Vorschläge der ev. Perikopenrevision (EKD/VELKD/UEK): Jos 1,1-9, Joh 14,1-6, Phil 4,10-13(14-20), Spr 16,1-9, Lk 4,16-21 und Jak 4,13-15.
Neujahrstag / Hochfest der Gottesmutter Maria
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Lk 4, 16-21 | Num 6, 22-27 | Gal 4, 4-7 | Lk 2, 16-21 |
Neujahr: „Heute Zeigfinger ruhen lassen, dafür Freude an Schöpfung und Neuanfang feiern“
Neujahr: Niemand will heute die Nachhaltigkeit und ihre Ethik in den Vordergrund gestellt haben. Wer heute in die Kirche kommt, feiert, nach dem mitternächtlichen Anstossen, den Neubeginn. Er oder sie erhofft sich Besinnung, Einkehr, Kraft und Stille. Gestärkt und frohgemut kann es dann später im neuen Jahr in den Alltag der Nachhaltigkeitsfragen gehen. Empfehlung: Heute keine, oder zumindest nicht zu lange, Darstellung irgendeines Nachhaltigkeitsproblems. Sondern: Die Grundlage jedes Engagements zugunsten der Schöpfung feiern: das geschenkte und schöne Leben.
Drei Neujahrsgedanken:
- Heute im Herzen bewegen, wiederholen, widerkäuen und so behalten, was gut tut. Man kann das Gut Tuende nicht oft genug wiederholen. Im Herzen, in der Predigt, in der Liturgie. Dazu gehört die Freude am Geschenk des Lebens. Feiern wir zu Beginn den Segen, der uns zugesprochen ist. Wenn nicht heute, wann dann, Bonhoeffers nachhaltiges Neujahrsgebet: „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Auch wenn’s uns Predigenden zu den Ohren raushängen mag. Den Zuhörenden nicht.
- Wir sind freigekauft. Die Last der Nachhaltigkeit gehört auch zum Gesetz. Wir dürfen davon auch Pause machen und die Last in der Zeit und auf andere Schultern verteilen. Wir dürfen auch humorvoll über unser sonst ernstes Engagement schmunzeln.
- Wir dürfen aber auch neu denken. Wir dürfen die geschenkte Freiheit gebrauchen. Wir dürfen gegen den Strich frei glauben und Neues ausprobieren. Wir dürfen sogar der Perikopenordnung mit Freiheit begegnen. Wir dürfen aber auch Gedanken und Taten in Bezug auf Nachhaltigkeit überraschend einbringen im neuen Jahr. Reduzieren wir gute Vorsätze – Suffizienz - auf ein paar wenige. An denen bleiben wir aber dran. Wir suchen und bilden Komplizenschaft[1] für ein nachhaltiges Projekt, das beschränkt ist in Aufwand und Zeit. Das genügt. Ca suffit. Und: wir dürfen uns so oder so auf die Zukunft freuen, weil Gott selbst nachhaltig die Zukunft ist und sein wird und diese kommende Zeit und uns segnet.
Ev. Predigttext: Lk 4,16-21
„Zu verkünden das Gnadenjahr des Herrn.“ Eine DER Ideen der Nachhaltigkeit par excellence. Von den Bauern seit alters abgeschaut, die ihren Äckern ein Gnadenjahr der Nichtbebauung in regelmässigen Abständen gegönnt haben, ein Gnadenjahr den Verschuldeten gönnen, um einen Schlussstrich unter Verschuldung zu ziehen und damit einen nachhaltigen Neustart zu ermöglichen. Diese Idee ist bekannt. Sie soll immer und immer wieder repetiert, gepredigt, im Herzen bewegt und dann auch im öffentlichen Raum zur Debatte gestellt werden, bis sie eines Tage Frucht tragen wird. So Gott will. Weil wir schon im Gnadenjahr leben, so dürfen wir das politische Jubeljahr auch immer wieder predigen.
Aber eben: ein schwieriger Gedanke zu Beginn des Jahres. Diesen Gedanken allenfalls nur kurz anspielen, besser ihn als Predigenden nur still im Herzen bewegen. Besser auf die Schönheit, auf die Fülle, auf die volle Zeit hinweisen, in der wir auch im neuen Jahr leben und leben werden. „Heute ist dieses Schriftwort erfüllt“. Wir dürfen für einmal auch nur hören. Es gibt in den kommenden Monaten noch genug zu tun, zu denken und nachhaltig zu handeln. Das alles im Vertrauen, dass Jesus durch das Evangelium irgendwann auch denen, die für Fragen der Nachhaltigkeit blind sind, die Augen auftun wird.
Kath. 1. Lesung: Numeri 6, 22 - 26
Was sofort auffällt: Ist dieser Gott ein Herr? Zu viele Ohren schliessen sich bei diesem Wort gleich zu Beginn. Deshalb: Beginnen wir heute, im Neujahr, mit einer neuen Sprache! Also: „Gott (anstatt der Herr) sprach zu Mose. Gott segne und behüte dich“.
Segen: Wir brauchen ihn für alle Nachhaltigkeit. Was du auch tust und nicht tust, Gott segne dich. Weil das so ist, tue doch gleich etwas Nachhaltiges. Der liebe Gott hat dann mehr Freude, dich und dein Werk zu segnen. Denn die Kinder Aarons und Israels, also auch deine Kinder und deren ihre Kinder werden gesegnet werden. Der Segen ist per se nachhaltig. Nachhaltig gesegnet, können wir auch Neues wagen, gegen den Strom schwimmen, nachhaltig denken und handeln.
Gleich zu Beginn im neuen Jahr dürfen hervorheben, dass dieser Segen über Isreal ergeht. Also: solidarisch-kritisch bleiben mit dem heutigen Israel. Das ist wichtig in einer Zeit, da antijüdische Tendenzen salonfähiger werden. Die besondere Stellung Israels, auch hier im Segen hervorgehoben, ist Verheissung und schwierig zu denkende Aufgabe für uns christlichen Kirchen zugleich. Kritik am heutigen Staat Israel hat Platz. Zum neuen Jahr wird betont: Israel und seine Kinder, zu denen wir zählen, sind und bleiben gesegnet. Punkt.
Kath. 2. Lesung: Galater 4, 4 -7
Erfüllte Zeit. Weil Gott die Zeit voll und reich machte, müssen wir unsere Zeit nicht mehr vollmüllen. Leere, Stille und Langeweile dürfen sein.
Freigekauft. Das Gesetz ist nicht mehr bestimmend. Auch alle Nachhaltigkeitsbestrebungen verlaufen in der Welt von Gesetz und Gesetzmässigkeiten. Wir sind freigekauft und können Gottes kreativer Heiliger Geistkraft Raum lassen. Sie wirkt die Liebe zum Leben, zur Welt. Und wirkt so indirekt zum Widerstand und zur Nachhaltigkeit, auch unter dem Gesetz. Und eben: Freigekauft auch von jeder Perikopenordnung.
Erbe. Ein Erbe zu übernehmen ist Verantwortung zur Bewahrung und Auftrag zur Veränderung zugleich. Man kann einem Erbe nur treu sein, indem man dem Erbe untreu wird (Jacques Derrida). Die Richtung der Erbschaft ist angegeben: Richtung Nachhaltigkeit, Stewardship und Menschenfreundlichkeit. Dabei hat in diesem Erbe der Genuss und der gute Gebrauch der Schöpfung Platz. „Fruimus!“ „Geniessen wir“, auch im neuen Jahr. Segen und Genuss gehören zum Erbe. Und: Wir dürfen über unseren Nachhaltigkeitsernst auch mal lachen, oder zumindest lachen lassen[2]. Die Nachhaltigkeitswelt geht deshalb nicht unter, auch in diesem Jahr nicht. Humor hilft nachhaltig.
Kath. Evangelium: Lukas 2, 16 – 21
„Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.“ Wiederholen, bewegen, widerkäuen, was gut tut. Und noch einmal. „Drum sag ich‘s noch einmal: Gott ist die Liebe.“ Zu Beginn des Jahres wiederholen und spüren, mehr mit Liedern, Musik und Liturgie als mit Worten: Gott hat sich im Mensch Jesus uns Menschen nah gebracht und will uns Gutes tun. Im neuen Jahr ein paar wenige Gedanken auswählen, die zur Nachhaltigkeit beitragen. Und die dann immer wieder im Herzen, in Predigten, Gottesdienstes und Gemeindeaktivitäten übers Jahr verteilt wiederholen, so dass etwas hängen bleibt und dadurch in Bewegung kommt.
A propos Bewegung: In Nachhaltigkeitskreisen wird oft auf eine sicher notwendige Entschleunigung aufmerksam gemacht. Als kritische Korrektur können wir anmerken: Manchmal darf‘s ruhig schnell und eilends gehen. Die Hirten kamen nicht entschleunigt zum Stall, sondern eben „eilends“.
Res Peter, Zürich
[1] Gesa Ziemer, Komplizenschaft. Neue Perspektiven auf Kollektivität, Bielefeld 2013 (transcript, inkl. Filmbeilage)
[2] Bei einer Aussage des Komikers Dieter Nuhr nicht gleich auf die Palme steigen: „Es gibt kaum etwas Konservativeres als einen staatsgläubigen Grünen, der alles mit Verboten regeln will. Der unterscheidet sich in nichts von einem CDU-Spiesser, wie er früher im Unterhemd aus dem Fenster hing und Falschparkierer aufschrieb“. Sonntagszeitung, 31. 8 2014.