ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
1 Joh 5,11-13 | Sir 24, 1-2.8-12 (1-4.12-16) | Eph 1, 3-6.15-18 | Joh 1, 1-18 |
Die Autorin betrachtet die Perikopen der kath. Leseordnung detailliert. Die evang. Predigtperikope ermutigt allgemein, im Bemühen um Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung Jesus mit einzubeziehen (»... Wenn wir um etwas bitten nach seinem Willen, so hört er uns. ...«).
Erste Lesung (kath.): Sir 24,1-2.8-12 (1-4.12-16)
Im Buch Jesus Sirach wird festgehalten, dass die Weisheit seit Ewigkeit ihren Ursprung in Gott hat. Sie gab es vor der Schöpfung, sie gibt der Schöpfung die Ordnung und herrscht über den Kosmos. Weisheit ist in der gesamten Schöpfung erkennbar und auffindbar und sie verweist in jeder Gestalt auf Gott selbst. Weisheit bestimmt und formt die Schöpfung im Kleinen und im Gesamten. Sie ist der Lebensbaum, dessen Früchte satt machen und jeden Durst löschen. Weisheit ist also für die Menschen zugänglich, genießbar und zeigt zugleich den Weg, der zu Gott selbst führt. Sie erfüllt die Menschen, die sie suchen, und dringt in ihre Seele ein. Sie zeigt, wie gutes Leben gelingen kann und hilft, diesen Weg zu beschreiten. In der Schöpfung Weisheit sehen zu lernen, ist jeden Tag möglich. Selbst noch in der Krise, die wir der Schöpfung zumuten, ist ihre Stärke erkennbar. Ganz konkret: im Wechsel der Jahreszeiten können wir Ruhephasen entdecken, von denen wir modernen Menschen nur lernen können. Die Zeit des Wachstums, die ein Organismus, eine Pflanze braucht, bis Reife erreicht ist, – und die unsere stete Beschleunigung hinterfragt. Es gibt Pflanzen, Landschaften, Sonnenaufgänge, die einfach nur da sind. Scheinbar ohne Zweck und Nutzen – für uns vor jedoch zur großen Freude. Darin kann ich Weisheit entdecken: in diesem „einfach nur da sein“. In der Schönheit einer Rosenblüte, in der Farbenpracht der Herbstblätter, im blauen Himmel, in den Regenwolken und der Milde eines Schneebedeckten Feldes, die alles Störende und Anstrengende zudeckt.
Jesus Sirach geht noch einen Schritt weiter: die Weisheit wohnt nicht nur unter uns; sie verwurzelt sich und wächst zu einem Baum heran, von dessen Früchten wir uns nähren dürfen und können. Manch einem unter uns mag da der Baum inmitten des Paradieses einfallen, der einerseits eine Verheißung ist und gleichzeitig auch gefährlich werden kann. Es mag mit dem Baum der Weisheit ganz ähnlich sein: in dem Moment, wo wir denken, sie stünde uns zur alleinigen Verfügung, wo wir sie verzwecken und nur zum eigenen Nutzen einsetzen, geraten wir in Gefahr, selbstherrlich zu werden. Denn Weisheit zeigt uns stets ihre Herkunft. Sie weist uns den Weg zu Gott, stellt uns in die Beziehung zu ihm.
Weisheit ist dort, wo Menschen Gott suchen schreibt Jesus Sirach. Vielleicht meint er damit die Kehrseite der Orte, die vorhin als Entdeckungsorte beschrieben wurden: die Suche nach Gott in den unzähligen Krisen, in den Naturkatastrophen, den Zerstörungen und Ausbeutungen, die den Lebensraum der Geschöpfe und die Schöpfung selbst bedrohen. Wo ist da Gott? Und wo ist Gott in den vielen Konflikten und Kriegen, in all dem Hass und all der Unterdrückung, in lebensfeindlichen Beziehungen? Kann uns da Weisheit einen Weg zu Gott weisen?
Ich meine ja, weil Weisheit uns lenken kann, eine noch nie gedachte Möglichkeit zu denken, weil sie uns eine noch nie gesehene Perspektive zeigen kann, weil sie uns den vielfältigen Geschmack der Hoffnung schmecken lässt, der ihren Früchten zueigen ist. Früchte, die wir genießen dürfen, weil sie uns bekömmlich sind. Das ganze Jahr über. Mitten unter uns wächst dieser Baum heran.
Zweite Lesung: Eph 1,3-6.15-18
Der Epheserbrief wurde – in starker Anlehnung an den Kolosserbrief – wohl ca. 80 – 90 n. Chr. von Paulus-Schülern verfasst. Das Thema des Briefes ist schwerpunktmäßig die „ekklesia“ / „Kirche“, wobei hier das Berufensein bzw. Herausgerufensein aus einer ‚anderen‘ Welt vom griechischen Wort her nicht unwesentlich präsent ist. Sie wird vor allem im Bild des Leibes, dessen Haupt Jesus Christus ist, gedacht. Die innere Einheit der Kirche, teils in Abgrenzung zur Umwelt, ist bedeutend. Die üblichen Trennlinien, die bisher galten (z.B. zwischen Juden und Heiden) sind aufgehoben. Die Einheit der Kirche entsteht und geschieht unter all denen, die an Jesus Christus glauben.
Der Text beinhaltet eine Danksagung – für die Gläubigen!! In ihnen wird Gottes Wirken, seine Kraft und Stärke sichtbar. Der Erste, an dem dies für alle Ewigkeit offenbar wurde, ist Jesus Christus selbst. Deshalb ist ihm als Haupt die Kirche als lebendiger Leib zugeordnet. Der Text selbst klingt wie ein Gebet, das für die Gläubigen gegenüber Gott gesprochen wird; zugleich schwingt mit diesem Gebet darin eine an die Gemeinde gerichtete Ermutigung und ein Impuls, diese Berufung fortschreitend zu leben. Der Dank für die Gottes- und Nächstenliebe, zeigt, dass diese zusammengehörigen Pole von Glaube (pistis) und Liebe (agape) konkrete Praxis der Gläubigen sind und darüber auch geredet wird. Danach richtet sich die Bitte an den Gott Jesu Christi selbst, der den Gläubigen den Geist der Weisheit und Offenbarung schenken möge: Verstehen, erkennen, mit Herzensaugen sehen, sich der Berufung zur Hoffnung gewiss werden – in allem zeigt sich die Gabe Gottes, mit der er die Menschen erfüllen möge und erfüllt. Der Blick auf Jesus Christus lässt die Gläubigen erkennen, dass in ihm Gottes Macht (dynamis) sich wirksam und wirklichkeitsverändernd zeigt, und zwar so, dass diese Wirklichkeit Raum und Zeit und alle diese Kategorien bestimmenden Größen übersteigt und in alle Ewigkeit wirkt.
Das Bild vom Leib mit seinem Haupt Jesus Christus kann einseitig hierarchisch wirken, wenn man im Schema „oben-unten“ denkt und dabei ausblendet, dass diese Metapher in diesem Kontext dazu dient, ein Gemeinsames, eine Einheit und eine heilsrelevante Verbundenheit der berufenen Menschen mit Jesus Christus auszudrücken, die auf Untrennbarkeit ausgerichtet ist. Eines kann ohne das andere (heilsökonomisch) nicht (über-)leben; Gottes Geist selbst lebt in ihnen und durch sie hat er einen Raum der Verwirklichung in der Welt und unter den Menschen. Deshalb ist die Metapher vom Leib mit dem Haupt das Bild für die Ekklesia, die Gemeinschaft der Heiligen, die zu Jesus Christus als dem Gekreuzigten und Aufweckten aufschaut und durch und mit ihm lebt – in der Einheit des Geistes, der dies dem Glauben und der Liebe eröffnet
Evangelium (kath.): Joh 1,1-18
Der Johannes-Prolog klingt so fremd, obwohl wir ihn Jahr für Jahr hören.
“Grüß Gott, hallo, hey, grüß dich, guten Tag, komm herein“ – oft beginnt mit diesen Worten eine lange Beziehung. Worte, die am Anfang stehen, die für den Anfang stehen. Manchmal entscheiden sie, ob und wie es weiter geht. Am Anfang war das Wort heißt für mich, darüber nachzudenken, mit welchen Worten ich auf jemanden zugehe, womit ich anfange, vielleicht sogar, mit welchem Wort ich einen Neuanfang setzen kann. Anfangsworte haben Gewicht und Bedeutung, weil sie etwas von mir, von meinem Glauben mitteilen. Sie tragen eine Botschaft in sich. Solche Worte schaffen einen Frei-Raum. Sie eröffnen eine Begegnung, manchmal ungeplant, nicht im Terminkalender vermerkt und doch wertvoll. Ein Anfang.
… und das Wort war bei Gott…
Immer wieder frage ich mich, warum mir bei einem Gespräch genau diese Worte in den Sinn kamen, warum ich zu jemanden das sage und nicht ganz andere Worte wähle, warum mir manchmal Worte fehlen. Und das Wort war bei Gott heißt für mich, dass vor meinem Denken, vor meinem Aussprechen das Wort in Gott seinen Anfang nimmt. Das gibt mir Vertrauen in mein Reden, weil ich spüre, dass nicht alles aus mir allein kommt oder kommen muss. Ich finde diesen Anfang der Worte in Gott ganz besonders in gelungenen Gesprächen, manchmal auch im Schweigen oder ungesagten Worten. Der Ausgangspunkt verschiebt sich und legt eine Grundlage, auch für schwierige Gespräche. Auch hier weitet sich der Raum, lässt neue Denk- und Gesprächsmöglichkeiten zu, die in die Tiefe gehen, in die Zukunft weisen. Mir wird durch solche Worte klar, woher ich komme und wem ich mein Menschsein verdanke.
… und das Wort war Gott
Karl Rahner stellte einmal die Überlegung an, wie es wäre, wenn es nicht nur Gott, sondern auch das Wort „Gott“ nicht gäbe[1]. Und er kommt letztlich zur Überlegung, dass der Mensch dann aufhören würde, Mensch zu sein; er würde in der Welt und in sich stecken bleiben. Ohne das „Gegenüber Gott“ würde der Mensch nicht mehr merken, wer er ist. Und das Wort war Gott bedeutet also, dass mein Menschsein Sinn hat, dass mein Fragen, Reden, Denken von Gott her kommt und im Gegenüber zu Gott geschieht. In der Sprache selbst, in jedem Wort ist Gott lebendig und sagt sich aus. In unseren Worten macht sich Gott verständlich, in unseren Gesten, in unserem Menschsein. Letztlich ist dieser Satz und das Wort war Gott eine unglaubliche Grenzüberschreitung zwischen Gott und Mensch. Gott und Mensch verbinden sich im Wort. Gleichzeitig finde ich im Wort zu mir selbst, zu dem, was und wer ich bin.
… und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt
Der Johannesprolog benennt eine zweite Weise, wie Gott sich den Menschen mitteilt: indem er selbst ganz und gar Mensch wurde. In Jesus Christus setzt Gott noch einmal auf ganz andere Art und Weise als im Schöpfungswort einen Anfang: er kommt als Kind in die Welt. Gott zeigt erneut, wie wichtig, wie wertvoll der Mensch ist. Er zeigt durch Jesus, welche Nähe zwischen Gott und Mensch möglich ist. Glaube an Gott führt zu einem durch und durch menschlichen Leben, das uns weiten Raum für die Verwirklichung unserer Möglichkeiten lässt.
Meistens gehen uns Worte leicht von den Lippen. Der Johannes-Prolog lehrt mich Vertrauen in mein eigenes Wort und in die Worte anderer Menschen. Gottes Wort in alltäglichen Worten, ganz ungeplant, zu hören und zu sehen, müssen wir vielleicht noch einüben. Wenn wir es tun, werden wir auf jeden Fall darüber staunen, wie vielfältig Gott sich mitteilt.
Barbara Janz-Spaeth, Bistum Rottenburg-Stuttgart
[1] Rahner, Karl, Grundkurs des Glaubens, Freiburg, 12.1976, S. 54-61