o8.o9.24 – 15. Sonntag nach Trinitatis / 23. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Mt 6,25-34 Jes 35, 4-7a Jak 2, 1-5 Mk 7, 31-37

Der Autor betrachtet den ev. Predigttext und stellt über die Nachhatligkeitsaspekte Bezüge zu anderen Bibeltexten her.

Mt 6, 25-34

Die Predigt dieses 15. Sonntags nach Trinitatis stammt aus dem Matthäus-Evangelium, Kapitel 6, Verse 25-34. Es handelt sich um die Worte Jesu, die in der Bergpredigt niedergeschrieben sind. Jesus richtete an seine Jünger und diejenigen, die gekommen waren, um ihm zuzuhören, eine Botschaft über eine sorglose Lebenshaltung in Bezug auf die existenziellen Bedürfnisse wie Essen, Trinken und Kleidung. Diese Sorge kann sich auch auf Fragen nach der Langlebigkeit oder Nachhaltigkeit des Lebens erstrecken. Der Glaube an Gott - der versorgt und das Üben der Gerechtigkeit des Reiches Gottes bieten sich als Alternativen zu Angst und Sorge im Leben an.

Ernährungssicherheit - "Null"-Hunger, ist Ziel 2 der nachhaltigen Entwicklung. Der Zugang zu nachhaltiger Ernährung scheint vielen Menschen Kopfzerbrechen zu bereiten. Etwas zu essen zu finden, ist oft mit Qualen und Sorgen verbunden. Wenn man mit leerem Magen ins Bett geht, wird die Nacht länger und alptraumhafter. Ein Sprichwort sagt: „Ein hungrige Bauch hat keine Ohren“. Hat sich Jesus auf dem Berg der Seligpreisungen an solche Menschen gewandt? Oder spielte er auf andere an, die, um ihre Ernährung zu sichern, andere ausbeuten müssen oder von der Arbeit anderer profitieren? Heute gibt es zwielichtige Agrarproduzenten, die die Natur durch Abholzung für ihre Plantagen zerstören, andere greifen zu Pestiziden oder beuten einfach Kinder aus, um mehr Profit zu machen. Verweisen uns die Worte Jesu auf die Verbraucher, die sich nur um die Beschaffung von Lebensmitteln kümmern, ohne sowohl deren Herkunft als auch die Arbeitsbedingungen der Erzeuger zu hinterfragen?

„Sorgt euch nicht um euren Leben, … auch nicht euren Leib, was ihr anziehen, werdet“, sagt Jesus (Mt 6,25b). Wenn man diese Ermahnung Jesu hört, könnte man an diejenigen denken, deren Herz nicht ruhig ist, wenn ihnen die Kleidung fehlt. Aber auch an diejenigen, die Kleider haben, sich aber nicht mit dem zufrieden geben, was sie haben, sondern immer mehr haben wollen - selbst wenn diese Kleider die Würde und das Leben derer kosten, die sie herstellen. Oder diejenigen, die ihren Frieden verlieren, wenn eine neue Kleidungsmarke auf den Markt kommt und sie sich keine neue kaufen können. Könnte es eine Alternative sein, sich mit dem Notwendigen zu begnügen oder mit dem, was man als Kleidung hat? Auch wenn man sagt, dass Kleider nicht den Mönch machen, erkennt man den Mönch dennoch an seinem Gewand. Das Gewand ist also notwendig, aber es ersetzt die menschliche Person weder in ihrer Würde noch in ihrem Wert. Deshalb sagt Jesus zu Recht: "Der Leib ist mehr als die Kleidung". Die menschliche Würde kann durch nichts ersetzt werden. Sie muss geschützt werden. Das ist eine Frage des Glaubens und der Gerechtigkeit.

Jesus wacht über den Zustand des Herzens angesichts von Nahrung, Essen und Kleidung - kurz: angesichts der Bedürfnisse des Lebens. Mt 6,25-34 ist ein Text, der vom Verb μεριμνάω (merimnaó) "besorgt sein", "sich sorgen um, ängstlich sein wegen, abgelenkt sein" geprägt ist. Aufgrund der Tatsache, dass dieses Verb fünfmal vorkommt, davon viermal in Bezug auf die Adressaten Jesu und einmal in Bezug auf den nächsten Tag, der sich um sich selbst sorgen wird. In allen vier Fällen ruft Jesus dazu auf, sich nicht um das Leben zu sorgen, um das, was dazu gehört - Essen, Trinken und Kleidung. Essen, Trinken und Kleidung müssen jeweils dem Leben und dem Körper des Menschen untergeordnet sein. Der Mensch muss Herr über sie sein und darf sich nicht vom Essen oder Trinken zähmen oder vom Kleiden beherrschen lassen. Indem er Herr ist, übt der Mensch dort Entscheidungsgewalt aus - Entscheidung über warum, wie, wann, was und wo. Und sollte es ihm einmal an etwas fehlen, kann er seine Würde als Mensch - geschaffen nach dem Bild Gottes - nicht verlieren und auch nicht in seinem Geist oder Gewissen gestört werden. Außerdem könnte der Zugang zu Essen, Trinken oder Kleidung den Menschen nicht zu Handlungen verleiten, die gegen den Willen und die Gerechtigkeit Gottes verstoßen.

Dabei geht es nicht darum, um jeden Preis zu essen. Vor dem Essen, Trinken und Kleiden bewahrt der Mensch sowohl einen kühlen Kopf als auch ein ruhiges Gewissen. Deshalb verweist Jesus auf den Wert seiner Gesprächspartner*innen im Vergleich zu den Bedürfnissen nach Nahrung oder Kleidung. Sie sind mehr wert als all das. Um dem Nachdruck zu verleihen, greift er auf Beispiele aus der Natur - die Vögel des Himmels und die Lilien auf dem Feld einerseits und aus der Tradition – König Salomo als historische Referenz für Kleidung - andererseits zurück. Mit dem Beispiel der Vögel, die weder säen noch ernten noch sammeln, aber dennoch von Gott ernährt werden, möchte Jesus betonen, dass Gott der himmlische Vater ist. Er wird es nicht versäumen, die Menschen zu ernähren, die - im Gegensatz zu den Vögeln des Himmels - arbeiten, um Nahrung zu finden oder Blumen zu pflanzen. Es liegt Jesus fern, zu Müßiggang und Faulheit aufzurufen, um sich zu ernähren, ohne zu arbeiten. Im Gegenteil. Er kennt das Wort aus dem Buch Genesis: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot verdienen.“ (Gen 3,19). Der Apostel Paulus griff es auf seine Weise auf: „Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen.“ (2 Thes 3,10).

Mit diesen Beispielen möchte Jesus den Glauben an Gott als Alternative zur Angst und Sorge vor den Bedürfnissen des Lebens darstellen. Darüber hinaus stellt er Gott als himmlischen Vater vor - als Versorger für diejenigen, die in Not sind. Denn er ist der Schöpfer, der die Bedürfnisse sowohl der Menschen als auch der anderen Geschöpfe kennt. Nur dieser Glaube an Gott kann Menschen dazu bringen, in Vertrauen und Freiheit zu leben, ohne dass ihre Herzen zu Sorge, Ungerechtigkeit oder Gewalt verleitet werden.

Dass Essen, Trinken und Kleidung ein Mensch zu Unruhe und vor allem zu Angst verleiten, sichert weder den Frieden noch die Nachhaltigkeit des Lebens. Wir müssen in der Lage sein, die Dinge voneinander zu trennen. Der Mensch ist mehr als die materiellen Güter, die ihn umgeben, auch wenn sie für sein Leben notwendig sind. Er darf nicht verdinglicht werden und seine Würde darf nicht auf materielle Güter reduziert werden, die produziert oder konsumiert werden müssen. Er darf nicht hin- und hergerissen sein, sein Herz in Unruhe und seine Seele in Verzweiflung wegen der Güter dieser Welt, oder weil er sie um jeden Preis besitzen will. In diesem Sinne sagte Jesus: „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?“ (Mt 16,26)

Die Natur des Menschen ist besorgt und ängstlich, ja sogar verzweifelt. Woher soll dann die Kraft kommen, sich nicht zu sorgen? Jesus rät, den Blick nicht auf die Dinge (hier Essen, Trinken, Kleidung) - geschaffene und hergestellte Dinge - zu richten, sondern vielmehr auf Gott, den Schöpfer aller Dinge, und der - von der Schöpfung an - alles für das Leben des Menschen bereitgestellt hat. Hier ist der Weg, uns zu warnen, wie sehr die materiellen Güter die Oberhand über uns Menschen gewinnen und uns Gott vergessen lassen. Aufgrund ihres hemmungslosen Strebens wird Gott abgelehnt, seine Gerechtigkeit missachtet - die Menschen und die gesamte Schöpfung werden Leid und Angst ausgeliefert.

Neben dem Aufruf zum Glauben an Gott gipfelt die Perikope in der Priorisierung der Gerechtigkeit als eines der Merkmale des Reiches Gottes. Hier handelt es sich besser um einen Aufruf zur Umkehr zu einem Leben, das von Gerechtigkeit durchdrungen ist. Die Praxis der Gerechtigkeit gibt dem Glauben ein Gesicht. Sie kann daher nicht optional sein. Sie ist ein inhärentes Erfordernis des menschlichen Daseins. Der gerechte Zugang zu Nahrung, Getränken und Kleidung gehört in diesem Reich zur Normalität und Selbstverständlichkeit. Wenn es einen Hunger oder Durst gibt, den man dort haben kann, dann ist es der Hunger und Durst nach Gerechtigkeit „Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.“ (Mt 5,6).

Der Mangel an Ernährungssicherheit oder gerechter Wasserverteilung, die Ungerechtigkeit in der Textilindustrie und die Ausbeutung in der Modebranche werden zu einer Forderung nach Gerechtigkeit in diesem Reich, dessen Ausübung Glauben und Mut empfiehlt. Denn sie geht oft mit Risiken einher, die von Verfolgung, Gefängnis bis hin zum Tod reichen: „Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.“ (Mt 10). Die Zugehörigkeit zum Reich der Gerechtigkeit empfiehlt also, sowohl für diejenigen zu beten, die für Gerechtigkeit kämpfen, als auch mit ihnen zusammenzuarbeiten und sie in einem aktiven Plädoyer zu verteidigen.

Die Zukunft und die Nachhaltigkeit des Lebens und unserer Welt sind Teil von Gottes Plan. Die Menschen beteiligen sich daran, indem sie Gerechtigkeit üben. Deshalb darf der nächste Tag nicht länger Gegenstand von Sorgen und Ängsten sein, sondern ist vielmehr das Ergebnis der täglichen Praxis der Gerechtigkeit. Eine Gerechtigkeit, die das Leben in seiner Würde und Nachhaltigkeit unterstützt. Wo Gerechtigkeit herrscht und praktiziert wird, herrscht sozialer Frieden. Niemand muss sich um Nahrung sorgen, der Zugang zu Wasser ist sowohl beim Konsum als auch bei der Produktion gewährleistet. Die Freude erreicht sowohl den Konsumenten als auch den Produzenten. Die Frage nach dem Morgen, danach, wie unsere Welt aussehen wird, wird weder durch ein sorgloses Leben noch durch das Streben nach kosteneffizientem Profit gelöst, sondern vielmehr durch Verantwortung und Teilhabe für eine gerechte Welt und durch einen gerechten Zugang zu Ressourcen für alle. Wenn es einen Kampf gibt, um den sich die Menschen kümmern müssen, dann ist es der Kampf für Verteilungsgerechtigkeit, die sicherstellt, dass jeder und jede die Ziele der nachhaltigen Entwicklung erreicht - für eine Welt, die das Reich Gottes ist.

Dr. Jean-Gottfried Mutombo, Ev. Kirche von Westfalen