Neujahrstag / Hochfest der Gottesmutter Maria (1.1.18)

Neujahrstag / Hochfest der Gottesmutter Maria

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Jos 1, 1-9 Num 6, 22-27 Gal 4, 4-7 Lk 2, 16-21

Josua 1, 1 - 9

„Habe ich dir nicht geboten: Sei getrost und unverzagt? Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der HERR, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.“
In welchem Geist starten wir in ein neues Jahr? Mit welcher inneren Einstellung schauen wir in die Zukunft?
Schon lange ist man sich in der Psychologie bewusst, dass unsere Erwartungen das Gelingen entscheidend prägen. Self-fullfilling prophecy nennt die Psychologie diesen Zusammenhang.
Neues ängstigt. Ungewohntes wirkt unheimlich. Heimat haben und Wohnung nehmen – zwei Themen, die unsere Zukunftsdiskussionen seit Monaten prägen. Wer darf wo wohnen? Wer darf hier unter uns heimisch sein? Wer darf dieses Land seine Heimat nennen? Diese Debatte ist oft von Ängsten geprägt: von Überfremdungsängsten, von Verlustängsten, von der Angst, die Heimat könnte einem unheimlich werden, wenn das Gewohnte von anderen verändert wird.
Auch Josua ängstigt, was vor ihm liegt. Die unsichere Zukunft überfordert ihn. Gottes Versprechen übersteigt den Horizont, den er mit seinem Augen sehen kann. Doch Gott tröstet ihn mit den Worten, die fast zum Standardrepertoir gehören, wenn Gott Menschen anspricht: „Sei getrost und unverzagt? Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht.“
Angst ist ein schlechter Berater. Entscheidungen, die wir aus Angst treffen, sind selten nachhaltig, sondern höchstens protektionistisch. Angst hält am Altbewährten fest, selbst dann, wenn das Althergebrachte nicht mehr taugt, um die Probleme der Gegenwart zu bewältigen.
Neues in Gewohntes zu verwandelt und im Ungewohnten heimisch zu werden, erfordert die Bereitschaft aufzubrechen und der Verheißung Gottes mehr Glauben zu schenken, als den eigenen Ängsten.
Auch unter Nachhaltigkeitsaspekten ist Angst kein guter Ratgeber. Zukunftsprognosen werden oft in Form von angstmachenden Horrorszenarien präsentiert. Doch solche Dystopien lähmen. Sie bewirken nur, dass die Menschen sich immer mehr ins Eigene zurückziehen. Angst fördert Abgrenzung und führt zu einer Wagenburgmentalität, bei der jeder seine Schäfchen ins Trockene bringen will. Nachhaltiger als Dystopien sind Verheißungen. Allen Aufbrüchen der Bibel gehen Verheißungen voraus. Bei Abraham, bei Mose bis hin zu den Jüngern in Jerusalem „Ich bin bei euch bis an der Welt Ende.“ In diesem Geist sollen wir Zukunft gestalten, nicht ängstlich und verzagt.

Numeri 6, 22 – 27

Der aaronitische Segen ist eine der bekanntesten Segensformeln. Vor allem in evangelischen Gottesdiensten wird er häufig verwendet, um den Gottesdienst zu beschließen.
Der Segen besteht hier darin, von Gott gesehen zu werden. Gottes Angesicht soll über dem Leben des Gesegneten leuchten, es soll Licht schenken, Gnade und Frieden.
Segen beginnt mit dem Gesehenwerden. Nicht übersehen werden. Nicht verschwinden in der Maße, nicht untergehen im Kollektiv. Das sollen wir uns gegenseitig wünschen: „Gott möge dich anschauen!“ Und zwar nicht, um dich zu richten, nicht um dir deine Fehler und Sünden vorzuhalten, sondern er möge dich gnädig anschauen.
Wenn wir einander wünschen, Gott möge uns gnädig betrachten, dann fällt es schwer, uns untereinander diese Gnade vorzuenthalten. Indem wir einander wünsche, Gott möge uns gnädig anschauen, nehmen wir einander mit den Augen Gottes in den Blick. Einander segnen heißt, einander sehen, einander wahrnehmen und sich dabei den Blick Gottes auf den Anderen zu Eigen machen.

Galater 4 , 4 – 7

Die Kernfrage dieses Textes ist, was den Sohn und Erben vom Knecht unterscheidet? Der Knecht wird an dem gemessen, was er leistet, der Sohn und Erbe an dem, was er ist.
Der Knecht hat es selbst in der Hand, wie viel Wertschätzung er sich erwirbt. Die Wertschätzung des Sohnes dagegen ist bedingungslos.
Nachhaltigkeitsgesichtspunkte enthält dieser Text zum einem im Hinblick auf das christliche Menschenbild. Die Entkoppelung von Würde und Leistung, die sich später auch in Artikel 1 unseres Grundgesetzes wiederfindet, ist hier schon grundgelegt.
Das Erbe, dass dem Menschen hier zugesprochen wird, kann im Rahmen paulinischer Theologie aber nicht ausschließlich eschiatologisch verstanden werden. Die Erhöhung zum Erben durch Christus hat durch die Taufe bereits stattgefunden. Deshalb umfasst das Erbe nicht nur das Selbstverständnis des Menschen von sich als neue Schöpfung, sondern so fern das Alte vergangen und Neues geworden ist, umfasst es auch seine Verantwortung für die Welt und damit für die Schüpfung. Dieser Aspekt ist bei Paulus nicht weiter dargelegt, da er mit der baldigen Wiederkunft Christi rechnete. Nichtsdestotrotz ist der Gedanke in seiner Theologie angelegt. Zum Erbe des Schöpfers gehört selbstverständlich auch die gesamte Schöpfung und von Erben darf man verlangen, dass sie verantwortungsvoll mit ihrem Erbe umgehen.

Lukas 2, 16 – 21

Maria hört die Worte der Hirten. Sie vernimmt, was ihnen durch die Engel gesagt worden ist. Sie selbst sagt nichts dazu. „Sie behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen“. Lukas benutzt das Verb „symballein“ - wörtlich übersetzt „umherwerfen“ für das, was in Maria vorgeht.
Das Gehörte braucht Zeit und Raum. Es muss ausgetragen werden, ähnlich wie das Kind zuvor. Gedanken brauchen Zeit und Raum, um zu reifen. Maria wird hier zum Vorbild für eine bestimmte Herzenshaltung, die nicht gleich alles in Frage stellt. Maria zerredet das Gehörte nicht, sondern bewegt es in ihrem Inneren und lässt sich davon bewegen. Maria wird hier zum Gegenbeispiel für unsere oft so kurzatmige, von Aktionismus und auf Effekthascherei ausgerichtete Gegenwart.
Aus dem Nachhall des Gehörten in ihrem Herzen kommt Maria zum Nachhaltigen handeln – auch wenn beide Worte ethymologisch nichts miteinander zu tun haben, bietet sich dieses Wortspiel hier geradezu an.

Dirk Reschke, Hornbach