o9.o2.25 – 4. Sonntag vor der Passionszeit / 5. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Mk 4, 35-41 Jes 6, 1-2a.3-8 1 Kor 15, 1-11 oder
1 Kor 15, 3-8.11
Lk 5, 1-11

Stellung im Kirchenjahr

In der evangelischen Perikopenordnung ist der 09.02.2025 der 4. Sonntag vor der Passionszeit, nach katholischer Ordnung der 5. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C).

Schwerpunktthema »Nachhaltigkeit« – Predigtimpulse

Mk 4,35-41

Der Sturm auf dem See

Am Abend dieses Tages sagte er zu ihnen: Wir wollen ans andere Ufer hinüberfahren. Sie schickten die Leute fort und fuhren mit ihm in dem Boot, in dem er saß, weg; und andere Boote begleiteten ihn. Plötzlich erhob sich ein heftiger Wirbelsturm und die Wellen schlugen in das Boot, sodass es sich mit Wasser zu füllen begann. Er aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief. Sie weckten ihn und riefen: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen? Da stand er auf, drohte dem Wind und sagte zu dem See: Schweig, sei still! Und der Wind legte sich und es trat völlige Stille ein. Er sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben? Da ergriff sie große Furcht und sie sagten zueinander: Wer ist denn dieser, dass ihm sogar der Wind und das Meer gehorchen?

  • Die Perikope der Sturmstillung wird von allen Synoptikern erzählt, in fast identischem Wortlaut, lediglich bei der Rede Jesu gibt es einen unscheinbaren, aber signifikanten Unterschied.
  • Nach Mk und Lk wird Jesus von den verängstigten Jüngern geweckt, befiehlt zuerst den Naturkräften, ruhig zu werden und stellt den Jüngern erst dann die zentrale Frage nach der Größe bzw. der Tragfähigkeit ihres Vertrauens.
  • In der Fassung des Mt ist diese Reihenfolge umgekehrt: Die Jünger werden mitten in der bedrohlichen Gefahr nach ihrem Glaubensvertrauen gefragt. Dies macht die Frage Jesu in höchstem Maß existenziell, während sie bei Mk und Lk nach bereits erfolgter Rettung gleichsam nachgeschoben wird. Dadurch erhält sie den Charakter einer rhetorischen Frage, die der gesamten Episode einen eher belehrenden Charakter verleiht.
  • An Jesus zeigt sich, wie Gott rettet, so heißt die Botschaft des Markus. Ohne ‚Vorkasse‘ unsererseits, ohne dass wir es erst verdienen müssten, durch gottgefälliges Leben oder durch die Größe bzw. Stärke unseres Glaubens. Gott rettet die, die in der Not keine andere Hilfe sehen als sich zu ihm zu flüchten, unabhängig davon, wie ‚fromm‘ sie sonst sind.
  • Allerdings werden die Jünger auch bei Mk auf ihren Glauben und ihr Vertrauen angesprochen, allerdings erst danach, als die Lebensgefahr durch Jesu Eingreifen bereits gebannt ist und sie wieder klar denken können. Wie dürfen vermuten, dass sie dann beschämt eingestehen mussten, sich vor allem in der Gefahr auf ihren Glauben zu besinnen – wo doch das ganz alltägliche Leben genug Gelegenheiten bietet, das Gaubensvertrauen einzuüben – und so immer stärker in die Gestalt von Glauben hineinzuwachsen, die Jesus so eindrucksvoll vorgelebt hat. Und die ihn auch durch die dunkelsten Stunden seines Lebens und Sterbens hindurch getragen hat.
  • „Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“ Diese Frage an die Jünger benennt die bleibende Herausforderung, in die alle glaubenden Menschen gestellt sind. Denn Angst und Vertrauen bzw. Glauben bilden die beiden Pole, die das ‚Spielfeld‘ abstecken, auf dem sich das Leben ab-spielt – und auf dem sich das Vertrauen bewähren muss. Auch wir sind zwischen diese beiden Polen gestellt und treffen vielmals täglich kleine oder auch größere Entscheidungen.
  • Also: Woraus lebe ich? Woraus will ich leben? Aus der Angst – oder aus dem Vertrauen? Dem Vertrauen in den Gott, der handelt, wie Jesus gehandelt hat? Wir haben die Wahl. Jeden Tag neu. Solange wir leben.

Jes 6, 1-2a.3-8

Berufung des Propheten

Im Todesjahr des Königs Usija, da sah ich den Herrn auf einem hohen und erhabenen Thron sitzen und die Säume seines Gewandes füllten den Tempel aus. Serafim standen über ihm. Und einer rief dem anderen zu und sagte: Heilig, heilig, heilig ist der HERR der Heerscharen. Erfüllt ist die ganze Erde von seiner Herrlichkeit.

Und es erbebten die Türzapfen in den Schwellen vor der Stimme des Rufenden und das Haus füllte sich mit Rauch. Da sagte ich: Weh mir, denn ich bin verloren. Denn ein Mann unreiner Lippen bin ich und mitten in einem Volk unreiner Lippen wohne ich, denn den König, den HERRN der Heerscharen, haben meine Augen gesehen. Da flog einer der Serafim zu mir und in seiner Hand war eine glühende Kohle, die er mit einer Zange vom Altar genommen hatte. Er berührte damit meinen Mund und sagte: Siehe, dies hat deine Lippen berührt, so ist deine Schuld gewichen und deine Sünde gesühnt. Da hörte ich die Stimme des Herrn, der sagte: Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen? Ich sagte: Hier bin ich, sende mich!

  • Die Berufung und Sendung als Prophet ist eine der bekanntesten Geschichten aus dem Buch Jesaja.
  • Die Vision, die subjektiv als direkte Begegnung mit Gott erlebt wird, zeigt Jesaja, wie riesig, der bleibende Abstand zwischen Gott und Mensch ist, für alle Menschen, auch für die, die sich bemühen, in lebendiger Beziehung zu Gott zu leben.
  • In einer solchen Situation muss der Mensch überwältigt werden, von seiner kreatürlichen Kleinheit, Begrenztheit, seiner Verletzlichkeit, seiner Sterblichkeit – aber auch von seiner Fehlbarkeit, seinem moralischen Ungenügen, seiner individuellen Schuld und seiner Verflochtenheit in das, was man als ‚strukturelle Sünde‘ bezeichnet.
  • Interessant ist, dass gerade Jesajas Berufung mit dieser Vision beginnt, die ihn bis ins Mark erschüttert. Er wird als tatkräftiger Mensch beschrieben, der sich viel zutraut und nicht mit Selbstzweifeln zu kämpfen hat (vgl. die sofortige Antwort: „Hier bin ich, sende mich!“). Die existenzielle Erschütterung mag ihn etwas demütiger gemacht und in seiner späteren Rolle als Prophet vor Selbstüberschätzung und Stolz bewahrt haben. Um in den Bildern der Vision zu bleiben: er muss sich erst ‚den Mund verbrennen‘, um ihn später nicht ‚zu voll zu nehmen‘.
  • Diese Art der Berufung ist besonders interessant im Vergleich mit anderen Prophetenberufungen. Jeremija etwa traut sich eine so große Aufgabe nicht zu und  muss erst schrittweise überzeugt werden, ihr gewachsen zu sein. Dabei wird er  ermutigt durch die Zusage göttlichen Beistands. Solche Details sind bedeutsam, weil sie zeigen, dass jede Berufung – auch die unsere! – die individuelle Persönlichkeit berücksichtigt mit allen ihren Charismen und Stärken, ebenso aber auch mit persönlichen Grenzen und Schwächen.

 

1 Kor 15, 1-11 oder 1 Kor 15, 3-8.11

Das Bekenntnis zu Tod und Auferweckung Christi

Ich erinnere euch, Brüder und Schwestern, an das Evangelium, das ich euch verkündet habe. Ihr habt es angenommen; es ist der Grund, auf dem ihr steht. Durch dieses Evangelium werdet ihr gerettet werden, wenn ihr festhaltet an dem Wort, das ich euch verkündet habe, es sei denn, ihr hättet den Glauben unüberlegt angenommen. Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf. Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen. Danach erschien er dem Jakobus, dann allen Aposteln. Zuletzt erschien er auch mir, gleichsam der Missgeburt. Denn ich bin der Geringste von den Aposteln; ich bin nicht wert, Apostel genannt zu werden, weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe. Doch durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und sein gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben. Mehr als sie alle habe ich mich abgemüht - nicht ich, sondern die Gnade Gottes zusammen mit mir. Ob nun ich verkünde oder die anderen: Das ist unsere Botschaft und das ist der Glaube, den ihr angenommen habt.

  • Die Perikope umschließt das wahrscheinlich älteste überlieferte Bekenntnis der nachösterlichen Gemeinde. Es enthält alle Essentials, die bis heute den Kern des christlichen Glaubens bilden: Christus (der verheißene Messias) – gestorben (in der Gottesknechtstradition der Schrift) – für uns (stellvertretend und erlösend) – auferweckt – als Lebender unter uns gegenwärtig.
  • Paulus verbindet dieses Urbekenntnis mit seiner eigenen Person und der Rolle bzw. Aufgabe, die er bei der Verbreitung dieser Botschaft (des „Evangeliums“) innehat.
  • Wie Jesaja ist auch Paulus ein ‚Eiferer‘. Bei ihm mischt sich der Dienst für den ‚rechten Glauben‘ mit persönlichen Strukturen wie Rigorismus, Ehrgeiz, Perfektionismus, religiöser Überheblichkeit.
  • Wie Jesaja hatte auch Paulus ein existenzielles visionäres Erlebnis, das alles, was er bisher gekannt und geglaubt und praktiziert hatte, überstrahlt und gleichsam vom Kopf auf die Füße stellt. Während Jesaja ‚den Mund verbrennen‘ muss, wird Paulus ‚vom hohen Ross‘ gestürzt, beides Bilder für die Konfrontation mit den eigenen Schwächen und Abgründen, die nun offen zutage treten und eine innere Umkehr bewirken, vom Perfektionismus zum menschlichen Maß, vom Rigorismus zur Empathie, vom moralischen Größenwahn zur Demut. Von der menschlichen Leistung zur göttlichen Gnade.
  • Auch als Verkünder der Gnade und der vergebenden Liebe Gottes bleibt Paulus der Mensch, der er eben war. Die Züge seiner Persönlichkeit werden nicht einfach von ihm genommen, er leidet weiter an ihnen (als dem „Stachel im Fleisch“, etwa seiner zwanghaften Struktur und anderer Beeinträchtigungen, die ihm das Leben und das Verkündigen schwer machen). Aber als ganzer Mensch wird er in den Dienst der Verkündigung genommen und kann die Schwächen oftmals auch in Stärken umwandeln, etwa das Eifertum in Beharrlichkeit, den Rigorismus in Ausdauer und innere Kraft, alle Widrigkeiten zu bestehen.
  • Obwohl Paulus schon zu seiner Zeit der bedeutendste Verkünder der christlichen Botschaft war, reiht er sich fraglos ein in die Reihe der Zeugen, die zu Verkündern wurden (‚was auch ich empfangen habe‘). Ausdrücklich stellt er sich neben die Glaubenszeugen, die vor ihm geglaubt und verkündigt haben oder es mit ihm tun (‚ob nun ich verkünde oder die anderen‘). Er beruft sich auch nicht in erster Linie auf sein eigenes ‚Abmühen‘, sondern auf ‚die Gnade Gottes zusammen mit mir‘.
  • Auch wenn in den Schriften des Paulus die zwanghaften (und geradezu neurotischen) Züge nicht immer zurückstehen, sondern gelegentlich durchscheinen,   bleibt das Zeugnis des Paulus in seinen zentralen theologischen und christologischen Aussagen doch der Kern des Evangeliums, der die Überlieferung der Evangelien ergänzt und deutet.

 

Lk 5,1-11

Der wunderbare Fischfang und die ersten Jünger

Es geschah aber: Als die Volksmenge Jesus bedrängte und das Wort Gottes hören wollte, da stand er am See Gennesaret und sah zwei Boote am See liegen. Die Fischer waren aus ihnen ausgestiegen und wuschen ihre Netze. Jesus stieg in eines der Boote, das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit vom Land wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte das Volk vom Boot aus. Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: Fahr hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! Simon antwortete ihm: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch auf dein Wort hin werde ich die Netze auswerfen.

Das taten sie und sie fingen eine große Menge Fische; ihre Netze aber drohten zu reißen. Und sie gaben ihren Gefährten im anderen Boot ein Zeichen, sie sollten kommen und ihnen helfen. Sie kamen und füllten beide Boote, sodass sie fast versanken. Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: Geh weg von mir; denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr! Denn Schrecken hatte ihn und alle seine Begleiter ergriffen über den Fang der Fische, den sie gemacht hatten; ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten. Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen. Und sie zogen die Boote an Land, verließen alles und folgten ihm nach.

  • Auch die Evangelienperikope von ‚reichen Fischfang‘ enthält das Moment der Begegnung zwischen dem sterblichen sündigen Menschen und dem unsterblichen heiligen Gott – und des existenziellen Schreckens, der damit immer verbunden ist (vgl. „mysterium tremendum et fascinosum“, das Geheimnis, das zugleich erbeben lässt und fasziniert).
  • Auch hier geht es im Kern um eine Berufungsgeschichte, das ‚Wunder‘ des gegen jede Wahrscheinlichkeit überreichen Fischfangs, das der Berufung vorausgeht, soll die Jünger darauf einstimmen und vorbereiten.
  • Die Fischfanggeschichte ist der Berufungsgeschichte vorgeschaltet und leitet diese ein. Die alltäglichen Erfahrungen, die die Fischer bei ihrer Arbeit machen, sind wichtig und Zug um Zug übertragbar auf ihre künftige Bestimmung, nicht mehr wie bisher Fische zu ‚fangen‘, sondern ‚Menschen‘.
  • Das Bild des Fischens auf die Mission zu übertragen und explizit vom ‚Menschen Fangen‘ zu sprechen, wirkt für das heutige Verständnis von Glaubensverkündigung etwas seltsam. Wesentlicher scheint aber die Vorgeschichte: Die Fischerei lehrt das Wissen, dass menschliche Arbeit und Bemühung das Eine ist, Erfolg und Gelingen aber ein anderes, das letztlich weder berechenbar noch verfügbar ist. Das haben die erfahrenen Fischer in ihrem Beruf gelernt. Und dieses Wissen brauchen sie auch in ihrer neuen Berufung, Menschen für die Botschaft des Evangeliums zu gewinnen.
  • Jesus stimmt sie darauf ein, auch mit Misserfolgen zu rechnen und sich davon nicht entmutigen zu lassen. Zugleich sagt er ihnen seine Kraft und seinen Beistand zu. Die gegen alle Erwartbarkeit übervollen Netze sind ein Bild für die Kraft, die Ausdauer und die Resilienz, die sie für ihre Aufgabe brauchen werden. Die Jünger vertrauen Jesus. Sie trauen ihm zu, dass er sie nicht nur sendet, sondern auch befähigt, sie mit allem ausstattet, was sie dafür brauchen.

Elisabeth Schmitter, Bistum Rottenburg-Stuttgart