine Hoffnung auf Heil und Erlösung speisen soll und kann, besonders deutlich zum Ausdruck. Warren im Leben vor der Taufe Opfer „nach der Väter Weise“ Mittel der Wahl, um sich die Sphäre des Göttlichen bzw. die Götter gewogen zu machen, so sind jetzt alleine Glaube und Hoffnung auf Gottes Erlösungstat in Jesus Christus das, was das Leben als Christin/ Christ bestimmen soll. Mit der Taufe hat man sozusagen den Herrschaftsbereich gewechselt und hat sich dem anvertraut, der allein Herr über Tod und Leben, der Richter ist und dessen Wort in Ewigkeit bleibt (3, 25): Aller Vergänglichkeit der Welt zum Trotz.
Zur Predigt:
Gemeindeglieder im Jahr 2014 haben diesen Wechsel von Religion und Tradition natürlich nicht vor Augen wie damals die Adressaten des Briefs. Sie sind in der christlichen Tradition aufgewachsen und verwurzelt.
Der Schwerpunkt einer Predigt über diesen Text sollte darum auch weniger auf dem Aspekt des Wandels, als vielmehr darauf liegen, was Grund und Fundament unseres Lebens als Christen im 21. Jahrhundert ist: Nämlich Glaube an und Hoffnung auf Gott. Dies umso mehr, als nicht wenige Gemeindeglieder ihre Schwierigkeiten haben, Gottes Handeln in unserer Welt zu entdecken und angesichts der weltweiten Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und Umwelt Zweifel an einer guten Zukunft hegen.
Ziel der Predigt sollte sein, die Gottesdienstbesucher zu ermutigen, auch das kleine Positive das ständig um uns herum geschieht nicht zu übersehen, es wertzuschätzen und auch als Ausdruck des Handelns Gottes zu verstehen. Die vielen kleinen Schritte von vielen kleinen Menschen überall in der Welt können und werden nicht folgenlos bleiben. Wenn der eine oder die andere zu solchen Schritten ermutigt aus dem Gottesdienst ginge, wäre das doch ein Erfolg.
Zu Lukas 24, 13 – 35
„Die Erzählung der Emmausjünger stellt zusammen mit dem verlorenen Sohn und dem barmherzigen Samariter eine der Blüten des lukanischen Sondergutes dar.“ (Bovon, S. 572) Dieser Aussage ist m.E. voll zuzustimmen.
Zwei Aspekte dieser dichten Erzählung sind es, die heutige Predigthörerinnen und –hörer ansprechen können.
Zum einen werden wir mit den Jüngern in einen Erkenntnisprozess hineingenommen. Bei den Jüngern spielt er sich folgendermaßen ab: Zuerst ereignet sich die Präsenz Jesu, dann hören sie das Wort, werden an die Schrift erinnert, erfahren das Zeichen des Brotbrechens. Unsere Gottesdienstbesucherinnen und –besucher können sich hier wiederfinden: Auch sie haben schon das Wort gehört, die Schrift verstanden, das Abendmahl miteinander geteilt und die Gegenwart Christi erfahren.
Und wie die Emmausjünger müssen auch wir immer wieder lernen: Die Präsenz Jesu in unserem Leben ist real, aber vorrübergehend, Wirklichkeit in unserem Leben, aber unsichtbar. In einer Welt, die so sehr auf die Macht und Flut der Bilder setzt können wir lernen: Wirklichkeit ist viel mehr als wir mit Augen sehen können und wirklicher Sinn ergibt sich nicht aus dem, was angeblich real, weil vor Augen ist. Der (auferstandene) Jesus des Glaubens ist nicht einfach der, der er vorher war. Sonst hätten ihn die Jünger (aber auch Maria im Johannesevangelium, die Jesus ja für den Gärtner hält) viel früher erkannt. Viel wichtiger als der Schein ist das Sein, also das, was Jesus tut: Er schafft Gemeinschaft durch das Brechen des Brotes, öffnet die Augen, um hinter das Vordergründige schauen zu können und verwandelt die Herzen, die erst schwer waren und dann vor Begeisterung brennen.
Diesen Weg und diese Erfahrung der Emmausjünger kann auch heute immer wieder gemacht werden. Wir können glauben auch wenn wir nicht sehen, die Wirklichkeit Jesu erfahren, auch wenn wir ihn nicht anfassen können. Insofern ist diese Erzählung geradezu ein Musterbeispiel für christlichen Glauben. Auch im 21. Jahrhundert.
Literatur:
Backhaus, Knut, Der Hebräerbrief, Regensburg 2009,
Vielhauer, Philipp, Geschichte der urchristlichen Literatur, Berlin – New York 1975
Bovon, Francois, das Evangelium nach Lukas, Band III/4 EKK, Neukirchen 2009
A. Gutting